BT-Drucksache 15/3332

Innovationsstrategie für Deutschland - Wissenschaft und Wirtschaft stärken

Vom 16. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3332
15. Wahlperiode 16. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg),
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Innovationsstrategie für Deutschland – Wissenschaft und Wirtschaft stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Deutschland braucht eine nationale Innovationsstrategie, die sich der Zukunfts-
fähigkeit des Landes verpflichtet fühlt. Sie muss der Wissenschaft und der Wirt-
schaft gleichermaßen Impulse für Investitionen in Ausbildung, Forschung und
Entwicklung geben und die Bedingungen dafür schaffen, dass sich Investitionen
als Innovationen am Markt durchsetzen.
Schon der Bericht der Bundesregierung zur technologischen Leistungsfähigkeit
hat deutlich gemacht, dass Deutschland nur mit Hochtechnologien und neuen
Produkten im internationalen Wettbewerb Schritt halten kann. Das Ifo-Institut
für Wirtschaftsforschung hat in seinem jüngsten Gutachten festgestellt, dass die
Innovationskraft der deutschenWirtschaft nachgelassen hat. Die Zahl neuer Pro-
dukte und Technologien auf den Gebieten der High-Tech-Güter, des Maschinen-
baus, der Chemischen Industrie und der Informations- und Kommunika-
tionstechnik ist in den vergangenen Jahren gesunken. Lediglich der Auto-
mobilbau hat zulegen können. Der Exportweltmeister Deutschland führt bei
High-Tech-Gütern fast ebensoviel ein wie er ausführt. Insgesamt haben High-
Tech-Güter nur einen Anteil am Gesamtexport von 15,8 Prozent, was unterhalb
des EU-Durchschnitts liegt.
An einem hoch entwickelten Industriestandort wie Deutschland mit hohen
Lohn- und Arbeitskosten kann die Erhaltung des Wohlstands jedoch nur durch
innovative Produkte und Dienstleistungen gesichert werden.
Die Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung waren im Jahr
2003 nach Jahren kontinuierlicher Steigerung wieder leicht rückläufig. In die-
sem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Forschungen und Entwick-
lungen auf strategisch wichtigen Feldern durch massive ideologische und büro-
kratische Hürden behindert werden. Falsch verstandene Tabus und Einschrän-
kungen verstellen Freiräume für Neues. Die Studie von BDI und Arthur D. Little

Drucksache 15/3332 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

„Mit Innovation gegen Stagnation“ vom Januar 2004 zeigt, dass staatliche Re-
gelungen die Innovationstätigkeit von rund der Hälfte der deutschen Industrie
hemmen.
Staatliche Innovationspolitik ist nicht die alleinige Aufgabe des Bildungs- und
Forschungsministeriums. Sie muss vielmehr das Anliegen aller Ressorts und
Aufgabe der gesamten Bundesregierung sein, was heute leider oftmals nicht der
Fall ist, wie Alleingänge einiger Regierungsmitglieder von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zeigen.
Durch Haushaltskürzungen auf wichtigen Zukunftsfeldern, Blockaden ganzer
Forschungsbereiche, wie der Grünen Gentechnik, der Kerntechnik und kern-
technischen Sicherheitsforschung werden falsche Zeichen gesetzt.
Die Ressourcen Humankapital und Wissen spielen bei der Weiterentwicklung
unserer modernen Industriegesellschaft eine immer größere Rolle. Wissen ist ei-
ner der wichtigsten Produktionsfaktoren geworden. Das ist gleichermaßen eine
Herausforderung an das allgemeinbildende Schulsystem, die Berufsausbildung
und die Hochschulausbildung, die enger an den Qualifikationserfordernissen der
Wirtschaft auszurichten sind. Die Bundestagsfraktion der FDP hat dem Deut-
schen Bundestag bereits entsprechende Anträge zur Reform der beruflichen Bil-
dung und des Hochschulrahmengesetzes vorgelegt.
Deutschland muss im Wettbewerb um Investitionen, Innovationen, Wachstum
und Beschäftigung wieder eine Führungsposition einnehmen! Nur so wird es ge-
lingen die wirtschaftliche und soziale Innovationskraft unserer Gesellschaft zu
stärken und somit zugleich Freiheit und Wohlstand der Bürger zu sichern.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Deutschland imWettbewerb um In-

novationen, Investitionen, Wachstum und Beschäftigung durch konsequente
Forschungsförderung, Innovationspartnerschaften zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft, durch ein innovationsfreundliches Klima in der Gesellschaft,
zu einem führenden Innovationsstandort in Europa und der Welt wird;

