BT-Drucksache 15/3239

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/2966, 15/3224, 15/3237- Entwurf eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zuteilungsgesetz - NAPG)

Vom 26. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3239
15. Wahlperiode 26. 05. 2004

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/2966, 15/3224, 15/3237 –

Entwurf eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhaus-
gas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007
(Zuteilungsgesetz – NAPG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Um verbindliche und anspruchsvolle ökologische Ziele zu erreichen, verlangt
eine nachhaltige Klimapolitik, dass pro eingesetztem Euro soviel Treibhausgase
wie möglich vermieden werden. Dazu kann der Emissionshandel einen wesent-
lichen Beitrag leisten. Vor diesem Hintergrund wird zum 1. Januar 2005 auf
europäischer Ebene ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszerti-
fikaten eingerichtet.
Die Fraktion der FDP hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren
wiederholt dazu aufgefordert, beizeiten Einfluss auf die Gestaltung des euro-
päischen Emissionshandels zu nehmen, Deutschland rechtzeitig auf den Emis-
sionshandel vorzubereiten, die damit verbundenen ökologischen und ökonomi-
schen Chancen entschlossen zu nutzen und die Voraussetzungen dafür zu schaf-
fen, dass Deutschland die flexiblen Mechanismen des Kyotoprotokolls so
schnell wie möglich nutzen kann. Die Fraktion der FDP war die erste Fraktion,
die in diesem Sinne konkrete Vorschläge formuliert und dem Deutschen Bun-
destag als parlamentarische Initiativen vorgelegt hat (siehe dazu im Einzelnen
die Anträge „Börsenhandel mit Emissionszertifikaten in Deutschland konkret
vorbereiten“ (Bundestagsdrucksache 14/4395 vom 25. Oktober 2000), „Agenda

Drucksache 15/3239 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

für eine Initiative Deutschlands zum internationalen Klimaschutz“ (Bundes-
tagsdrucksache 14/4890 vom 6. Dezember 2000), „Initiative Deutschlands für
einen Durchbruch beim internationalen Klimaschutz“ (Bundestagsdrucksache
14/6547 vom 3. Juli 2001), „Kyotomechanismen für die internationale Klima-
politik Deutschlands nutzen“ (Bundestagsdrucksache 14/7073 vom 10. Oktober
2001), „Kyotomechanismen für die nationale Klimapolitik Deutschlands nut-
zen“ (Bundestagsdrucksache 14/7156 vom 16. Oktober 2001), „Gesetz zur
Ratifizierung des Kyotoprotokolls unverzüglich vorlegen“ (Bundestagsdruck-
sache 14/7450 vom 14. November 2001), „Vereinbarkeit der Selbstverpflich-
tung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge mit den flexiblen Instrumen-
ten des Kyotoprotokolls sicherstellen“ (Bundestagsdrucksache 14/8495 vom
13. März 2002)). Alle genannten Anträge wurden mit der Mehrheit der Koali-
tionsfraktionen im Deutschen Bundestag abgelehnt, ohne dass die Bundesregie-
rung ein eigenes konsistentes Konzept für den Emissionshandel vorgelegt hätte.
Erst in letzter Sekunde wurde das Paket aus Treibhausgas-Emissionshandelsge-
setz (TEHG) und dem eingangs genannten Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007)
vorgelegt. Eine Anhörung des federführenden Bundestagsausschusses für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von Sachverständigen zum Zuteilungs-
gesetz konnte erst wenige Tage vor der abschließenden Beratung des Gesetzes
im Deutschen Bundestag stattfinden. Eine eingehende und angemessene Bera-
tung in den parlamentarischen Gremien war wegen des von den Koalitionsfrak-
tionen unnötigerweise erzeugten erheblichen Zeitdrucks und wegen der Kurz-
fristigkeit der vorgelegten Änderungsanträge, die nahezu jeden Paragraphen des
eigenen Gesetzentwurfs betrafen, in keiner Weise mehr zu gewährleisten. Durch
die Anhörung wurde aufgrund der Kommentare zahlreicher Sachverständiger
klar erkennbar, dass das Zuteilungsgesetz weit davon entfernt ist, die mit dem
Emissionshandel verbundenen Chancen zu nutzen.
Der Vorteil des Emissionshandels, als staatsfernes, dezentrales und liberales
Instrument der Umweltpolitik Klimaschutz zu minimalen Kosten zu erreichen,
wird nach der von der Bundesregierung gewählten Konzeption nicht realisiert.
Vielmehr ist absehbar, dass die privaten Haushalte in naher Zukunft finanziell
erheblich belastet werden. Außerdem entsteht der Eindruck, der Bundesregie-
rung gehe es beim Emissionshandel nicht um effiziente Klimapolitik, sondern
um die Ausweitung ihrer Möglichkeiten zur industrie- und strukturpolitischen
Einflussnahme auf das Wirtschaftsgeschehen.
Unter den zahlreichen im Grundsatz sowie im Detail kritikwürdigen Regelun-
gen ist insbesondere auf die nachstehend aufgeführten Sachverhalte aufmerk-
sam zu machen:
– Die Regelungen sind extrem kompliziert und bürokratisch. Damit wird ein

erheblicher zusätzlicher Aufwand insbesondere zum Nachteil kleiner und
mittlerer Unternehmen erzeugt, weil diese durch erzwungene administrative
Lasten relativ stärker belastet werden als Großunternehmen.

