BT-Drucksache 15/3452

Forschung für Nachhaltigkeit - Motor für Innovationen

Vom 30. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3452
15. Wahlperiode 30. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus
Barthel (Starnberg), Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Ute Berg, Hans-Werner Bertl,
Petra Bierwirth, Gerd Friedrich Bollmann, Willi Brase, Marco Bülow, Dagmar
Freitag, Dieter Grasedieck, Christel Humme, Renate Jäger, UlrichKasparick, Ulrich
Kelber, Astrid Klug, Ernst Kranz, Nicolette Kressl, Horst Kubatschka, Ernst
Küchler, Ute Kumpf, Gabriele Lösekrug-Möller, Lothar Mark, Ulrike Mehl, Gesine
Multhaupt, Dr. Carola Reimann, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Siegfried
Scheffler, Horst Schmidbauer (Nürnberg), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Heinz
Schmitt (Landau), Carsten Schneider, Swen Schulz (Spandau), Dr. Angelica
Schwall-Düren, Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäcker, AndreaWicklein, BrigitteWimmer
(Karlsruhe), Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Volker Beck (Köln), Cornelia Behm,
Winfried Hermann, Michaele Hustedt, Fritz Kuhn, Undine Kurth (Quedlinburg),
Dr. Reinhard Loske, Albert Schmidt (Ingolstadt), Dr. Antje Vogel-Sperl,
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Forschung für Nachhaltigkeit – Motor für Innovationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung erfordert eine umfassende Moderni-
sierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese komplexe Aufgabe setzt
ein hohes Maß an Orientierungswissen und neue Lösungskonzepte voraus. In-
novationen sind der Schlüssel, um die ökologischen, ökonomischen und sozia-
len Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. Dabei sind Innova-
tion und Nachhaltigkeit zwei Seiten einer Medaille: Innovation ist Motor für
Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit ist Motor für Innovation und Arbeitsplätze.
Innovationen für Nachhaltigkeit erfordern Gestaltung: neues Sach- und Fach-
wissen über die komplexen Zusammenhänge zwischen Mensch, Natur und
Technik, aber auch neue Fähigkeiten wie vernetztes Denken, kommunikative
Kompetenz und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Bildung, Wissen-
schaft, Forschung und Technologieentwicklung sind damit zentrale Faktoren für
eine nachhaltige Entwicklung.
Der Deutsche Bundestag hat die entscheidende Bedeutung von Bildung und For-
schung nachdrücklich herausgehoben. Meilensteine sind der einvernehmlich
verabschiedete Entschließungsantrag „Forschungspolitik für eine zukunfts-
verträgliche Gestaltung der Industriegesellschaft“ (Bundestagsdrucksache
13/6855) und die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung „Bildung für eine nachhal-

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tige Entwicklung“ (Bundestagsdrucksache 14/3319). Der Bericht des Büros für
Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag zur „Forschungs- und
Technologiepolitik für eine nachhaltige Entwicklung“ (Bundestagsdrucksache
14/571), die Große Anfrage zur Bildungs- und Forschungspolitik für eine nach-
haltige Entwicklung (Bundestagsdrucksache 14/6022) sowie die Antwort der
Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 14/6959) haben erforderliche Bei-
träge von Bildung und Forschung für die nachhaltige Entwicklung akzentuiert
und konkretisiert. Das Arbeitsplatzpotential und die zukunftsgerichtete Bil-
dungs- und Arbeitsmarktrelevanz von Umwelt- und Ressourcenschutz ist in der
Studie „Folgen von Umwelt- und Ressourcenschutz für Ausbildung, Qualifika-
tion und Beschäftigung“ des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deut-
schen Bundestag deutlich gemacht (Bundestagsdrucksache 14/9459).
Der Deutsche Bundestag hat in den beiden letzten Legislaturperioden mit der
Einsetzung der Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen und der Um-
welt“, „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antwor-
ten“, „Demographischer Wandel“ und „Nachhaltige Energieversorgung unter
den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung“ wichtige inhaltliche
Grundlagen für die Konkretisierung des Leitbildes der Nachhaltigkeit gelegt
und die entscheidenden Weichen für eine Institutionalisierung des Nachhaltig-
keitsansatzes in der Politik gestellt.
Das nationale Nachhaltigkeitskonzept „Perspektiven für Deutschland. Unsere
Strategie für eine nachhaltige Entwicklung“ (Bundestagsdrucksache 14/8953),
die europäische Strategie für eine nachhaltige Entwicklung auf dem Europäi-
schen Rat in Göteborg und der im Rahmen des Weltgipfels von Johannesburg
verabschiedete Aktionsplan haben für die Verwirklichung des Leitbildes einer
nachhaltigen Entwicklung anspruchsvolle Ziele gesetzt. Bildung und Forschung
sind Kernelemente auf allen drei Ebenen; dies bestätigt die oben nachgezeich-
nete Position des Deutschen Bundestages. Den besonderen Stellenwert einer
Politik, die auf eine ökologisch verträgliche, sozial gerechte und wirtschaftlich
leistungsfähige Entwicklung abzielt, hat der Deutsche Bundestag am 11. März
2004 mit der Konstituierung eines Parlamentarischen Beirats für nachhaltige
Entwicklung bekräftigt.
Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem neuen
Rahmenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „For-
schung für Nachhaltigkeit“ die in der letzten Legislaturperiode begonnene Neu-
ausrichtung der Bildungs- und Forschungspolitik am Leitbild der nachhaltigen
Entwicklung konsequent weiterführt. Unter den bildungs- und forschungspoliti-
schen Initiativen des Rahmenprogramms sind hervorzuheben:
– die verstärkte Ausrichtung der Forschungsförderung an Bedürfnisfeldern und

