BT-Drucksache 15/2889

Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Namensrecht nach Ehescheidung

Vom 31. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2889
15. Wahlperiode 31. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster),
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Hans-Michael Goldmann, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Eberhard Otto
(Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Namensrecht
nach Ehescheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat am 18. Februar 2004 entschieden, dass
§ 1355 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Artikel 2 Abs. 1 i. V. m.
Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar sei, soweit er ausschließt,
dass Ehegatten zum Ehenamen einen durch frühere Eheschließung erworbenen
Familiennamen bestimmen können, den einer von beiden zum Zeitpunkt der
Eheschließung führt.
Der Gesetzgeber ist gehalten, die Rechtslage bis zum 31. März 2005 mit dem
Grundgesetz in Einklang zu bringen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Familiennamen-
rechts vom 14. August 1992 (Bundestagsdrucksache 12/3163) sah zunächst
vor, dass die Ehegatten neben ihren Geburtsnamen auch ihren zum Zeitpunkt
der Eheschließung jeweils geführten Namen zum Ehenamen bestimmen kön-
nen sollten, um über diese Erweiterung der Wahlmöglichkeit die Entscheidung
für einen Ehenamen zu erleichtern. Diese vorgesehene Regelung stieß jedoch in
den Beratungen des Gesetzentwurfs und der durchgeführten Anhörung über-
wiegend auf Ablehnung. Insbesondere Adelsverbände meldeten sich öffentlich
zu Wort und protestierten unter Hinweis auf eine dann drohende „Titel-Infla-
tion“ gegen die vorgesehene erweiterte Möglichkeit bei der Ehenamenswahl.
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages empfahl schließlich, zur Ab-
wendung einer Missbrauchsgefahr die Ehenamenswahl wieder auf die Geburts-
namen der Ehegatten zu begrenzen.
Nach geltender Rechtslage kann damit der in früherer Ehe erworbene Name
nicht als Ehename an einen neuen Ehegatten weitergegeben werden.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Justiz Stellung
genommen. Es vertrat die Ansicht, § 1355 Abs. 2 BGB sei verfassungsgemäß.
Das Verbot, den in früherer Ehe erworbenen Namen zum neuen Ehenamen zu
machen, diene der Abwendung einer anderenfalls gegebenen Missbrauchsge-
fahr. Ein Missbrauch drohe insbesondere bei besonders „schönen Namen“, die
bei freier Wahl einen besonderen Marktwert erhalten könnten.

Drucksache 15/2889 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus, dass auch die
Nutzung der Möglichkeit, einen durch Ehenamenswahl erworbenen Namen mit
Adelsbezeichnung zum Namen einer neuen Ehe des Namensträgers zu bestim-
men, nicht missbräuchlich sei. Sollte in der Gefahr von Scheinehen, die von
den Eheschließenden nur um des Namens willen eingegangen werden, um sich
nach dem Namenserwerb scheiden zu lassen und den Namen in eine neue Ehe
mitzunehmen, der Missbrauch liegen, dem vorgebeugt werden soll, so sei die-
ser Gefahr mit den Mitteln zu begegnen, die solche Scheinehen verhindern hel-
fen, nicht aber mit dem Namensrecht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Tatsachen liegen der Einschätzung der Bundesregierung, bei beson-

ders „schönen Namen“ bestehe eine Missbrauchsgefahr, zu Grunde?
2. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung der Adelsverbände, es könne zu

einer „Titel-Inflation“ kommen?
3. Wie will die Bundesregierung angesichts der Rechtslage, wie sie durch das

Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschaffen worden ist, der von ihr an-
genommenen Missbrauchsgefahr begegnen?

4. Fällt eine Eheschließung nur wegen des Namens unter den Begriff der
Scheinehe?
Ist eine solche Auslegung mit der Entstehungsgeschichte des § 1314 Abs. 2
Nr. 5 BGB vereinbar, der geschaffen wurde, um Ehen mit ausländischen
Partnern begegnen zu können, die nur die Einreise nach oder den Aufenthalt
in Deutschland ermöglichen oder die Abschiebung verhindern sollen, und
der deshalb nach herrschender Meinung in der Literatur trotz seiner allge-
meinen Fassung nicht als Generalklausel, sondern eng auszulegen ist?

5. Wenn ja, erfasst der Begriff der Scheinehe alle Missbrauchsfälle, oder ist
nach Ansicht der Bundesregierung die Normierung weiterer Missbrauchstat-
bestände erforderlich?

6. In welchem Verfahren sollen Gesichtspunkte des Missbrauchs bei der Ehe-
namenswahl berücksichtigt werden?
Soll die Frage missbräuchlichen Namenserwerbs von Amts wegen oder nur
auf Antrag geprüft werden?

7. Ist daran gedacht, geschiedenen Ehepartnern oder Hinterbliebenen Unterlas-
sungs- oder sonstige Ansprüche auf Untersagung der Führung des Namens
für den Fall einzuräumen, dass eine Ehe geschieden wurde, weil die Fortset-
zung der Ehe für den früheren Ehegatten eine unzumutbare Härte dargestellt
hätte, z. B. bei schweren Beleidigungen, groben Ehrverletzungen, Tätlich-
keiten, Misshandlungen oder ernsten Bedrohungen?

8. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass der Familienname seine
Funktion behält, Abstammungslinien nachzeichnen, familiäre Zusammen-
hänge darstellen oder den Familienstatus eines Menschen verdeutlichen zu
können (vgl. BVerfGE 104, 373 (386))?

Berlin, den 31. März 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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