BT-Drucksache 15/4848

Kostensenkungspotentiale für den Klimaschutz erschließen - Verbindungsrichtlinie zum europäischen Emissionshandel unverzüglich umsetzen

Vom 16. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4848
15. Wahlperiode 16. 02. 2005

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Ulrich Heinrich,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr,
Gisela Piltz, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Kostensenkungspotentiale für den Klimaschutz erschließen – Verbindungs-
richtlinie zum europäischen Emissionshandel unverzüglich umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Russland wurde ein Durch-
bruch für den internationalen Klimaschutz erzielt. Jetzt geht es darum, den
Kyoto-Prozess mit Leben zu erfüllen. Gerade in den Entwicklungsländern sind
die klimapolitischen Potentiale besonders hoch. Gerade die Entwicklungslän-
der müssen nachdrücklich und konkret von den ökologischen und ökonomi-
schen Chancen überzeugt werden, die ein moderner Klimaschutz für sie bietet.
Um den Kyoto-Prozess und die Nutzung seiner flexiblen Instrumente zur For-
cierung der Reduktion von Klimagasen voranzubringen sind Signale dringend
erforderlich, welche potentielle Investoren zu klimarelevanten Investitonspro-
jekten auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern ermuntern. Nur so
können weitere Länder, insbesondere auch die USA dazu bewogen werden, der
Kyotogemeinschaft doch noch beizutreten, und rechtzeitig tragfähige Konzepte
für das Kyoto-Protokoll und seine Instrumente auch für die Zeit nach 2012 ent-
wickelt werden.
In diesem Zusammenhang zentral sind die so genannten projektorientierten
Mechanismen des Kyoto-Protokolls. Dabei handelt es sich um den Mechanis-
mus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism,
CDM), der Emissionsgutschriften generiert, wenn klimarelevante Investitions-
projekte in Entwicklungsländern finanziert werden, die die Treibhausgasemis-
sionen verringern. Dem entspricht innerhalb der Gruppe der Industrieländer das
Instrument der so genannten „Gemeinsamen Umsetzung“ (Joint Implementa-
tion, JI). Dabei geht es vorwiegend um Klimaschutzprojekte, die in den Staaten
Mittel- und Osteuropas durchgeführt werden.
Mit diesen projektbezogenen Mechanismen eröffnet das Kyoto-Protokoll ins-
besondere auch den Entwicklungs- und Schwellenländern die Möglichkeit,
substanzielle Beiträge zum Klimaschutz zu leisten, zugleich aktiv und in eige-
ner Verantwortung am Welthandel teilzunehmen und auf diese Weise ihre wirt-
schaftliche Situation zu verbessern. Den Industrieländern bieten die flexiblen

Drucksache 15/4848 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mechanismen die Möglichkeit, Reduktionsverpflichtungen durch bilaterale
Klimaschutzprojekte kostengünstig zu erfüllen.
Mittlerweile ist die gesetzliche Grundlage für eine Nutzung von CDM und JI
und für deren Integration in den europäischen Emissionshandel geschaffen
worden. Die so genannte Verbindungsrichtlinie (Richtlinie 2004/101/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 zur Änderung
der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgas-
emissionszertifikaten in der Gemeinschaft im Sinne der projektbezogenen
Mechanismen des Kyoto-Protokolls) sieht vor, dass Emissionszertifikate aus
JI-Projekten ab dem Jahr 2008 und jene aus dem CDM bereits von Beginn an
im EU-Emissionshandel entsprechend den Regelungen im Kyoto-Protokoll
genutzt werden können. Die Richtlinie ist am 13. November 2004 in Kraft
getreten und muss binnen 12 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Für die Nutzung von CDM und JI müssen demnach zügig geeignete Rahmen-
bedingungen geschaffen werden, da die projektbezogenen Kyoto-Mechanismen
auch für die Unternehmen in Deutschland erheblich an Bedeutung gewinnen
werden.
Schon seit Jahren fordert die FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung im
Deutschen Bundestag unablässig dazu auf, endlich den Weg für klimarelevante
Investitionsprojekte auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern frei zu
machen und zwischenstaatliche Übereinkommen über die gemeinsame Durch-
führung von Klimaschutzprojekten abzuschließen, damit klimarelevante In-
vestitionsprojekte so schnell wie möglich und auf rechtlich sicherem Boden
durchgeführt werden können (siehe beispielsweise die Anträge der FDP-Bun-
destagsfraktion „Initiative Deutschlands für einen Durchbruch beim internatio-
nalen Klimaschutz“, Bundestagsdrucksache 14/6547 vom 4. Juli 2001 sowie
„Kyotomechanismen für die internationale Klimapolitik Deutschlands nutzen“,
Bundestagsdrucksache 14/7073 vom 10. Oktober 2001 und „Vereinbarkeit der
Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge mit den
flexiblen Instrumenten des Kyoto-Protokolls sicherstellen“ Bundestagsdruck-
sache 14/8495 vom 13. März 2002).
Alle vorgenannten Anträge wurden mit der Mehrheit der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag abgelehnt. Anders als
beispielsweise die Regierungen der Niederlande sowie Österreichs hat die Bun-
desregierung bis heute kein einziges zwischenstaatliches Abkommen über die
Anerkennung von Klimaschutzprojekten deutscher Unternehmen im Ausland
abgeschlossen. Damit drohen wertvolle Chancen für den Klimaschutz verloren
zu gehen. Außerdem gefährdet die Zögerlichkeit der Bundesregierung die inter-
nationale Glaubwürdigkeit des deutschen Engagements im Kyoto-Prozess.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat diesen Sachverhalt am 1. Dezember 2004 zum
Anlass genommen, eine Anfrage an die Bundesregierung zu richten („Kosten-
senkungspotentiale durch Nutzung der flexiblen Mechanismen im Rahmen der
internationalen klimapolitischen Aktivitäten der Bundesregierung“, Bundes-
tagsdrucksache 15/4442 vom 1. Dezember 2004). Mit Bezug auf eine aktuelle
Forderung des Europäischen Dachverbandes der Arbeitgeber- und Industriever-
bände UNICE (Union of Industrial and Employers‘ Confederations of Europe),
den Unternehmen in Europa einen besseren Zugang zu Emissionsrechten aus
CDM- und JI-Projekten zu ermöglichen, hat die FDP die Bundesregierung an
dieser Stelle neuerlich u. a. gefragt, welche konkreten Maßnahmen die Bundes-
regierung bisher unternommen habe, um Unternehmen in Deutschland einen
besseren Zugang zu Emissionsrechten aus JI- und CDM-Klimaschutzprojekten
zu ermöglichen, ferner ob und in welchem Umfang sie die Absicht habe, die
Verpflichtungen Deutschlands zur Reduktion von Treibhausgasen anteilig auch
unter Nutzung dieser Mechanismen zu erfüllen und wie der Stand der Vorberei-
tungen zur Umsetzung der eingangs genannten Verbindungsrichtlinie sei. Auch

