BT-Drucksache 15/4012

Massen-Gentests bei Krankenkassen

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4012
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Detlef Parr, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich
Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L.
Kolb, Gudrun Kopp, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Eberhard
Otto (Godern), Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Massen-Gentests bei Krankenkassen

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) hat als erste gesetzliche Kranken-
versicherung in diesem Jahr eine Gentest-Reihenuntersuchung unter ihren
Mitgliedern durchgeführt. 6 000 Versicherte der KKH wurden in Kooperation
mit der Medizinischen Hochschule Hannover auf die so genannte Eisenspei-
cherkrankheit, eine erbliche Stoffwechselkrankheit untersucht. Bei rechtzeiti-
gem Erkennen dieser Krankheit, die im Laufe der Jahre lebenswichtige Organe
schädigt, gibt es gute Therapiechancen. Das Interesse der Versicherten an einer
Teilnahme an dem Gentest war dementsprechend hoch.
Unabhängig davon, ob solche Gentests auf freiwilliger Basis stattfinden, erge-
ben sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragen, die geklärt werden müs-
sen. Der Möglichkeit, Krankheiten durch frühes Erkennen besser heilen zu kön-
nen, stehen negative Auswirkungen gegenüber, wenn die Gefahr besteht, dass
genetische Daten in die falschen Hände gelangen können oder die getesteten
Personen nicht in der Lage sind, mit den gewonnenen Erkenntnissen adäquat
umzugehen.
An genetischen Daten können neben den Betroffenen selbst auch die Kranken-
kassen zwecks Risikoabschätzung und Kostenkalkulation, aber auch Arbeitge-
ber und Behörden, z. B. im Bereich der inneren Sicherheit, interessiert sein. Für
die Betroffenen stellt sich aus datenschutzrechtlicher Sicht die Frage nach der
Sicherheit ihrer Daten und deren vertraulicher Behandlung. Aus ethischer Sicht
darf das Recht auf Nicht-Wissen bezüglich der Disposition, an einer bestimmten
Krankheit mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erkranken, nicht außer Acht gelas-
sen werden.

Drucksache 15/4012 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Entsprechen die Bedingungen, unter denen der Massen-Gentest der KKH

durchgeführt worden ist, den Kriterien, die die Bundesregierung für erfor-
derlich hält, um die Rechte der Getesteten ausreichend zu schützen, und
wenn ja, welche Kriterien sind dies?

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob weitere Kranken-
kassen derartige Gentests zur Erkennung von Erbkrankheiten durchführen
wollen?

3. Hält die Bundesregierung die Durchführung von Massen-Gentests durch
gesetzliche Krankenkassen für sinnvoll, und wenn ja, in welchen Bereichen
und nach welchen Kriterien?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass in einemGentest-Gesetz die
Kriterien exakt festgelegt werden müssen, unter denen Gentests stattfinden
können, und welche Kriterien sollten dies sein?

5. Wenn ja, wann ist mit einem entsprechenden Gentest-Gesetz zu rechnen?
6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesbeauftragten für den

Datenschutz, dass auch bei freiwilligen Gentests ausschließlich die betrof-
fene Person selbst Kenntnis über das Ergebnis erlangen darf und weder ge-
setzliche noch private Krankenkassen oder Arbeitgeber – auch mit Zustim-
mung der Getesteten – informiert werden dürfen (19. Tätigkeitsbericht,
Nr. 28.5, Anlage 19)?

7. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet werden, dass
die Ergebnisse von Gentests nicht in falsche Hände geraten?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz, dass auch derjenige, der die Genanalyse durchführt, nicht in
der Lage sein darf, das Ergebnis einer bestimmten Person zuzuordnen
(19. Tätigkeitsbericht, Nr. 28.5, Anlage 19)?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die gentechnisch untersuchten
Proben im Anschluss an den Gentest vernichtet werden müssen?

10. Welche Anforderungen an Datensicherheit, Verarbeitung und Löschung hält
die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Durchführung von Gen-
tests für erforderlich?

11. Hält die Bundesregierung es grundsätzlich für geboten, dass die aus einem
Gentest gewonnenen Daten nach einer zuvor definierten Zweckerreichung
wieder gelöscht werden müssen, und wie begründet sie diese Auffassung?

12. In welcher Weise sieht es die Bundesregierung als problematisch an, dass
auf die genannte Weise Rohdaten erhoben werden, deren Auswertung auch
zu anderen Erkenntnissen führen können, als die Ermittlung von Erbkrank-
heiten?

13. Sollten nach Ansicht der Bundesregierung die Strafverfolgungsbehörden
auf die von den Krankenkassen auf diese Weise gewonnenen Daten zu-
greifen dürfen, wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

14. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Gentests tatsächlich auf
rein freiwilliger Basis durchgeführt werden und nicht auf mehr oder weni-
ger subtile Art und Weise Druck ausgeübt wird?

15. Wie bewertet die Bundesregierung es aus ethischer Sicht, dass durch die
medizinische Auswertung eines Gentests die gesundheitliche Zukunft eines
Menschen prognostiziert werden kann?

16. Wie bewertet die Bundesregierung darüber hinaus die Folgen für die Bürger,
wenn diese nach einem Gentest ihre gesundheitliche Zukunft mit einer ge-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4012

wissen Wahrscheinlichkeit vor Augen geführt bekommen können, und wie
will sie die möglicherweise hieraus resultierenden negativen Auswirkungen
eindämmen?

17. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, medizinische Gentests auf
die Fälle zu beschränken, in denen den zu Testenden dadurch geholfen wer-
den kann, also eine frühzeitige Therapie der aus der zu diagnostizierenden
Krankheitsanlage resultierenden Erkrankung möglich ist?

18. Wie steht die Bundesregierung zu der Überlegung, genetische Reihenunter-
suchungen auf behandelbare Erbkrankheiten für alle Neugeborenen ver-
pflichtend zu machen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und
Rahmenbedingungen und mit welchen Konsequenzen z. B. für die Beiträge
zur gesetzlichen Krankenversicherung?

Berlin, den 20. Oktober 2004
Gisela Piltz
Detlef Parr
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Cornelia Pieper
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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