BT-Drucksache 15/3520

Zukunft des ERP-Sondervermögens

Vom 29. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3520
15. Wahlperiode 29. 06. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Dietrich Austermann,
Johannes Singhammer, Ilse Aigner, Norbert Barthle, Veronika Bellmann, Dr. Rolf
Bietmann, Jochen Borchert, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Manfred Carstens
(Emstek), Alexander Dobrindt, Albrecht Feibel, Herbert Frankenhauser,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Jochen-Konrad Fromme, Dr. Michael
Fuchs, Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Ursula
Heinen, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Susanne Jaffke, Steffen Kampeter,
Bartholomäus Kalb, Bernhard Kaster, Volker Kauder, Norbert Königshofen,
Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Dr. Michael Luther, Wolfgang
Meckelburg, Friedrich Merz, Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Joachim Pfeiffer,
Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Kurt J. Rossmanith,
Hartmut Schauerte, Georg Schirmbeck, Max Straubinger, Antje Tillmann,
Klaus-Peter Willsch und der Fraktion der CDU/CSU

Zukunft des ERP-Sondervermögens

In den ersten Monaten nach Ende des zweiten Weltkrieges herrschte in ganz
Europa wirtschaftliches Chaos. In dieser Situation wurde von den USA ein Pro-
gramm zum Wiederaufbau unseres Kontinents entwickelt, das zur Einrichtung
des ERP-Sondervermögens (ERP: European Recovery Program) in Deutschland
geführt und damit wesentlich zum Wiederaufbau unseres Landes beigetragen
hat.
Am 15. Dezember 1949 unterzeichneten Deutschland und die USA das ent-
sprechende Abkommen, das unter dem Stichwort Marshall-Plan in der Bundes-
republik Deutschland bekannt wurde und seit fast 55 Jahren als Symbol für das
deutsche „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit steht. Ziel des ERP ist es – un-
ter Beibehaltung der Substanz der bestehenden Mittel – unbürokratische Wirt-
schaftsförderung insbesondere für den Mittelstand zu leisten.
Seit 1969 verwaltet das Bundesministerium für Wirtschaft dieses Sondervermö-
gen, nachdem zuvor ein eigenständiges Bundesministerium die Bedeutung die-
ses Fonds für unser Land verdeutlicht hatte. Durch eine solide und erfolgreiche
Investitionspolitik ist das Eigenkapital des ERP-Sondervermögens von zunächst
3 Mrd. Euro auf mittlerweile 12,7 Mrd. Euro angewachsen. Die Bilanzsumme
der ehemaligenMarshallgelder betrug Ende vergangenen Jahres sogar 32,9Mrd.
Euro. Insgesamt wurden aus ERP-Mitteln bis Ende 2002 Kredite in Höhe von
106 Mrd. Euro ausgegeben. Allein in Ostdeutschland wurde der Aufbau von
313 000 Unternehmen unterstützt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) stellt zur Ge-
schichte des ERP-Sondervermögens auf seiner Homepage fest: „Die Bezeich-
nung „Sondervermögen“ stand und steht nach wie vor für die Unabhängigkeit

Drucksache 15/3520 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

des Fonds vom übrigen Vermögen des Bundes.“ Diese historische Unabhängig-
keit soll jetzt offenbar beendet werden. Denn mit der von der Bundesregierung
geplanten Übertragung und Aufspaltung der ehemaligenMarshall-Gelder an die
Bankengruppe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie in den Haushalt
2005 des Bundesministers der Finanzen gibt die Bundesregierung dieses Förder-
instrument erstmalig und zugleich dauerhaft aus der Hand. Dem Parlament soll
seine Entscheidungsmacht über die Marshall-Gelder entzogen werden. Zugleich
geht das ERP-Sondervermögen in der Bilanzsumme der KfW-Bankengruppe
auf und verliert so seine bislang rechtlich garantierte Eigenständigkeit. Damit
wird zur kurzfristigen Haushaltssanierung eine langfristig erfolgreiche Option
des Deutschen Bundestages zur Förderung insbesondere desMittelstands ersatz-
los beendet – ohne dass eine Kompensation auch nur in Ansätzen erkennbar
wäre.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welcher Größenordnung sind seit 1949 Fördermittel durch das ERP-Son-

dervermögens vergeben worden?
2. Wie viele Arbeitsplätze sind damit unterstützt worden?
3. Wie viele Unternehmen sind seit 1949 gefördert worden?
4. Wie groß ist die Gesamtsumme des ERP-Sondervermögens?
5. Soll das gesamte Vermögen an die KfW-Bankengruppe übertragen wer-

den?
Wenn nein, warum nicht und in welcher Höhe und wofür wird das ERP-
Sondervermögen anderweitig verwendet?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass sich das Eigenkapital
des ERP-Sondervermögens von drei auf heute mehr als 12 Mrd. Euro ge-
steigert hat?

7. Aufgrund welcher Berechnungen und Erkenntnisse kommt die Bundes-
regierung zu der Meinung, dass durch die Übertragung der Verwaltung des
ERP-Sondervermögens vom BMWA an die KfW-Bankengruppe Effizienz-
gewinne möglich seien („DER SPIEGEL online“, 21. Juni 2004)?

