BT-Drucksache 15/3507

Für eine zügige Zeichnung, Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur UN-Anti-Folter-Konvention

Vom 30. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3507
15. Wahlperiode 30. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Michael
Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Markus Löning, Dirk Niebel, Günther
FriedrichNolting, EberhardOtto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Für eine zügige Zeichnung, Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls
zur UN-Anti-Folter-Konvention

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Am 18. Dezember 2002 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen
ein Zusatzprotokoll zum VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grau-
same, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-
Konvention) von 1984 angenommen. Das Protokoll liegt seit Anfang 2003 zur
Unterzeichnung aus.
Inhalt und Zweck des Zusatzprotokolls ist es, eine präventive Komponente des
internationalen Schutzes vor Folter zu schaffen. Bisher sind in den internatio-
nalen Menschenrechtskonventionen lediglich nachträgliche Verfahren vorge-
sehen, die sich mit bereits zurückliegenden Vorfällen oder Vorwürfen von
Menschenrechtsverletzungen befassen. Das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-
Konvention hingegen ist darauf ausgerichtet, vorbeugend von vornherein Men-
schenrechtsverletzungen an Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu ver-
hindern. Hierzu wird ein Unterausschuss für Folter-Prävention als Unter-
gremium des VN-Ausschusses gegen Folter eingerichtet werden, der in den
Mitgliedstaaten Besuche vornehmen und Empfehlungen abgeben kann. Da-
rüber hinaus werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, unabhängige, fachkundige
und effektiv arbeitende innerstaatliche Gremien einzurichten oder zu erhalten,
die umfassend befugt sind, Gefängnisse, Abschiebezentren, psychiatrische An-
stalten, aber auch Alten- und Pflegeheime oder geschlossene Heime für Kinder
und Jugendliche zu besuchen und mit den verantwortlichen Stellen zu ko-
operieren. Diese Gremien werden nach ihren regelmäßigen Besuchen Berichte
erstellen und können konkrete Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge an
die zuständigen Behörden und/oder an den jeweiligen Gesetzgeber richten.
Schon nach der Anti-Folter-Konvention besteht eine Verpflichtung der Mit-
gliedstaaten, aktiv jede Form von Folter in Ihrem Verantwortungsbereich zu
unterbinden. Die Staaten trifft somit bereits jetzt die Verantwortung, nicht nur

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die Anwendung von Folter als staatliches Mittel zu unterlassen, sondern Folter
umfassend und effektiv zu verhindern. Hierzu gehört neben der Verfolgung und
Bestrafung von Verletzungen – sei es von staatlicher oder von privater Seite –
auch die Vorsorge. Die Mechanismen des Zusatzprotokolls sollen den Staaten
dabei behilflich sein, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Darüber hinaus
soll das Zusatzprotokoll mit seinem präventiven Ansatz den bereits beste-
henden Schutz vor Folter ergänzen und damit die weltweite Ächtung der Folter
voranbringen.
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich daran beteiligt war, das
Zusatzprotokoll auszuarbeiten und voranzutreiben, ist das Zusatzprotokoll von
Deutschland bisher noch nicht unterzeichnet worden. Der Grund dieser Zurück-
haltung liegt hauptsächlich in der Frage der Kompetenzverteilung zwischen
Bund und Ländern. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gibt es bereits
Einrichtungen, die den Anforderungen des Zusatzprotokolls genügen würden.
Diese müssten daher erst eingerichtet oder umstrukturiert werden. Jedoch
liegen viele der vom Zusatzprotokoll betroffenen menschenrechtssensiblen Be-
reiche in der Zuständigkeit der Bundesländer. Für eine Umsetzung des Zusatz-
protokolls bedarf es daher zunächst eines Einvernehmens zwischen dem Bund
und den einzelnen Bundesländern.
Die Zögerlichkeit aufgrund angeblicher Probleme bei der konkreten Umset-
zung steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die ein Hinausschieben der Un-
terzeichnung des Protokolls für die Glaubwürdigkeit und die Überzeugungs-
kraft des internationalen Kampfes gegen Folter bedeuten kann. Dies gilt umso
mehr, als das Zusatzprotokoll auf föderale Strukturen, wie sie in der Bundes-
republik bestehen, Rücksicht nimmt. Noch immer wird in vielen Staaten der
Welt regelmäßig Folter angewandt und selbst in der Bundesrepublik Deutsch-
land hat sich jüngst in der Folter-Diskussion gezeigt, dass es auch hier stets
sensible Bereiche geben wird. Mit der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls
würde somit ein wichtiges Zeichen gesetzt. Darüber hinaus würde damit die
Entstehung eines neuen internationalen Rechtssatzes befördert. Das Zusatz-
protokoll tritt mit der 20. Ratifizierung in Kraft. Bis zum Juni 2004 haben es
24 Staaten unterzeichnet, aber nur drei Staaten (Albanien (Beitritt), Malta und
Großbritannien) ratifiziert.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
1. aktiv auf dieHerstellung einesEinvernehmensmit denBundesländernmit dem

Ziel einer zügigenUnterzeichnungundRatifizierungdesZusatzprotokolls zum
VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 hinzuarbeiten;

2. nach der erfolgten Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls
die Ausgestaltung der darin beschriebenen Mechanismen auf Bundesebene
voranzutreiben und daran auf Landesebene konstruktiv mitzuwirken;

3. darauf hinzuwirken, dass dabei bestehende unabhängige Kontrollinstitutio-
nen wie Nichtregierungsorganisationen, Berufsverbände, Anstaltsbeiräte
und Patientenfür einbezogen werden;

4. über den Inhalt, Sinn und Zweck und die genauen Abläufe des Zusatzproto-
kolls bereits jetzt die betroffenen Stellen umfassend aufzuklären, um der
ungerechtfertigten Annahme, damit würde eine unnötige „Behinderung“,
„Kontrolle“ oder „Bürokratisierung“ der Arbeit eintreten, entgegenzuwirken.

Berlin, den 29. Juni 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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