BT-Drucksache 15/4753

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/3980, 15/4752- Entwurf eines Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung (Berufsbildungsreformgesetz - BerBiRefG)

Vom 26. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4753
15. Wahlperiode 26. 01. 2005

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, Hellmut Königshaus, Dr. Karl
Addicks, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/3980, 15/4752 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung
(Berufsbildungsreformgesetz – BerBiRefG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die duale Berufsausbildung ist eine tragende Säule des deutschen Bildungs-
systems.
Beruflich ausgebildete Fachkräfte bilden das Rückgrat der deutschenWirtschaft
und haben wesentlich zu ihrer langen Erfolgsgeschichte beigetragen. Auch in-
ternational ist das deutsche System der Berufsbildung noch immer hoch aner-
kannt und dient vielerorts als Vorbild. Mit Besorgnis nimmt der Deutsche Bun-
destag daher zur Kenntnis, dass die im Gesetz den Bundesländern gegebene
Möglichkeit der Ausweitung der beruflichen Anerkennung vollzeitschulischer
Maßnahmen einen schleichenden Systemwechsel bedeuten kann und die mögli-
cherweise enge Verbindung von Ausbildung und Beschäftigung gefährdet. Eine
Ausbildung in der Schule unter Gleichaltrigen ist etwas völlig anderes als eine
Ausbildung im Betrieb mit Erwachsenen und „Ernstaufgaben“ nach den Regeln
des Berufsbildungsgesetzes, die die Integration in Beschäftigung, die Hand-
lungsfähigkeit und Sozialkompetenz der Jugendlichen gewährleistet. Ein Blick
in Nachbarländer mit verschultem System wie Frankreich zeigt: Eine Ausbil-
dung am Bedarf der Wirtschaft vorbei führt zu Jugendarbeitslosenquoten von
mehr als 20 % – doppelt so hoch wie in Deutschland. Der Deutsche Bundestag
erwartet, dass der Weg in die Verschulung nicht weiter gegangen wird und ap-

Drucksache 15/4753 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

pelliert an die Bundesländer, sich ihrer besonderen Verantwortung für die Erhal-
tung des dualen Systems bewusst zu sein.
Angesichts des schnellen wirtschaftlichen und technischen Wandels verändern
sich die Anforderungen an die berufliche Bildung jedoch ständig. Das duale
System ist daher im Hinblick auf diese Veränderungen der Gesellschaft, der
Wirtschaft und der Technik zu reformieren. Diese Reform stellt sich als ständige
Aufgabe insbesondere für die unmittelbar Beteiligten, die Ausbildungsbetriebe
und die beruflichen Schulen, aber auch für die Politik. Das durch zahlreiche Än-
derungen nun verbesserte Berufsbildungsreformgesetz stellt in dieser Hinsicht
einen Schritt in die richtige Richtung dar. Der Deutsche Bundestag begrüßt die
verstärkte Möglichkeit des Schaffens von Stufenausbildungen, die Erleichte-
rung der Integration von im Ausland absolvierten Ausbildungsteilen in die
Ausbildungsgänge, die Verlängerung der Probezeit sowie mehr Flexibilität im
Prüfungswesen. Begrüßt wird auch die Betonung der Lernortkooperation und
die Stärkung der Stellung der Berufsschulen im Hinblick ihrer Akzeptanz durch
die Auszubildenden. Die Entbürokratisierung und Flexibilisierung des Berufs-
bildungsrechts ist jedoch nicht gelungen. Der Deutsche Bundestag bedauert,
dass das vorliegende Gesetz noch komplizierter und umfangreicher geworden
ist als das bisherige. Die Chance, die Berufsbildungsausschüsse sachangemes-
sen zu verkleinern, wurde nicht genutzt. Völlig unakzeptabel ist die vorgesehene
Abschaffung des Ständigen Ausschusses beim Bundesinstitut für Berufsbildung
(BIBB). Damit soll ausgerechnet derjenige Ausschuss abgeschafft werden, der
sich in der Vergangenheit am effizientesten, flexibelsten und erfolgreichsten
gerade bei der Schaffung neuer und moderner Ausbildungsberufe erwiesen hat.
Jeder Mensch und besonders jeder Jugendliche braucht eine gerechte Chance
auf Selbstgestaltung seines Lebens und angemessene Bildung.
Eine wesentliche Aufgabe des Berufsbildungssystems ist es daher, allen jungen
Menschen, die beruflich ausgebildet werden wollen, eine Berufsaubildung zu
ermöglichen. Dafür müssen die Hindernisse, die Betriebe bei der Bereitstellung
von Ausbildungsplätzen noch immer haben, minimiert werden. Auch in diesem
fundamental wichtigen Bereich geht das Gesetz nicht weit genug oder vermeidet
die Lösung erheblicher Probleme. Die Ausbildungskosten sind oft zu hoch.
Starre Tarifverträge verhindern flexible und den betrieblichen Verhältnissen an-
gepasste Lösungen. Nach wie vor schreibt das Gesetz die Zahlung einer „ange-
messenen Ausbildungsvergütung“ vor, die tatsächlich nach der Rechtsprechung
eine Ankoppelung der Vergütungen an die Tarife bedeutet. So erreichen Ausbil-
dungsvergütungen auch bei grundsätzlich ausbildungswilligen Betrieben, die
nicht tarifgebunden sind, oftmals eine Höhe, die sie sich nicht leisten können.
Die betrieblichen Möglichkeiten, eigene Schwerpunktsetzungen in der Ausbil-
dung vorzunehmen, bleiben nach wie vor zu gering. Berufliche Vorkenntnisse
sollten nur bei Zustimmung beider Vertragsparteien auf ein Ausbildungsverhält-
nis angerechnet werden. Die Freiwilligkeit für ausbildende Unternehmen und
Auszubildende bei der Anrechnung beruflicher Vorkenntnisse für die Ausbil-
dung ist ein Anliegen, dass sofort und nicht erst ab 2009 umgesetzt werden
muss. Insgesamt ist es notwendig, mehr Spielraum hinsichtlich der Schwer-
punktsetzung in der Ausbildungsverordnung zu schaffen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4753

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
auf eine weitere Novellierung des Berufsbildungsrechts hinzuarbeiten und dabei
insbesondere folgende Maßnahmen vorzusehen:
l Durch Deregulierung und Flexibilisierung der Höhe der Ausbildungsvergü-

tungen den Betrieben das Anbieten einer größeren Zahl von Ausbildungsplät-
zen zu ermöglichen.

l Den Rechtsanspruch von Absolventen vollzeitschulischer Ausbildungsgänge
auf Zulassung zur IHK-Prüfung kurzfristig wieder zurückzunehmen.

l Den Ständigen Ausschuss wieder einzuführen, um die erforderlichen Stel-
lungnahmen zu den Ausbildungsordnungen und Weiterbildungsverordnun-
gen in einem zügigen Verfahren zu gewährleisten.

l Den Weg in die Ausweitung der Stufenausbildungen und die Modularisie-
rung für alle Berufsbilder konsequent weiter zu gehen.

Berlin, den 26. Januar 2005
Cornelia Pieper
Ulrike Flach
Hellmut Königshaus
Dr. Karl Addicks
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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