8. Seit wann liegen der Bundesregierung diese Erkenntnisse vor?
Sollen diese für den Bundeshaushalt nutzbar gemacht werden, und wenn ja,
wie, in welcher Höhe und bei welchem Titel?

9. Wer hat diese Analysen erarbeitet und waren das BMWA sowie die KfW-
Bankengruppe an dieser Erarbeitung beteiligt?

10. In welcher Größenordnung sollen diese Effizienzgewinne erzielt werden
und wie setzen sich diese zusammen?

11. Wie viele Beschäftigte sind derzeit im BMWA für das ERP-Sondervermö-
gen tätig und welche Kosten werden hierbei verursacht?

12. Wie viele zusätzliche Beschäftigte wären in der KfW-Bankengruppe erfor-
derlich, wenn die Verwaltung der ehemaligen Marshall-Gelder an die Ban-
kengruppe übertragen würde?
Welche zusätzlichen Kosten würden durch eine entsprechende Personalauf-
stockung in der KfW-Bankengruppe entstehen?

13. Wie groß ist die Gesamtsumme des ERP-Sondervermögens, die an die
KfW-Bankengruppe übertragen werden soll?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3520

14. Sind Presseberichte korrekt, wonach die Bundesregierung plant, umfang-
reiche Aktienpakete der Post und der Telekom an die KfW-Bankengruppe
zu übertragen (u. a. „Berliner Zeitung“, 23. Juni 2004, S. 11)?
In welcher Höhe sollen in den Haushaltsjahren 2004 und 2005 daraus Ein-
nahmen in den Bundeshaushalt fließen?

15. Wären diese Transaktionen auch möglich, wenn die ERP-Mittel nicht an die
KfW-Bankengruppe übertragen werden?

16. Wie will die Bundesregierung das seit 1953 im ERP-Verwaltungsgesetz
festgeschriebene Substanzerhaltungsgebot des ERP gewährleisten, wenn
dieses von der KfW-Bankengruppe verwaltet wird?

17. Wie will die Bundesregierung die im ERP-Verwaltungsgesetz festgeschrie-
bene Bestimmung gewährleisten, wonach „das Sondervermögen […] von
dem übrigen Vermögen des Bundes, seinen Rechten und Verbindlichkeiten
getrennt zu halten [ist].“?

18. Wird der direkte Einfluss des Deutschen Bundestages auf das ERP-Sonder-
vermögen durch die Übertragung an die KfW-Bankengruppe reduziert?

19. Welche direkte Einflussnahme seitens des Parlamentes besteht nach einer
Übertragung der Mittel in Zukunft auf die Programmgestaltung und Ziel-
richtung des ERP-Sondervermögens?

20. Wer entscheidet künftig über die Förderprogramme und Förderrichtlinien
des ERP-Sondervermögens?

21. Soll das ERP-Sondervermögen einen speziellen Status innerhalb der KfW-
Bankengruppe erhalten?
Wenn ja, welchen und wie soll dies rechtlich ausgestaltet werden?

22. Wie soll nach einer Übertragung des ERP-Sondervermögens an die KfW-
Bankengruppe die Zukunft des Jugendaustauschprogramms ausgestaltet
werden?

23. Wie viele Schülerinnen und Schüler sind bislang im Rahmen dieses Projek-
tes unterstützt worden?

24. Wie viele Kredite und in welcher Größenordnung sind vom ERP bislang
insgesamt und im Zeitraum 1998 bis heute an Betriebe aus dem Handwerk
vergeben worden?

25. Wie viele Kredite und in welcher Größenordnung sind von der KfW-Ban-
kengruppe im selben Zeitraum an das Handwerk vergeben worden?

26. Wie sehen diese Daten in Relation zum Gesamtvolumen aus, das vom
ERP und von der KfW-Bankengruppe an Fördermitteln vergeben worden
ist?

27. Wie viele Kredite und in welcher Größenordnung sind vom ERP bislang
insgesamt und im Zeitraum 1998 bis heute an Betriebe aus der Verarbeiten-
den Industrie vergeben worden?

28. Wie viele Kredite und in welcher Größenordnung sind von der KfW-Ban-
kengruppe im selben Zeitraum an die Verarbeitende Industrie vergeben wor-
den?

29. Wie sehen diese Daten in Relation zum Gesamtvolumen aus, das vom
ERP und von der KfW-Bankengruppe an Fördermitteln vergeben worden
ist?

Drucksache 15/3520 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
30. Ist die Übertragung des ERP-Sondervermögens vom BMWA an die KfW-
Bankengruppe nach Einschätzung der Bundesregierung im Bundesrat zu-
stimmungspflichtig?

31. Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 29. Juni 2004
Dagmar Wöhrl
Karl-Josef Laumann
Dietrich Austermann
Johannes Singhammer
Ilse Aigner
Norbert Barthle
Veronika Bellmann
Dr. Rolf Bietmann
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Manfred Carstens (Emstek)
Alexander Dobrindt
Albrecht Feibel
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Ursula Heinen
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Susanne Jaffke
Steffen Kampeter
Bartholomäus Kalb
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Michael Luther
Wolfgang Meckelburg
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Joachim Pfeiffer
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Hartmut Schauerte
Georg Schirmbeck
Max Straubinger
Antje Tillmann
Klaus-Peter Willsch
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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