BT-Drucksache 15/4199

Situation und Entwicklung der Finanzlage in der gesetzlichen Rentenversicherung

Vom 10. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4199
15. Wahlperiode 10. 11. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und Fraktion der FDP

Situation und Entwicklung der Finanzlage in der gesetzlichen Rentenversicherung

Die finanzielle Situation in der gesetzlichen Rentenkasse ist am Jahresende 2004
nach erheblichen Defiziten in den letzten Jahren angespannt. Das Defizit in der
gesetzlichen Rentenversicherung betrug im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis
zum 31. Dezember 2003 rund 6 Mrd. Euro, im Jahr 2004 wird das Defizit rund
4,3Mrd. Euro betragen. Dieses kumulierte Defizit von über 10Mrd. Euro drückt
sich auch im Abschmelzen der Schwankungsreserve von 13,5 Mrd. Euro auf ge-
plante 3,2 Mrd. Euro im gleichen Zeitraum aus. Die Schwankungsreserve lag im
September 2004 allerdings bereits bei nur noch 16 % einer Monatsausgabe der
gesetzlichen Rentenversicherung, insgesamt 2,6 Mrd. Euro. Für Oktober wird
mit einemweiteren Absinken gerechnet. Die Bundesregierung hofft, im Novem-
ber und Dezember 2004 über ergänzende Lohnzahlungen, insbesondere Weih-
nachtsgelder, die Schwankungsreserve wieder zu füllen. Allerdings werden we-
gen der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation immer weniger ergänzende
Lohnzahlungen gewährt.
Nur durch den Verkauf von Immobilien der gesetzlichen Rentenversicherung im
Wert von 2,1 Mrd. Euro und durch eine Nullanpassung bei den Renten konnte
der Beitragssatz im Jahr 2004 konstant auf 19,5 % gehalten werden.
Auch für 2005 hat die Bundesregierung den Beitragssatz zur gesetzlichen Ren-
tenversicherung auf 19,5 % festgelegt. Vor dem Hintergrund der finanziellen
Entwicklungen und Erfahrungen der letzten Jahre, insbesondere der jährlichen
Defizite der gesetzlichen Rentenversicherung in Milliardenhöhe, bleiben viele
Fragen und Unsicherheiten bezüglich des Haushalts der gesetzlichen Rentenver-
sicherung im Jahr 2005 offen.
Insbesondere ist kritisch, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten in den letzten Jahren gesunken ist. 2004 gingen 450 000 sozialver-
sicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Auch für das Jahr 2005 wird ein
weiterer Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten

Drucksache 15/4199 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Arbeitnehmer erwartet. Eine Entlastung der Rentenversicherungen ist daher
auch von dieser Seite nicht zu erwarten.
Im Gegenteil geht die Bundesregierung von sehr optimistischen Annahmen über
Wirtschaftswachstum und Lohnentwicklung aus. Sollten diese Annahmen nicht
zutreffen, entstehen neue Lücken im Haushalt der gesetzlichen Rentenversiche-
rung. Die Bundesregierung geht für 2005 von einem Lohnanstieg in Höhe von
1,4 % aus. Eine Lohnerhöhung von 1 % führt zu einer Mehreinnahme der ge-
setzlichen Rentenversicherung in Höhe von etwa 1,7 Mrd. Euro. Von wissen-
schaftlicher Seite wird allerdings großteils mit niedrigerem Lohnanstieg – etwa
0,6 % – gerechnet.
Im Jahr 2004 wird die gesetzliche Rentenversicherung etwa 7Mrd. Euro von der
Bundesagentur für Arbeit (BA) als Beitrag zur Rentenversicherung für Arbeits-
losengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger erhalten. Mit Einführung des
Arbeitslosengeldes II am 1. Januar 2005 wird die BA für die Empfänger des
Arbeitslosengeldes II nur noch einen Pauschalbetrag zur gesetzlichen Renten-
versicherung in Höhe von 78 Euro pro Person und Monat überweisen. Gegen-
über dem meist höheren Beitrag für Empfänger von Arbeitslosenhilfe bedeutet
dies einen niedrigeren Beitrag zur Rentenversicherung.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Nachdem im Jahr 2002 das Defizit in der gesetzlichen Rentenversicherung

3,8 Mrd. Euro und im Jahr 2004 voraussichtlich 4,3 Mrd. Euro beträgt, mit
welchem Defizit rechnet die Bundesregierung im Jahr 2005?

2. Wie soll ein erneutes Milliardendefizit im Jahre 2005 überbrückt werden,
nachdem in den letzten Jahren das Defizit durch das Abschmelzen der
Schwankungsreserve und im Jahr 2004 zusätzlich durch Immobilienverkäufe
aufgefangen wurden?

3. Wenn ein Defizit in der gesetzlichen Rentenkasse im Jahr 2005 nur durch
Bundesdarlehen an die gesetzliche Rentenversicherung überbrückt werden
kann, entstehen dann zusätzliche Kosten und bei welcher Institution?

4. Mit welchem Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeit-
nehmer rechnet die Bundesregierung im Jahr 2005?
Wie wird sich dieser Rückgang auf die Beitragseinnahmen der gesetzlichen
Rentenversicherung auswirken?

5. Welchen Betrag wird die BA im Jahr 2005 an die gesetzliche Rentenversiche-
rung zahlen?
Ist in diesem Betrag die oben beschriebene Wirkung der neuen Gesetzeslage
ab dem 1. Januar 2005 eingerechnet?

6. Hat die Bundesregierung beschlossen, dass die Rentenversicherung die Bei-
träge für die Arbeitslosengeld II-Empfänger imMonat Januar 2005 bereits im
Dezember 2004 erhalten sollen?
Falls ja, mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die dadurch ent-
fallende Monatseinnahme der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2005
ausgleichen?

7. Sieht die Bundesregierung in ihren Annahmen für einen Lohnanstieg im Jahr
2005 ein Risiko für den Haushalt der gesetzlichen Rentenkasse und wie
sichert sie die Rentenversicherung gegen dieses Risiko ab?

8. Mit welchen Beitragseinnahmen rechnet die Bundesregierung für die Monate
November und Dezember 2004?
Sieht sie aus den angeführten Gründen die Auffüllung der Schwankungs-
reserve bis zur gesetzlich vorgesehenen Höhe als gefährdet an?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4199

9. Wie viel Prozent und wie viel in absoluten Beträgen der Einnahmen aus der
Ökosteuer wurden im Jahr 2004 der gesetzlichen Rentenversicherung zuge-
führt?

10. Wie hoch sind die Einnahmen, die die gesetzliche Rentenversicherung aus
den Rentenversicherungsbeiträgen von Ich-AGs undMinijobs in den Jahren
2003 und 2004 erzielt?

11. Wurden für das Jahr 2005 Mehrausgaben in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung angesetzt als Folge der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
vom 23. Juni 2004, wonach pauschale Rentenreduzierungen nach dem
Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwart-
schaftsüberführungsgesetzes verfassungswidrig sind, die die so genannten
systemnahen Berufe in der ehemaligen DDR betreffen?
Wenn ja, wie viel an Mehrausgaben wurde deswegen angesetzt?

Berlin, den 10. November 2004
Dr. Heinrich L. Kolb
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.