BT-Drucksache 15/4852

Einhaltung der inhaltlichen Forderungen des Sozialbeirats an den Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung gemäß § 154 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

Vom 16. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4852
15. Wahlperiode 16. 02. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer
Funke, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Einhaltung der inhaltlichen Forderungen des Sozialbeirats an den Bericht
der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung
gemäß § 154 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Bundesregierung ist nach § 154 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
dazu verpflichtet, den gesetzgebenden Körperschaften jährlich bis zum 30. No-
vember einen Rentenversicherungsbericht vorzulegen.
Der Rentenversicherungsbericht dient dazu, jährlich die Lage der gesetzlichen
Rentenversicherung darzustellen und künftige Entwicklungen mittel- und lang-
fristig abzuschätzen. Dadurch soll jährlich eine Bestandsaufnahme der Renten-
versicherung vorliegen, die aufzeigt, wo mögliche Risiken für die künftige
finanzielle Lage der Rentenversicherung liegen und ob und in welcher Form
Reformbedarf besteht.
Der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung ist als Informations-
quelle über die Lage der Rentenversicherung für die gesetzgebenden Körper-
schaften und die Bürger und Versicherten von großer Bedeutung, weil sie nur
über den Rentenversicherungsbericht eine offizielle und fundierte Analyse der
Lage der Rentenversicherung durch die Bundesregierung erhalten.
Der Rentenversicherungsbericht ist für das Verständnis der Bürger über die
Notwendigkeit und die Bereitschaft der Bürger zum Aufbau einer privaten Al-
tersvorsorge von großer Bedeutung. Die im Rentenversicherungsbericht ver-
wendeten mittelfristigen Prognosen und Modellrechnungen fließen auch in die
Hochrechnungen über die Höhe der individuellen Rentenansprüche, die den
Versicherten in regelmäßigen Abständen übersandt werden, ein.
Gemäß § 155 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nimmt der Sozialbeirat zu
dem jährlichen Rentenversicherungsbericht Stellung. Der Sozialbeirat über-
prüft die dem Bericht von der Bundesregierung zugrunde gelegten Daten, die

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Berechnungsergebnisse, Prognosen und Modellrechnungen und unterbreitet
Vorschläge zur Verbesserung des Rentenversicherungsberichts.
Die Bundesregierung ist diesen Aufforderungen des Sozialbeirats in der Ver-
gangenheit wiederholt nicht nachgekommen und gefährdet damit die Errei-
chung der oben genannten Ziele. Wiederholt hat der Sozialbeirat in den zurück-
liegenden Jahren festgestellt, dass die ökonomischen Grundannahmen für
den Rentenversicherungsbericht zu optimistisch gewählt waren. Eine solche
Grundtenorierung des Rentenversicherungsberichts verschleiert die wirkliche
Situation der gesetzlichen Rentenversicherung und hindert die Gesetzgebungs-
organe und die Bürger daran, sich ein realistisches Bild von der Lage der Ren-
tenversicherung zu verschaffen.
Dabei verletzt die Regierung nach Angaben des Sozialbeirates auch bisherige
Erfahrungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, wenn sie davon ausgeht, dass
bereits bei einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent mit einem Beschäf-
tigungszuwachs zu rechnen sei.
Der Sozialbeirat hat wiederholt in seinen Berichten zum Rentenversicherungs-
bericht darauf hingewiesen, dass mit der Angabe von Varianten der Rentenent-
wicklung, die von einem Wachstum des Bruttoentgeltes von 4 Prozent bzw.
einer Lohnentwicklung in den neuen Ländern von 5,4 Prozent ausgehen,
falsche Signale gesetzt werden und solche Lohnentwicklungsannahmen in Zu-
kunft unterbleiben sollen. Das gilt umso mehr, als diese Werte Eingang finden
in die Hochrechnungen der Rentenversicherungsträger, die den Versicherten in
regelmäßigen Abständen übersandt werden. Damit wird die wahre Entwicklung
der Alterssicherungsansprüche der Menschen unrealistisch überhöht dargestellt
und in der Folge die Bereitschaft zu privater Altersvorsorge zur Lebensstan-
dardsicherung verhindert.
Die übersteigerten Annahmen der Bundesregierung über die Lohnentwicklung
verzerren die Auswirkungen des Nachhaltigkeitsfaktors auf die Rentenanpas-
sung in der mittel- und langfristigen Perspektive. Nur bei Entgeltsteigerungen
von 1,5 Prozent jährlich kann sich der Nachhaltigkeitsfaktor in Zukunft voll auf
die Rentenanpassung auswirken. Bei darunter liegenden Entgeltsteigerungen
verhindert die Schutzklausel des § 68 Abs. 6 SGB VI die Auswirkung des
Nachhaltigkeitsfaktors auf die Rentenanpassung. Die Folge ist ein Außer-Kraft-
Setzen des Nachhaltigkeitsfaktors und ein dauerhaft höheres Rentenniveau.
Hieraus ergibt sich ein Risiko für den vorausberechneten Beitragssatzverlauf.
Der Sozialbeirat weist explizit darauf hin, dass damit der für 2030 vorgesehene
Beitragssatz von 22 Prozent merklich überschritten werden könne. Rechtsfolge
ist dann gemäß § 154 Abs. 3 SGB VI, dass die Bundesregierung den gesetz-
gebenden Körperschaften geeignete Maßnahmen vorschlagen muss, um die
Überschreitung der 22-Prozent-Grenze im Jahr 2030 zu verhindern.
Der Grundsatz der Haushaltsehrlichkeit muss auch für den Rentenversiche-
rungsbericht der Bundesregierung gelten, weil dieser Bericht Grundlage für die
Erkenntnisquelle für die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung ist, Reform-
bedarf erkennen lassen soll und den Bürgern über den Weg der Renteninforma-
tionen den Grad der Notwendigkeit privater Altersvorsorge zur Lebensstan-
dardsicherung vermitteln muss.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
in den zukünftigen Rentenversicherungsberichten
1. Zahlen für die weitere Entwicklung der Löhne, der Beschäftigungszahlen,

der Wirtschaftsentwicklung und ihrer Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
zugrunde zu legen, die nicht am oberen und positiven Ende der Einschät-
zungsskala liegen;

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2. die unter Nummer 1 genannten Zahlen und Werte im Rentenversicherungs-
bericht dem Sozialbeirat vor Veröffentlichung des Rentenversicherungs-
berichts zur Stellungnahme vorzulegen;

3. die unterjährige Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung des zurück-
liegenden Jahres und in den mittelfristigen Vorausberechnungen auszuwei-
sen;

4. die realen Auswirkungen des Nachhaltigkeitsfaktors auf die Rentenanpas-
sung darzustellen, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
die Reduzierung der Rentenanpassung aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors
nicht oder nur teilweise anzuwenden ist, weil nur geringe Lohnzuwächse
vorliegen;

5. Modellrechnungen für die Jahre vorzulegen, in denen die demographische
Belastung ihre stärkste Wirkung entfalten wird.

Berlin, den 15. Februar 2005
Dr. Heinrich L. Kolb
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Otto Fricke
Rainer Funke
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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