2. mit dem Haushalt 2005 ein deutliches Zeichen zu setzen, um dem Ziel von
Lissabon, Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dyna-
mischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Erde zu gestalten, Nach-
druck zu verleihen. Mit der Erhöhung der Forschungsausgaben des Bundes
ummindestens 240Mio. Euro sind 2005 die Voraussetzungen dafür zu schaf-
fen, dass die gesamten Forschungsausgaben Deutschlands schrittweise auf
3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2010 steigen;

3. durch ein neues Berufsbildungsgesetz die berufliche Bildung grundlegend zu
modernisieren und an das Erfordernis eines lebenslangen Lernens anzupas-
sen;

4. mit einem grundlegend erneuerten Hochschulrahmengesetz die Grundlagen
für mehr Eigenverantwortung und Wettbewerb in Lehre und Forschung an
den Hochschulen zu schaffen, der Förderung des technischen und wissen-
schaftlichen Nachwuchses besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen
und Möglichkeiten einer Vernetzung mit außeruniversitären Forschungsein-
richtungen und der Wirtschaft zu fördern;

5. im Rahmen eines Wissenschaftstarifs die Bedingungen für eine leistungsge-
rechte Vergütung von Wissenschaftlern zu schaffen und Freiräume für einen
Wechsel des Wissenschaftspersonals zwischen den Hochschulen, außeruni-
versitären Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen zu ermög-
lichen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3332

6. an der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern für die For-
schungsförderung und deren gemeinsamen Finanzierung festzuhalten und
gemeinsam mit den Ländern den Aufbau von Wissenschafts- und Innova-
tionsclustern als Exzellenzzentren mit internationaler Ausstrahlung voran-
zubringen;

7. alle Ressortforschungseinrichtungen des Bundes von einer unabhängigen
international besetzten Expertenkommission evaluieren zu lassen. Dabei ist
größter Wert auf die Vermeidung von Doppelstrategien mit Blick auf andere
staatlich geförderte Forschungsinstitute zu legen. Die Kooperationsfähig-
keit und Vernetzung mit anderen Forschungseinrichtungen ist zu fördern;

8. anzuerkennen, dass Innovationen Investitionen voraussetzen. Durch einen
strikten Bürokratieabbau ist einer schleppenden Genehmigungs- und Zulas-
sungspraxis bei Investitionen und der Anwendung innovativer Technolo-
gien entgegenzuwirken;

9. durch das Gesetz zur Neureglung des Gentechnikrechts nicht neue Innova-
tionshemmnisse aufzubauen und keine negativen Standortsignale an die
betreffenden Unternehmen zu geben;

10. die Chancen der grünen (Ernährung), roten (Medizin), blauen (Pharmazie)
und grauen (Umweltschutz) Biotechnologie umfassend und konsequent zu
nutzen und eine Nationale Biotechnologiestrategie vorzulegen;

11. die europäische Biopatentrichtlinie 1:1 umzusetzen und einen Sonderweg,
im Interesse einer Wettbewerbsfähigkeit des Biotechnologie-Standorts
Deutschland, nicht zu beschreiten;

12. die gesetzlichen Regelungen zur Forschung an embryonalen Stammzellen
weiterzuentwickeln, so dass sie die Mitarbeit deutscher Forscher in interna-
tionalen Forschungsprojekten nicht gefährden;

13. die Bedingungen für die Pharmaforschung in Deutschland deutlich zu ver-
bessern;

14. vor dem Hintergrund der Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der
Lebensqualität der Menschen bis ins hohe Alter die klinische Forschung
deutlich zu stärken.

Berlin, den 15. Juni 2004
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Christoph Hartmann (Homburg)
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt

Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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