BT-Drucksache 15/4904

Glaubwürdigkeit des Regierungssprechers im Hinblick auf eine nach Angaben des Prozessvertreters der Bundesregierung unwahre Aussage von Béla Anda in den Medie

Vom 15. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4904
15. Wahlperiode 15. 02. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bernhard Kaster, Dietrich Austermann, Steffen Kampeter,
Günter Nooke, Ilse Aigner, Norbert Barthle, Renate Blank, Jochen Borchert,
Manfred Carstens (Emstek), Albrecht Feibel, Herbert Frankenhauser, Jochen-
Konrad Fromme, Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Peter Gauweiler, Susanne Jaffke,
Bartholomäus Kalb, Volker Kauder, Norbert Königshofen, Vera Lengsfeld,
Dr. Michael Luther, Bernd Neumann (Bremen), Heinrich-Wilhelm Ronsöhr,
Kurt J. Rossmanith, Georg Schirmbeck, Erika Steinbach, Antje Tillmann,
Klaus-Peter Willsch und der Fraktion der CDU/CSU

Glaubwürdigkeit des Regierungssprechers im Hinblick auf eine nach Angaben
des Prozessvertreters der Bundesregierung unwahre Aussage von Béla Anda
in den Medien

Wesentliche Aufgabe eines Regierungssprechers in der Bundesrepublik
Deutschland ist die Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Me-
dien über die Politik der Bundesregierung. Er erläutert und vertritt ihre Tätig-
keiten, Vorhaben und Ziele gegenüber der Öffentlichkeit. Das Vertrauen in den
Regierungssprecher ist deshalb ein entscheidendes Kapital einer jeden Regie-
rung.
Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger sowie die beteiligten Journalisten im
öffentlichen und privaten Handeln des Regierungssprechers eine charakterlich
tadellos und inhaltlich einwandfreie Arbeitsweise erkennen können, kann der
Sprecher der Bundesregierung die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen und sei-
ner Aufgabe entsprechend gerecht werden. Dagegen führt jedweder Zweifel an
Kompetenz oder Charakter eines Regierungssprechers in der Öffentlichkeit auch
zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Bundesregierung selbst.
Zahlreiche Medienberichte über den Amtshaftungsprozess um eine dem der-
zeitigen Regierungssprecher Béla Anda anvertraute und schließlich verschwun-
dene Fotodiskette vor dem Landgericht Berlin lassen aufgrund von entsprechen-
den Einlassungen der Bundesregierung in der mündlichen Hauptverhandlung
inzwischen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Regierungsspre-
chers aufkommen. So soll sich der Prozessvertreter der Bundesregierung dahin-
gehend eingelassen haben, „dass Béla Anda unbestritten die Unwahrheit gesagt
habe, doch gelte, so wörtlich: ,Lügen ist nicht strafbar.‘“ (z. B. Frankfurter All-
gemeine Zeitung vom 25. Januar 2005). Dieses Zitat findet sich übereinstim-
mend auch in anderen Veröffentlichungen; so benutzt beispielsweise das Nach-
richtenmagazin „DER SPIEGEL“ dieses Zitat am 24. Januar 2005 in seiner
ONLINE-AUSGABE sogar als Überschrift.
Ferner berichten die prozessbeobachtenden Medien übereinstimmend über fol-
gende Wertung des Vorsitzenden Richters: „Anda habe auch eindeutig die Per-

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sönlichkeitsrechte des Fotografen verletzt, da er den Verlust der Diskette zu-
nächst in Abrede stellte und unter anderem einen Journalisten anstachelte, eine
negative Geschichte über den Fotografen zu schreiben, jedoch ergebe sich dar-
aus kein Anspruch auf Schmerzensgeld“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
25. Januar 2005).
Im Hinblick auf die bestehenden Ansprüche an die Glaubwürdigkeit eines Spre-
chers der Regierung der Bundesrepublik Deutschland muss unabhängig von der
Rechtskraft des entsprechenden Urteils dringend geklärt werden, ob die ver-
öffentlichten und nicht dementierten Haltungen und Aussagen des Prozessver-
treters der Bundesregierung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht Berlin zutreffend in den Medien wiedergegeben worden sind. Die
Glaubwürdigkeit des Regierungssprechers wäre ein für allemal in Mitleiden-
schaft gezogen, wenn seitens der Bundesregierung offiziell eingeräumt worden
wäre, dass Béla Anda öffentlich gelogen habe und auch lügen dürfe. Zudem
ergeben sich bei einer Bestätigung der Ausführungen des Prozessvertreters in
der öffentlichen Verhandlung und der berichteten Einlassungen des Vorsitzen-
den Richters auch neue strafrechtliche Aspekte, die entsprechend zu bewerten
wären.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es zu, dass – wie zahlreichen undementierten Medienberichten zu ent-