– Die Regelungen sind ungerecht, weil sie Gleiches ungleich behandeln. Es
gibt keine Gleichbehandlung von Emissionen, Anlagen und Anlagenbetrei-
bern. Dies hat verzerrende und nachteilige Auswirkungen auf die betroffenen
Unternehmen und deren Wettbewerbsposition in Europa.

– Für die privaten Haushalte als Steuerzahler, Autofahrer undWohnungsnutzer
sind erhebliche Belastungen absehbar. Eine solche sektorale Umorientierung
(stärkere Belastung der privaten Haushalte) wird eine unnötige und gewich-
tige Zusatzbelastung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft bedeuten, weil
die dort zu erbringenden Klimaschutzmaßnahmen von rot-grün absehbar
ineffizient organisiert und institutionalisiert werden (z. B. durch die so ge-
nannte Ökosteuer).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3239

– Generell kommt es zu Doppelbelastungen der Betroffenen insbesondere
durch das KWK-Gesetz, die so genannte Ökosteuer und die weiter beste-
hende teilweise Überförderung durch das EEG. Diese Instrumente müssen
deshalb zumindest für die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen ab-
geschafft werden, sobald der Handel funktioniert.

– ProjektbasierteMechanismen (Joint Implementation – JI und Clean Develop-
ment Mechanism – CDM) werden im Gesetzentwurf zwar erwähnt. Gleich-
wohl werden daraus keine Schlussfolgerungen abgeleitet, obwohl diese fle-
xiblen Mechanismen des Kyotoprotokolls entscheidende Potentiale für einen
wirksamen und zugleich kostengünstigen Klimaschutz enthalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– den eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungs-

plan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode
2005 bis 2007 unverzüglich zu überarbeiten,

– dabei den Emissionshandel von vornherein auf Kostenminimierung zu ver-
pflichten und dieses Instrument nicht für eine Privilegierung oder Benachtei-
ligung bestimmter Energieträger, Produktionsanlagen, Standorte oder Markt-
teilnehmer zu missbrauchen,

– eine Gesamtstrategie zu erarbeiten, die nicht nur Treibhausgase aus Energie-
umwandlungsprozessen und bestimmte Anlagen umfasst, sondern die kos-
tenminimierende Wirkung eines vernünftig organisierten Emissionshandels
auch für die Sektoren Haushalte und Verkehr erschließt,

– in solchem Rahmen zu gewährleisten, dass andere Klimaschutzinstrumente,
wie z. B. die so genannte Ökosteuer und das KWK-Gesetz, zumindest für die
am Emissionshandel beteiligten Unternehmen abgeschafft werden, sobald
der Handel mit Emissionszertifikaten funktioniert, um Doppelbelastungen zu
vermeiden,

– sicherzustellen, dass die für Deutschland vorgesehenen Regelungen hinrei-
chend flexibel ausgestaltet sind, um angemessenen Spielraum für Wirt-
schaftswachstum zu lassen,

– sicherzustellen, dass in begründeten Fällen auch „Early Actions“ berücksich-
tigt werden können, welche vor 1994 stattgefunden haben,

– hinsichtlich des Vollzuges zu gewährleisten, dass der für die betroffenen Un-
ternehmen entstehende Verwaltungs- und Bürokratieaufwand so gering wie
möglich gehalten wird und dass keine Wettbewerbsverzerrungen zum Nach-
teil der Unternehmen in Deutschland entstehen,

– die Verknüpfung und integrale Anwendung aller Instrumente des Kyotopro-
tokolls (Clean Development Mechanism, Joint Implementation, Emissions
Trading und Carbon Sinks) schnellstmöglich vorzusehen, damit durch deren
forcierten Einsatz insbesondere in der zweiten und in folgenden Verpflich-
tungsperioden ambitionierte Emissionsreduktionen realisiert werden können,
ohne dass bereits in der ersten Verpflichtungsperiode unnötig restriktive Vor-
gaben gefasst werden müssen. Hierdurch werden überdies die Vorteile des
Emissionshandels auch den Entwicklungs- und Schwellenländern zugänglich
gemacht, die großes Interesse an diesen Instrumenten haben und sich dadurch
neben wirtschaftlichen Vorteilen auch Technologietransfer versprechen. Nur
unter dieser Voraussetzung können die dort bestehenden besonderen Chan-
cen für einen wirksamen und zugleich kostengünstigen Klimaschutz adäquat
genutzt werden. Eine Berücksichtigung der genannten Mechanismen ist be-
reits zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglich, da hierzu ein gemeinsamer
Standpunkt des Europäischen Rates vorliegt,

Drucksache 15/3239 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
– einen angemessen dimensionierten Reservefonds zur Ausstattung von zu-
sätzlichen Neuanlagen und Anlagenerweiterungen mit Emissionsrechten zu
schaffen,

– sicherzustellen, dass für Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen,
über den Grad der Energieeffizienz und die Einhaltung des Standes der Tech-
nik künftig anhand der Kosten im eigenen Unternehmen bzw. mit Blick auf
den Preis für Zertifikate entschieden wird und betreffende Vorgaben nicht
länger über das Ordnungsrecht getroffen werden und

– in diesem Sinne dem Deutschen Bundestag ein klimapolitisch leistungsfähi-
ges und wirtschaftlich attraktives sowie einfaches und unbürokratisches Ge-
samtkonzept vorzulegen, welches sicherstellt, dass der entscheidende Vorteil
des Emissionshandels, Klimaschutz kostenminimal realisieren zu können,
von Anfang an und uneingeschränkt genutzt werden kann.

Berlin, den 25. Mai 2004
Birgit Homburger
Angelika Brunkhorst
Michael Kauch
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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