BT-Drucksache 15/3401

Personenstandsrechtliche Situation von Transsexuellen

Vom 16. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3401
15. Wahlperiode 16. 06. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Jörg van Essen, Gisela Piltz, Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Helga Daub, Otto Fricke, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Christel Happach-Kasan, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich
Heinrich, Michael Kauch, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der FDP

Personenstandsrechtliche Situation von Transsexuellen

Nach der „kleinen Lösung“ gemäß § 1 Abs. 1 Transsexuellengesetz (TSG) ist es
Transsexuellen möglich, entsprechend ihrem Zugehörigkeitsempfinden zum an-
deren Geschlecht ihren Vornamen von einem Gericht ändern zu lassen. Die Än-
derung des Vornamens lässt jedoch das personenstandsrechtlich eingetragene
Geschlecht unberührt. Dieses Auseinanderfallen von äußerem Erscheinungsbild
sowie Vornamen einerseits und Geschlechtszugehörigkeit andererseits führt bei
den Betroffenen zu Problemen mit Ausweispapieren, die eine Angabe des Ge-
schlechts zwingend vorsehen.
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Passgesetzes (PassG) in der Fassung des Terrorismus-
bekämpfungsgesetzes ist das Geschlecht zwingend in den Pass aufzunehmen.
Die weiter geltende Ausnahme für einen vorläufigen Pass nach § 4 Abs. 1 Satz 2
PassG läuft faktisch leer, da dieser nach Anpassung an die Richtlinien der ICAO
nur noch maschinenlesbar ausgestellt wird und damit eine Angabe des Ge-
schlechts nach § 4 Abs. 1 Satz 3 PassG ebenfalls enthalten muss.
Interessenvertreter der Betroffenen sehen in dieser neuen Gesetzeslage eine er-
hebliche Diskriminierung der Betroffenen. So wären Transsexuelle, die ihren
Vornamen, nicht jedoch ihre Geschlechtszugehörigkeit nach § 8 TSG ändern lie-
ßen, vor allem bei passpflichtigen Auslandsreisen erheblichen Schwierigkeiten
ausgesetzt. Das Auseinanderfallen von äußerem Erscheinungsbild sowie Vorna-
men einerseits und Geschlechtszugehörigkeit andererseits könne zu Ablehnung
der Einreise wegen angeblich falscher Papiere, Beleidigungen oder übermäßi-
gen Kontrollen führen. Betroffene müssten dann unter Umständen auf solche
Reisen verzichten.
Ein weiteres Problem besteht hinsichtlich § 8 TSG. Die gerichtliche Feststellung
der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht bedingt nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG
die Ehelosigkeit des Antragstellers. Befindet sich der Antragsteller im Familien-
stand der Ehe, so muss für eine Personenstandsänderung die Scheidung erfol-
gen. Für die Betroffenen ist dies, unabhängig von dem bürokratischen Aufwand,
oftmals mit erheblichen finanziellen, rechtlichen und auch psychischen Folgen
verbunden. Nach Scheidung und entsprechender Personenstandsänderung bleibt
den Partnern dann nur noch die Möglichkeit eine gleichgeschlechtliche Einge-
tragene Lebenspartnerschaft einzugehen.

Drucksache 15/3401 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bestehen vonseiten der Bundesregierung Überlegungen, die passrechtliche

Situation von Transsexuellen zu verbessern?
2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das TSG einer grundlegenden

Reform bedarf?
3. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, in das PassG eine Bestim-

mung aufzunehmen, wonach in Pässen Transsexueller, die eine Vornamens-
änderung nach § 1 TSG vorgenommen haben, das dem Vornamen entspre-
chende Geschlecht einzutragen ist?

4. Stehen dem oben genannten Vorschlag internationale Abkommen bzw. Richt-
linien entgegen?

5. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. August 1996 (AZ 2 BvR 1833/95), wo-
nach Transsexuellen, die einen neuen Vornamen nach § 1 TSG gewählt ha-
ben, ein grundrechtlicher Anspruch auf die diesem Vornamen entsprechende
Anrede zusteht?

6. Sind der Bundesregierung vergleichbare Regelungen aus anderen Ländern
bekannt?
Wenn ja, welche?

7. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, im Hinblick auf § 8 Abs. 1
Nr. 2 TSG für eine Personenstandsänderung auf das Erfordernis der Ehelo-
sigkeit bzw. auf eine Scheidung zu verzichten und die Möglichkeit zu eröff-
nen, die Ehe in eine Eingetragene Lebenspartnerschaft umzuwandeln?

8. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, im Hinblick auf § 8 Abs. 1
Nr. 2 TSG für eine Personenstandsänderung auf das Erfordernis der Ehe-
losigkeit zu verzichten und statt dessen zu regeln, dass die Ehe für einen ver-
heirateten Antragsteller mit der Anerkennung der Zugehörigkeit zum anderen
Geschlecht endet und die während der Dauer der Ehe vom Ehepartner des
Antragstellers erworbenen Ansprüche aus der Rentenversicherung des ehe-
maligen Ehepartners unberührt bleiben?

9. Plant die Bundesregierung noch in der 15. Wahlperiode einen entsprechen-
den Gesetzentwurf zur Novellierung des Transsexuellengesetzes in den Deut-
schen Bundestag einzubringen?
Wenn ja, wann ist konkret mit der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs zu
rechnen?
Wenn nein, welche Begründung trägt die Bundesregierung dafür vor?

Berlin, den 16. Juni 2004
Dr. Max Stadler
Jörg van Essen
Gisela Piltz
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Helga Daub
Otto Fricke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich

Michael Kauch
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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