nehmen – der Prozessvertreter der Bundesregierung in dem Amtshaftungs-
prozess um eine dem Regierungssprecher Béla Anda anvertraute und ver-
schwundene Foto-Diskette vor dem Berliner Landgericht eingeräumt hat, der
Regierungssprecher habe in der Frage der verschwundenen Fotodiskette ge-
logen?

2. Trifft es zu, dass der Prozessvertreter der Bundesregierung gegenüber dem
Landgericht Berlin die Auffassung vertreten hat, dass Béla Anda unbestritten
die Unwahrheit gesagt habe und Lügen nicht strafbar sei, und bedeutet dies,
dass Béla Anda auch lügen dürfe, und warum hat die Bundesregierung die
diese Aussage zitierenden Presseberichte in einer Vielzahl deutscher Zeitun-
gen und Medien nicht umgehend dementiert und richtig gestellt?

3. Hat die Bundesregierung, die durch ihren Prozessvertreter über den Ablauf
der Verhandlung informiert ist, Erkenntnisse, dass Medienberichte über den
Berliner Landgerichtsprozess und die darin erläuterte Haltung der Bundesre-
gierung, z. B. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 25. Januar
2005, in irgendeinem Punkt eine Aussage nicht richtig wiedergeben, und
wenn ja, um welche Aussage handelt es sich dabei?

4. Hat die Bundesregierung nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Béla
Anda eigene Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes eingeleitet,
und wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, warum nicht?

5. Inwieweit ist der Sachverhalt im Vorfeld des Landgerichtsprozesses mit dem
Regierungssprecher abgestimmt worden und ist dabei auch thematisiert wor-
den, ob die Einlassungen von Béla Anda gegenüber den Journalisten der
„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, er hätte niemals eine Diskette
von Amerika nach Deutschland mitgenommen, der Wahrheit entsprechen?

6. Trifft es zu, dass Regierungssprecher Béla Anda schon vor dem Landge-
richtsprozess eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, in der er versi-
chert, dass er nicht mehr behaupten werde, in dem besagten Fall eine Foto-
diskette nicht erhalten zu haben?

7. Sind aufgrund der ursprünglichen unwahren Behauptungen durch den Regie-
rungssprecher disziplinarische Maßnahmen gegen Staatssekretär Béla Anda
eingeleitet worden, wenn nein, warum nicht, wenn ja, mit welchem Ergebnis?

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8. Hat es eine Kontaktaufnahme zwischen Regierungssprecher Béla Anda und
der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ im Februar oder März
2002 gegeben, in der der Regierungssprecher dem Medium glaubhaft ver-
sicherte, er hätte in diesem betreffenden Fall niemals eine Diskette mit Fotos
von Amerika mit nach Deutschland genommen, wenn ja, auf welchemWeg
ist diese Kontaktaufnahme erfolgt, fernmündlich, mündlich oder schrift-
lich?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei Gesprächen des Regie-
rungssprechers mit einemMedium diesesMedium grundsätzlich davon aus-
gehen kann, dass der Regierungssprecher in Ausübung seines Amtes und
nicht als Privatmann redet, und wenn nein, wie unterscheiden sich aus Sicht
der Bundesregierung Gespräche des Regierungssprechers im Rahmen sei-
ner Sprecherfunktion von Privatgesprächen mit Journalisten?

10. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Béla Anda in dem konkreten
Kontakt mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ im Frühjahr
2002 als Regierungssprecher gehandelt hat, und wenn nein, wie hat Béla
Anda gegenüber dem Medium deutlich gemacht, dass er sich zu diesem
Thema nur als Privatperson äußert?

11. Welche Gesichtspunkte sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, dass
Telefonate mit Journalisten der Privatsphäre eines Regierungssprechers zu-
zuordnen sind, obwohl sie am Diensttelefon geführt werden?