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4848

der Parlamentarische Beirat für Nachhaltige Entwicklung hat in seiner frakti-
onsübergreifenden Stellungsnahme zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vom
17. Januar 2005 die Notwendigkeit einer verstärkten Nutzung von CDM und JI
betont. Er erwartet von der Bundesregierung auf nationaler und europäischer
Ebene Vorstöße für eine verstärkte Nutzung dieser Instrumente.
Die Bundesregierung muss schnellstmöglichst die EU-Verbindungsrichtlinie
umsetzen und bereits im Vorfeld mit geeigneten Ländern in Verhandlungen
über zwischenstaatliche Übereinkommen bezüglich einer gemeinsamen Durch-
führung von Klimaschutzprojekten eintreten. Dies gilt mit Nachdruck, zumal
das Interesse der deutschen Wirtschaft an der Durchführung von CDM- und
JI-Projekten zunimmt. Nur unter der Voraussetzung einer hinreichend aktiven
und konstruktiven deutschen Bundesregierung kann ermöglicht werden, dass
deutsche und ausländische Unternehmen gemeinsame Klimaschutzprojekte auf
rechtlich sicherem Boden durchführen können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– die eingangs genannte Richtlinie zur Verbindung des Emissionshandels in

Europa mit den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls so zügig wie
möglich umzusetzen;

– parallel dazu bereits im Vorfeld mit geeigneten Ländern in Verhandlungen
über zwischenstaatliche Übereinkommen bezüglich einer gemeinsamen
Durchführung von Klimaschutzprojekten einzutreten um sicherzustellen,
dass Gutschriften aus klimarelevanten Investitionsprojekten so schnell wie
möglich in den Emissionshandel in Deutschland einbezogen werden können;

– in diesem Sinne unverzüglich den Weg für klimarelevante Investitionspro-
jekte auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern frei zu machen, da-
mit diese Länder praxisnah und unverzüglich auch von den ökonomischen
Vorteilen des internationalen Zertifikatehandels überzeugt werden können;

– vor dem Hintergrund eines hohen, zeitnahen Informationsbedarfs die bisher
bestehenden Informationsdienste zu Nutzungsmöglichkeiten der projekt-
orientierten Mechanismen zu einem interaktiven, internetgestützten Kom-
munikationsangebot auszubauen;

– geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die CDM/JI-Potentiale, die die Bun-
desländer im Rahmen ihrer Außenwirtschaftsaktivitäten vorfinden, durch ge-
eignete Maßnahmen zu unterstützen;

– eine jährliche Dokumentation über die Nutzung von CDM und JI in
Deutschland aufzubauen und dem Deutschen Bundestag darüber zu berich-
ten.

Berlin, den 15. Februar 2005
Birgit Homburger
Angelika Brunkhorst
Michael Kauch
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Ulrich Heinrich

Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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