BT-Drucksache 15/3994

Regelung und Praxis von Adoptionen Minderjähriger in Deutschland

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3994
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ina Lenke, Klaus Haupt, Sibylle Laurischk,
Dr. Werner Hoyer, Daniel Bahr (Münster), Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Dieter Thomae, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Regelung und Praxis von Adoptionen Minderjähriger in Deutschland

Die soziale Bedeutung der Adoption liegt heute vor allem in der Fürsorge für
Kinder, deren Eltern diese Verantwortung nicht oder nicht mehr wahrnehmen
können oder wollen. Eine Adoption soll dann erfolgen, wenn sie dem Wohl des
Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen den Annehmenden und dem
Kind ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Im Mittelpunkt eines jeden
Adoptionsverfahrens steht also das Wohl des Kindes. Die rechtlichen Rege-
lungen zur Adoption, aber auch deren Umsetzung müssen daran ausgerichtet
sein. Es ist daher unumgänglich, dass die Adoptionsvermittlungsstellen die
Adoptionsbewerber umfassend daraufhin prüfen, ob sie für ein zur Adoption
freigegebenes Kind eine geeignete, liebevolle Familie bieten können. Oft sind
die zu vermittelnden Kinder nicht mehr im Kleinkinderalter und haben negative
Familienerfahrungen hinter sich. Für diese Kinder ist, mehr noch als für Klein-
kinder, die Suche nach möglichst optimal geeigneten Adoptiveltern eine kom-
plexe Aufgabe. In Deutschland gibt es mehr Ehepaare und Einzelpersonen (ein-
getragene Lebenspartnerschaften und eheähnliche Gemeinschaften sind bislang
von der gemeinsamen Adoption ausgeschlossen), die ein Kind adoptieren
möchten, als zur Adoption freigegebene Kinder. Gleichzeitig finden dennoch
nicht alle Kinder geeignete Eltern. Häufig haben Menschen den Wunsch, ein
Kind zu adoptieren, weil sie keine leiblichen Kinder (mehr) bekommen können
und meist wünschen sie sich dann ein Kleinkind. Immer mehr Adoptions-
bewerber versuchen, ein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Eine Auslands-
adoption sollte nur erfolgen, wenn Kinder in ihrem ausländischen Heimatland
keine Adoptiv- oder Pflegeeltern finden. In diesen Fällen stellt sie aber eine
Chance für die betreffenden Kinder dar. Die Adoption von Kindern aus dem
Ausland sollte sehr wohl überlegt sein, denn sie ist mit besonderen tatsäch-
lichen und rechtlichen Herausforderungen verbunden. Deutschland ist, wie
über 40 andere Staaten, der Haager Adoptionskonvention beigetreten, die ein
vereinfachtes, aber am Schutz der Kinder ausgerichtetes Verfahren zur Adop-
tionsanerkennung gewährleistet. Auslandsadoptionen dürfen auf keinen Fall
unter Umgehung dieser Bestimmungen zu einer Hintertür für Kinderhandel

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werden. Gerade bei Auslandsadoptionen ist eine Ausrichtung am Kindeswohl
als Maßstab streng zu prüfen. Die Regelungen zur Adoption und die Praxis
müssen sich allerdings auch daran messen lassen, ob sie für Adoptions-
bewerberinnen und -bewerber ein angemessenes, nicht unnötig bürokratisches
Verfahren gewährleisten. Immer wieder wird von Adoptionsbewerberinnen und
-bewerbern beklagt, dass Verfahren von manchen öffentlichen Stellen fachlich
unzureichend betreut würden, unnötig lange Bearbeitungszeiten entstünden und
nicht nachvollziehbare Einzelentscheidungen zum Nachteil der Bewerberinnen
und -bewerber und der Kinder getroffen würden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Adoptionen innerhalb Deutschlands und internationale Adoptio-

nen nach Deutschland wurden in den vergangenen fünf Jahren – differen-
ziert nach Bundesländern – durchgeführt?

2. Aus welchen Herkunftsländern kamen die Kinder bei internationalen Adop-
tionen in den vergangenen fünf Jahren und welche dieser Herkunftsländer
sind der Haager Adoptionskonvention beigetreten?

3. Wie hat sich die Zahl von Kindern, die nicht mehr von ihren Eltern betreut
werden können und die in Heimen und Einrichtungen leben, und wie hat
sich deren durchschnittliche Aufenthaltsdauer dort in den letzten zehn
Jahren entwickelt?

4. Sollte nach Einschätzung der Bundesregierung dem Kindeswohl gegenüber
den Rechten der leiblichen Eltern stärker Rechnung getragen werden, bei-
spielsweise, wenn die leiblichen Eltern keine Einwilligungserklärung zur
Adoption abgeben und über eine Ersetzung der Einwilligung durch das Vor-
mundschaftsgericht entschieden werden muss?

