BT-Drucksache 15/3311

Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in Zeiten knapper Kassen

Vom 15. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3311
15. Wahlperiode 15. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dietrich Austermann, Steffen Kampeter, Bernhard Kaster,
Ilse Aigner, Norbert Barthle, Jochen Borchert, Manfred Carstens (Emstek),
Albrecht Feibel, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Herbert Frankenhauser,
Jochen-Konrad Fromme, Hans-Joachim Fuchtel, Susanne Jaffke, Bartholomäus
Kalb, Volker Kauder, Norbert Königshofen, Dr. Michael Luther, Laurenz Meyer
(Hamm), Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer (Saalstadt), Georg Schirmbeck, Antje
Tillmann, Klaus-Peter Willsch und der Fraktion der CDU/CSU

Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung
in Zeiten knapper Kassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Bundeshaushalt 2004 sind Ausgaben in Höhe von insgesamt 95,788 Mio.
Euro für Öffentlichkeitsarbeit veranschlagt. Gegenüber dem Vorjahr steigen die
Ausgaben der Bundesregierung für Öffentlichkeitsarbeit um rund 10 Prozent. In
gleichem Maße steigen auch die Ausgaben für die so genannten Fachinforma-
tionen und Fachveröffentlichungen, für die der Bundesregierung 2004 insge-
samt 77,661 Mio. Euro zur Verfügung stehen. Darüber hinaus hat die Bundesre-
gierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
„Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung“ (Drucksache 15/2912) dargelegt,
dass auch in zahlreichen anderen Titeln des Bundeshaushalts Mittel für öffent-
lichkeitswirksameMaßnahmen enthalten sind, ohne dass sie – entsprechend den
einschlägigen Vorschriften des Haushaltsrechts – als Ausgaben für Öffentlich-
keitsarbeit oder Fachinformationen ausgewiesen werden. So sind beispielsweise
das Kindergartenspiel „Kater Krümels Bauernhof – die bunte Spielekiste“ aus
den Mitteln des „Bundesprogramms Ökologischer Landbau“ und die Informa-
tionskampagne der Bundesregierung „Ganztagsschulen. Zeit für mehr“ aus den
Zuweisungen und Zuschüssen für strukturelle Innovationen in Bildung und For-
schung finanziert worden. Auch aus zahlreichen anderen Zuschussprogrammen
werden Mittel für Anzeigen und Plakatkampagnen entnommen. Diese Vorge-
hensweise der Bundesregierung verschleiert nicht nur die tatsächlichen Aufwen-
dungen für Öffentlichkeitsarbeit, sondern stellt eindeutig auch einen Verstoß ge-
gen geltendes Haushaltsrecht dar.
Zudem weisen auch andere, der Öffentlichkeitsarbeit zuzuordnenden Bereiche,
wie zum Beispiel öffentlichkeitswirksame Tagungen und Kongresse, exorbi-
tante Kostensteigerungen von über 88 Prozent seit 1998 auf.

Drucksache 15/3311 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Insgesamt gibt die Bundesregierung damit 2004 über 200 Mio. Euro für öffent-
lichkeitswirksame Maßnahmen aus. Trotz der dramatischen Situation des Bun-
deshaushalts mit einer sich abzeichnenden Rekordneuverschuldung in diesem
Jahr hat die Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln für Öffentlichkeitsarbeit der
Bundesregierung 2004 eine in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
bisher einmalige Dimension erreicht.
Die überproportionalen Steigerungen der Ausgaben im Bereich der Öffentlich-
keitsarbeit im Bundeshaushalt, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts einzuhaltende Abgrenzung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und
Wahlwerbung sowie die sich durch die Rekordausgaben für Öffentlichkeits-
arbeit verschärfende Chancenungleichheit zwischen Regierung und Opposition
müssen Anlass sein, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zu be-
grenzen, zu versachlichen und endlich transparent darzustellen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. angesichts der dramatischen Haushaltsentwicklung und der überproportiona-

len Steigerungen der Ausgaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit die im
Bundeshaushalt 2004 veranschlagten Mittel für Öffentlichkeitsarbeit (Funk-
tion 013 des Funktionenplans), für Fachinformationen und Fachveröffent-
lichungen, für Tagungen und Kongresse sowie die im Rahmen von Zuschuss-
programmen vorgesehenen Mittel für Öffentlichkeitsarbeit sofort mit einer
Haushaltssperre zu belegen,

2. sicherzustellen, dass Mittel für Maßnahmen im Bereich der Öffentlichkeits-
arbeit entsprechend den Vorgaben des Haushaltsrechts und den Anmerkun-
gen des Bundesrechnungshofs ausschließlich bei den für Öffentlichkeitsar-
beit vorgesehenen Titeln im Bundeshaushalt veranschlagt werden und die
Finanzierung von Öffentlichkeitsarbeit aus anderen Titeln, beispielsweise
aus Zuschussprogrammen, künftig ausgeschlossen ist,

3. die für Fachinformationen veranschlagtenHaushaltsmittel entsprechend ihrer
Zweckbestimmung auch ausschließlich für fachliche Informationen und Ver-
öffentlichungen und nicht mehr für plakative und überwiegend oder aus-
schließlich stimmungsbeeinflussende Imageverbesserung der Bundesregie-
rung zu verwenden,

4. die Öffentlichkeitsarbeit auf die der Bundesregierung obliegenden Informa-
tionspflichten hinsichtlich tatsächlich getroffener politischer Entscheidungen
von Bundesregierung und Bundestag zu begrenzen,

5. die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung gemäß demUrteil des Bundes-
verfassungsgerichtes vom 2. März 1977 (BVerfGE 44, 125 ff.) von stim-
mungsbeeinflussender Wahlwerbung strikt abzugrenzen,

6. die ausufernde Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Ministerien wieder ver-
stärkt durch das zuständige Presse- und Informationsamt der Bundesregie-
rung zu koordinieren und zu bündeln, um so auch Kosten sparende Synergie-
effekte zu erzielen,

7. die vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie von einzel-
nenMinisterien abgeschlossenen Rahmenverträge im Bereich der Öffentlich-
keitsarbeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, soweit diese Rah-
menverträge Kernaufgaben der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung
auf Werbeagenturen übertragen, die Dauer der Legislaturperiode überschrei-
ten oder die Umgehung des Vergaberechts ermöglichen,

8. Auskunft über die von der Bundesregierung im Bereich der Öffentlichkeits-
arbeit abgeschlossenen Verträge zu geben, insbesondere die jeweiligen Auf-
tragnehmer und die Vertragsvolumina offen zu legen,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3311

9. die seit dieser Legislaturperiode aufgeblähte Leitungsorganisation des
Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung mit einem Leiter, einem
Stellvertretenden Leiter und einem Stellvertretenden Chef wieder den Anfor-
derungen an eine effiziente und schlanke Verwaltungsstruktur anzupassen.

Berlin, den 15. Juni 2004
Dietrich Austermann
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster
Ilse Aigner
Norbert Barthle
Jochen Borchert
Manfred Carstens (Emstek)
Albrecht Feibel
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Herbert Frankenhauser
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Dr. Michael Luther
Laurenz Meyer (Hamm)
Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer (Saalstadt)
Georg Schirmbeck
Antje Tillmann
Klaus-Peter Willsch
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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