Fokussierung auf Kernprobleme der nachhaltigen Entwicklung;
– die Orientierung auf konkrete Handlungskonzepte zur Verankerung der nach-

haltigen Entwicklung in der Gesellschaft;
– die Bündelung bildungs- und forschungsbezogener Initiativen der Bundes-

regierung in Richtung nachhaltiger Entwicklung;
– die enge Verzahnung von Forschungs- und Bildungsmaßnahmen durch Erar-

beitung von Bildungsmodulen als regelmäßiges Element der Ausschreibun-
gen und Projekte;

– die konsequent international ausgerichtete Strategie zur Unterstützung des
bildungs- und forschungsbezogenen Kapazitätsaufbaus im Sinne des Ak-
tionsplans von Johannesburg und der G8-Erklärung von Evian.

Die Initiativen der Bundesregierung im Bereich Bildung und Forschung sind
zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung und unver-
zichtbares Element der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– die nachhaltige Entwicklung zu einem Ziel der Innovationspolitik der Bun-

desregierung zu machen und Bildung und Forschung klarer als ein Kernele-
ment der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie herauszustellen;

– mit der Umsetzung des neuen Rahmenprogramms des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung „Forschung für Nachhaltigkeit“ auf verbesserte
Koordinierung der verschiedenen bildungs- und forschungsbezogenen Maß-
nahmen innerhalb der Bundesregierung zu zielen und Beiträge zur nachhalti-
gen Gestaltung weiterer Bestandteile der Innovationspolitik zu leisten;

– bei der Ausrichtung der Forschungsförderung der Bundesregierung auf
Nachhaltigkeitskonzepte die Bedeutung regenerativen Energie- und Stoff-
wirtschaftens verstärkt zu beachten;

– angesichts der globalen Herausforderungen Forschungsprogramme zur nach-
haltigen Landnutzung und Nahrungsmittelproduktion auch auf internationa-
ler Ebene fortzuführen und zu intensivieren;

– innovative Ansätze für Verkehrstechnologien zu fördern und diese mit neuen
Ansätzen bei Mobilitätsdiensten zu einem integrierten multimodalen Ange-
bot weiterzuentwickeln;

– den Deutschen Bundestag, insbesondere den Parlamentarischen Beirat für
nachhaltige Entwicklung, hinsichtlich Gestaltung, Umsetzung und Ergebnis-
transfer des Rahmenprogramms des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung „Forschung für Nachhaltigkeit“ eng und zeitnah zu beteiligen und
konkrete Initiativen aus dem Parlamentarischen Beirat aufzugreifen;

– bei der Weiterentwicklung und Umsetzung des neuen Rahmenprogramms
eine wirksame Beteiligung der relevanten gesellschaftlichen Gruppen zu ge-
währleisten, um eine maximale Wirksamkeit und Verbreitung der Ergebnisse
zu erreichen;

– weitere Initiativen für die Verbreitung der großen Zahl lokal erfolgreicher
Projektergebnisse zu ergreifen, um die Anwendung innovativer Lösungen
und die breite Zustimmung zum Konzept einer nachhaltigen Entwicklung zu
fördern;

– die Arbeit an der Entwicklung und Anwendung konkreter, wissenschaftlich
fundierter Kriterien, Analyseinstrumente, Indikatoren und Handlungsstrate-
gien für Nachhaltigkeit fortzusetzen, um die transparente Bewertung und dar-
auf aufbauende Fortentwicklung der Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregie-
rung zu ermöglichen;

– in Zusammenarbeit mit den Ländern die Gestaltungskompetenz der Men-
schen für Nachhaltigkeit durch effektive Bildungsmaßnahmen zu verbessern;

– spezifische Kompetenzen der universitären und außeruniversitären For-
schung, insbesondere auch der Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft und der
nicht grundgeförderten Institute der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung,
synergetisch zu kombinieren;

– sich bei der Konzeption des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU für eine
Stärkung der nachhaltigkeitsorientierten Forschung im Sinne des neuen Rah-
menprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einzu-
setzen und die Beteiligung der deutschen Forschungseinrichtungen an der eu-
ropäischen und der internationalen Nachhaltigkeitsforschung durch geeig-
nete Maßnahmen zu unterstützen;

– die internationale Arbeitsteilung so zu gestalten, dass sie zur Verwirklichung
von Nachhaltigkeitszielen in Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft beiträgt;

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– transdisziplinäre Arbeitsweisen durch konsequente Einbindung der Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaften und durch Nutzung der erfolgreichen Ar-
beit des Förderschwerpunktes „Sozial-ökologische Forschung“ auszubauen;

– das Thema „Bauen und Wohnen“ als einen Schwerpunkt im Rahmen der
Nachhaltigkeitsforschung fortzusetzen.

Berlin, den 30. Juni 2004
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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