5. Wie viele in Deutschland zur Adoption freigegebene Kinder können nicht
an Eltern vermittelt werden und was sind die häufigsten Gründe hierfür?

6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Vermittlungschancen
für Kinder, für die keine Adoptiveltern gefunden werden, zu verbessern?

7. Wie ist das Verhältnis zwischen Bewerbungen für die Adoption eines Kin-
des und abgeschlossenen Adoptionen jeweils bei Adoptionen innerhalb
Deutschlands und internationalen Adoptionen nach Deutschland – differen-
ziert nach Bundesländern?

8. Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Bewerbungen für die Adoption
eines Kindes nicht erfolgreich sind?

9. Wie lange sind die durchschnittlichen Zeitspannen vom Zeitpunkt der Be-
werbung um ein Kind bis zur Aufnahme und dann wiederum zur Adoption
eines Kindes – differenziert nach Adoptionen innerhalb Deutschlands und
für internationale Adoptionen und jeweils aufgeschlüsselt nach Bundes-
ländern?

10. Wie lange dauern diese Verfahren (Frage 9) in der Praxis mindestens und
erfahrungsgemäß längstens?

11. Was sind nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung die Gründe für die
jeweiligen Verfahrensdauern einer Adoption innerhalb Deutschlands und
einer Auslandsadoption?

12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Regelungen zur
Adoption – unter strenger Wahrung des Kindeswohls als oberstes Ziel – zu
reformieren, um die Qualität der Adoptionsverfahren zu steigern, gegebe-
nenfalls Bürokratie abzubauen und die Dauer von Adoptionsverfahren von

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der Bewerbung bis hin zur Aufnahme und bis zur Adoption eines Kindes zu
verkürzen?

13. Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, die Vorschriften des Adop-
tionsvermittlungsgesetzes zu lockern und den Kreis der zur Adoptionsver-
mittlung Berechtigten – heute im Wesentlichen Wohlfahrtsverbände und
Jugendämter – zu erweitern, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auf-
fassung?

14. In wie vielen Fällen kam es in den letzten fünf Jahren nach ablehnenden
Entscheidungen der zuständigen Behörden zu gerichtlichen Auseinander-
setzungen, wie lange dauern diese Verfahren durchschnittlich, und wie ist
die Erfolgsquote derartiger Verfahren?

15. In wie vielen Fällen kam es in den letzten fünf Jahren zu einer Aufhebung
des Adoptionsverhältnisses, und was waren die Gründe dafür?

16. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung das Wohl des Kindes als Ziel
einer Vermittlung bei legalen internationalen Adoptionen, insbesondere bei
so genannten Privatadoptionen auf eigene Initiative hin, in gleichem Maße
im Mittelpunkt des Adoptionsprozesses und ebenso geschützt wie bei
Adoptionen innerhalb Deutschlands?

17. Ist aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt, dass die in Adoptionsver-
mittlungsstellen der Jugendämter und in anerkannten Adoptionsvermitt-
lungsstellen der freien Träger tätigen Fachkräfte für ihre Aufgaben ange-
messen qualifiziert sind?

18. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung die Empfehlung zur Adoptions-
vermittlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAG
LJÄ), dass der Altersabstand zwischen Eltern und Kind nur in begründeten
Ausnahmefällen 40 Jahre überschreiten sollte, noch angemessen angesichts
des steigenden Alters von leiblichen Eltern bei Geburt ihrer Kinder und an-
gesichts der Tatsache, dass Menschen heute eher später altern und ein höhe-
res Lebensalter erreichen?

19. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung in den Empfehlungen zur
Adoptionsvermittlung der BAG LJÄ möglichst die Forderung gestrichen
werden, sicherzustellen, „dass die Erziehung des Kindes nicht überwiegend
durch außerhalb der Familie stehende Personen wahrgenommen wird“, weil
damit die Berufstätigkeit von Adoptionsbewerberinnen und -bewerbern
generell als abträglich für das Kindeswohl gesehen wird?

20. Wie bewertet die Bundesregierung mit Blick auf positive wie auch negative
Erfahrungen mit den jeweiligen Regelungen zur Adoption in anderen euro-
päischen Staaten, den Vereinigten Staaten von Amerika und auch in der
früheren DDR das derzeitige deutsche Adoptionsrecht im internationalen
Vergleich?

21. Hält die Bundesregierung in Anbetracht des Umstandes, dass die Bürgerin-
nen und Bürger am Thema Adoption sehr interessiert sind, eine verstärkte
Öffentlichkeitsarbeit, z. B. durch Herausgabe eines jährlichen Adoptionsbe-
richts, für sinnvoll, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

Berlin, den 20. Oktober 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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