BT-Drucksache 15/3111

Schöffen in der Strafjustiz

Vom 5. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3111
15. Wahlperiode 05. 05. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörg van Essen, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Helga Daub, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Schöffen in der Strafjustiz

Die Beteiligung ehrenamtlicher Richter in der Strafrechtspflege ist deutsche
Rechtstradition. Die Laienbeteiligung an Strafverfahren geht auf die Emanzipa-
tion des Bürgertums und die politische Aufklärung im 19. Jahrhundert zurück.
Damals war man der Ansicht, dass Laienrichter weniger durch die Obrigkeit
beeinflusst würden als die Berufsrichter. Die Strafprozessordnung (StPO) sah
bis zur Emmingerverordnung im Jahr 1924 in Schwurgerichtssachen sogar ein
echtes Geschworenengericht vor, bei dem Laien allein über die Schuldfrage
entschieden und die Berufsrichter nur für die Leitung der Verhandlung und die
Strafzumessung zuständig waren.
Die Beteiligung ehrenamtlicher Richter in der Strafrechtspflege wird nicht
durch das Grundgesetz garantiert, aber stillschweigend anerkannt, wie das
Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 30. Mai 1978
feststellte. In der heutigen rechtspolitischen Diskussion ist die Berechtigung der
Laienbeteiligung an der Strafrechtspflege heftig umstritten.
In der gesellschaftlichen Diskussion findet die Rolle der Schöffen in regelmäßi-
gen Abständen in den Medien Beachtung. Kritik wird hierbei vor allem des-
wegen an der Institution der Schöffen laut, da durch deren Teilnahme an
Strafverfahren diese häufiger von neuem begonnen werden müssen, da die
Schöffen entweder als befangen abgelehnt wurden oder gegen die Besetzungs-
regelungen des Gerichts verstoßen wurde. Aufsehen erregte auch ein Fall, in
dem ein Schöffe gegen die Schweigepflicht bezogen auf das Beratungsgeheim-
nis verstieß und an die Presse Informationen weitergab.
Momentan finden die Auswahlen für das Ehrenamt in den Kommunen für die
nächsten vier Jahre statt. Dies sowie die rechtspolitische als auch die gesell-
schaftliche Diskussion geben den Anlass, die Rolle der Schöffen zu überprüfen
und zu überdenken.

Drucksache 15/3111 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Anzahl der

Schöffen in der Strafrechtspflege gestaffelt nach Bundesländern bezogen auf
die letzten 5 Wahlperioden?

2. Aus welchen Berufsfeldern stammen die Schöffen prozentual?
3. Welches Funktionsverständnis legt die Bundesregierung dem Laienrichter-

tum in der heutigen Zeit zugrunde?
4. Wie beurteilt die Bundesregierung das Auswahlverfahren für Schöffen

insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung von Bürgern, die sich nicht
freiwillig für dieses Amt beworben haben?

5. Welche Argumente führt die Bundesregierung für ein Festhalten an der
Funktion des Schöffen in der Strafrechtspflege an?

6. WelcheKritikpunkte sieht dieBundesregierung an der Funktion des Schöffen
in der Strafrechtspflege?

7. Sieht die Bundesregierung bezüglich der Beteiligung von ehrenamtlichen
Richtern im Strafprozess gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die grundsätzliche und allgemeine Schu-
lungssituation für Schöffen?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung von Seminaren über
strafverfahrensrechtliche Themen, materielles Strafrecht wie auch über
Grundsätze der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung für Schöffen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung eine bessere Vorbereitung der Schöffen
auf die konkreten Verhandlungen?

11. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung hinsichtlich der Forderungen
ein, dass den Schöffen Einsicht in die Verfahrensakten oder eine vergleich-
bare Vorausinformation über Ermittlungsinhalte, -ergebnisse und deren
rechtliche Würdigung vor oder während einer Hauptverhandlung gegeben
werden sollte?

12. Sieht die Bundesregierung bezüglich einer Akteneinsicht für Schöffen einen
Konflikt mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit?

13. Sieht dieBundesregierunghinsichtlich einerAkteneinsicht für Schöffen einen
gesetzgeberischen Handlungsbedarf und wie begründet sie ihre Meinung?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung ihre Haltung bezüglich der Einsicht von
Schöffen in Verfahrensunterlagen, die während des Verfahrens angefertigt
werden (Wortprotokolle,KopienverlesenerUrkunden etc.) vor allem imHin-
blick auf die Erinnerungsfähigkeit von Schöffen bei sog.Umfangsverfahren?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Durchführung von sog. Zwischen-
beratungen, um den Schöffen hierbei insbesondere objektive Grundsätze der
Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung zu vermitteln?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die gesetzliche Aufgabenverteilung zwi-
schen den Berufsrichtern und den Schöffen?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass die Schöffengerichte
Entscheidungen mit einer 2/3-Mehrheit fällen und damit die Schöffen den
Berufsrichter bei der Entscheidung überstimmen?

Berlin, den 4. Mai 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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