12. Trifft es zu, dass der Vorsitzende Richter des betreffenden Zivilprozesses in
der Verhandlung oder der Urteilsbegründung die Feststellung getroffen hat,
durch das Verhalten von Béla Anda könnten die Persönlichkeitsrechte des
klagenden Foto-Journalisten verletzt worden sein?

13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass – ob im öffentlichen oder
privaten Handeln – die bewusste Verletzung von Persönlichkeitsrechten
durch das Verbreiten unwahrer Behauptungen in Massenmedien ein ange-
messenes Verhalten für einen Regierungssprecher der Bundesrepublik
Deutschland ist?

14. Hält die Bundesregierung es für tragbar, dass einer ihrer Repräsentanten im
Rang eines Staatssekretärs – ob als Regierungssprecher oder als Privatper-
son – bewusst wahrheitswidrige Aussagen in Medien verbreiten lässt?

15. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die bewusste Verletzung von
Persönlichkeitsrechten durch das Verbreiten unwahrer Behauptungen in
Massenmedien ein Anzeichen für eine strafbare Handlung, evtl. auch ab-
seits der Offizialdelikte, beinhalten kann, und wenn nein, wieso kommt bei
diesem Verhalten eine Strafbarkeit nicht in Betracht?

16. Wie verhält sich aus Sicht der Bundesregierung die Aussage ihres Prozess-
vertreters „Lügen ist nicht strafbar“mit den§§ 186und187Strafgesetzbuch?

17. Hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund des großen öffentlichen In-
teresses an diesem Fall und der Tatsache, dass ein Regierungssprecher ver-
trauensvoll mit denMedien zusammenarbeiten muss, Erkenntnisse oder Be-
fürchtungen hinsichtlich eines möglichen Glaubwürdigkeitsverlustes ihres
Regierungssprechers, und wenn ja, welche Maßnahmen sind beabsichtigt,
Vertrauen und Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, wenn nein, welche An-
haltspunkte sprechen gegen entsprechende Befürchtungen?

18. Hält die Bundesregierung es für tragbar, dass ein in zahlreichen deutschen
Medien der Lüge überführter Regierungssprecher weiterhin seine Aufgaben
an der Seite des deutschen Bundeskanzlers, insbesondere auch bei künftigen
Auslandsreisen, wahrnehmen kann, und wenn ja, wie begründet sie ihre
Haltung?

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19. Hat die Bundesregierung Anhaltpunkte dafür, dass Béla Anda in dem betref-
fenden Fall gegenüber Abgeordneten des Deutschen Bundestages – ob in
Ausschusssitzungen oder auf Anfragen – die Unwahrheit gesagt haben
könnte und wenn nein, hat Béla Anda dies ausdrücklich bestätigt?

20. Hält die Bundesregierung es für vertretbar, einen Staatssekretär und Regie-
rungssprecher weiterhin auf Fragen von Abgeordneten des Deutschen Bun-
destag antworten zu lassen, der in den Medien öffentlich und undementiert
der Lüge bezichtigt worden ist?

21. Hat die Bundesregierung Befürchtungen, dass aufgrund des immer mysteri-
öser werdenden Falles der verschwundenen 150 Fotos die Spekulationen
über den möglichen Inhalt der Bilder betreffend den Bundeskanzler weiter
steigen, und wenn nein, welche Gründe sprechen gegen solche Befürchtun-
gen?

22. Wen hat Béla Anda nach seiner Rückkehr aus New York davon unterrichtet,
dass eine ihm anvertraute Foto-Diskette abhanden gekommen ist?

23. Sind Nachforschungen über den Verbleib der Foto-Diskette angestellt wor-
den, beispielsweise durch Nachfragen im Hotel oder bei der Flugbereit-
schaft?

24. Wie reagiert die Bundesregierung üblicherweise bei Hinweisen auf den Ver-
lust von Gegenständen durch Journalisten, die den Bundeskanzler auf sei-
nen Auslandsreisen begleiten?

Berlin, den 15. Februar 2005
Bernhard Kaster
Dietrich Austermann
Steffen Kampeter
Günter Nooke
Ilse Aigner
Norbert Barthle
Renate Blank
Jochen Borchert
Manfred Carstens (Emstek)
Albrecht Feibel
Herbert Frankenhauser
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Vera Lengsfeld
Dr. Michael Luther
Bernd Neumann (Bremen)
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Kurt J. Rossmanith
Georg Schirmbeck
Erika Steinbach
Antje Tillmann
Klaus-Peter Willsch
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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