BT-Drucksache 15/2787

Verfahren zu Fauna-Flora-Habitat-Gebietsnachmeldungen

Vom 24. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2787
15. Wahlperiode 24. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Birgit Homburger, Michael Kauch, Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst
Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Verfahren zu Fauna-Flora-Habitat-Gebietsnachmeldungen

Deutschland wurde wegen mangelnder Ausweisung von FFH-Vorschlagsgebie-
ten (FFH: Fauna-Flora-Habitat) im September 2001 vom Europäischen Ge-
richtshof (EuGH) verurteilt. Die Europäische Kommission eröffnete am
2. April 2003 ein Verfahren nach Artikel 228 EG-Vertrag mit der möglichen
Folge der Verhängung eines Zwangsgeldes durch den EuGH. Die Bundes-
republik Deutschland hat darauf mit Schreiben vom 8. Juli 2003 reagiert und
dargelegt, wie die Defizite abgebaut werden sollen. Seitdem wird die Europäi-
sche Kommission nach Auskunft der Bundesregierung (Antwort auf die Kleine
Anfrage der Fraktion der FDP „Stand der Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-
Richtlinie in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 15/1771) laufend über
weitere Maßnahmen zur Erfüllung des Urteils des EuGH unterrichtet.
Als Maßnahmen zur Verständigung über Gebietsnachmeldungen wurden „bila-
terale Gespräche“ zwischen den Bundesländern und der Europäischen Kom-
mission geführt. In diesem Kontext hatte der Naturschutzbund Deutschland
(NABU) e. V. am 5. November 2003 beim Bundesamt für Naturschutz (BfN)
die Herausgabe der in Vorbereitung der Gespräche angefertigten FFH-Nach-
meldeunterlagen der Bundesländer beantragt. Gegen diesen Antrag hatten fünf
Bundesländer unter Hinweis auf die Unvereinbarkeit eines solchen Verlangens
mit den Regelungen des Umweltinformationsgesetzes Einspruch eingelegt. Von
Länderseite war dabei betont worden, dass wegen der Vertraulichkeit der Ge-
spräche Daten über Gebietsmeldungen im Vorfeld nicht bekannt werden dürf-
ten.
Dessen ungeachtet erklärte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU) im Januar 2004, es habe das BfN zur Herausgabe
der betreffenden Unterlagen angewiesen, woraufhin der NABU kurzzeitig auf
seiner Internetseite eine Meldung über „endgültige“ und „gemeldete“ Gebiets-
vorschläge des Landes Niedersachsen veröffentlichte. Tatsächlich waren jedoch
die Gebietsvorschläge weder „endgültig“ noch gegenüber der Europäischen
Kommission „gemeldet“. Erst mit Schreiben vom 1. März 2004 erfolgte eine

Drucksache 15/2787 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

detaillierte schriftliche Begründung seitens des BMU, warum die vorläufigen
Gebietsmeldungen herausgegeben worden waren.
An dem bilateralen Treffen von Vertretern der Europäischen Kommission und
den Ländern am 21. Januar 2004 in Bonn nahmen auch „unabhängige Exper-
ten“ teil, die im Verlauf des Gesprächs von Seiten der Europäischen Kommis-
sion als Experten oder „Vertreter des Bundesamtes für Naturschutz“ benannt
und so stillschweigend dem BMU zugeordnet wurden. Während des Gesprächs
traten nach Auffassung eines Ländervertreters einige Unstimmigkeiten auf.
Beispielsweise führten die benannten Experten eine Meldesituation in Nieder-
sachsen aus, die nicht mehr dem aktuellen Stand entsprach. Außerdem versuch-
ten die Experten nach Aussage von Zeugen verschiedentlich, die Zusammen-
arbeit zwischen Bund und Ländern als unproduktiv darzustellen. Sie forderten
die konkrete Benennung einzelner, säumiger Bundesländer und machten meh-
rere fachlich falsche Aussagen bezüglich der Zuordnung von Gebieten zu Le-
bensraumtypen. Unter anderem wurde von den Experten die Zuordnung einer
nicht existenten Ufervegetationsform zu dem Fluss Leine mit der Begründung
gefordert, sie könne „potenziell“ dort vorkommen. Außerdem wurde von Sei-
ten dieser Experten die Unterschutzstellung einer Tierart als Biotop-Art gefor-
dert, die im betreffenden Lebensraum zum letzten Mal vor über 30 Jahren
(1971) gesichtet worden war.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Personen haben an dem Treffen am 21. Januar 2004 teilgenommen

und inwieweit waren diese Personen nach Einschätzung des BMU für eine
Gesprächsteilnahme qualifiziert?

2. Wer hat die Einladung zu dem bilateralen Treffen am 21. Januar 2004 für
diese Personen ausgesprochen?

3. Was ist nach Auffassung der Bundesregierung die Wortbedeutung des
Begriffs „bilaterales Treffen“?

4. Welchen Stellenwert haben im Hinblick auf die fachliche Beurteilungs-
fähigkeit der FFH-Gebiete in den Bundesländern nach Auffassung der
Bundesregierung die Ländervertreter und die Vertreter der Arbeitsgemein-
schaft Naturschutz der Landesumweltministerien (LANA)?

5. Wie wichtig ist der Bundesregierung eine konstruktive Zusammenarbeit
mit den Bundesländern bei den Verhandlungen zur Abwendung eines Buß-
geldes?

6. Welche eigene Verpflichtung sieht die Bundesregierung, die Arbeit der
Bundesländer zu Gebietsnachmeldungen konstruktiv zu flankieren?

7. Wie gedenkt die Bundesregierung die zukünftigen Verhandlungen mit der
Europäischen Kommission hinsichtlich der Abwendung eines Bußgeldes
zu gestalten?

8. Wie viele Gebiete wurden gegebenenfalls durch Verbände, durch das BMU
oder das BfN ohne Kenntnis der Bundesländer nachgemeldet?

9. Aufgrund welcher rechtlichen Ermächtigung konnte das BfN nach Auffas-
sung der Bundesregierung die Vorschläge für FFH-Gebietsnachmeldungen
des Landes Niedersachsen an den NABU übermitteln?

10. Trifft es zu, dass das BfN vom BMU zur Herausgabe der eingangs zitierten
Unterlagen an den NABU angewiesen wurde?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Veröffentlichung der Ge-
bietsnachmeldungen des Landes Niedersachsen durch den NABU im Inter-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2787

net zulässig war, und wenn ja, worauf stützt die Bundesregierung diese
Auffassung?

12. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zulässig, einem Lebensraum-
typ auch Vegetationsformen zuzuordnen, die dort zwar nicht existieren,
jedoch „potenziell“ vorkommen könnten?

13. Wenn ja, erachtet die Bundesregierung dies als sinnvoll und welche Vor-
aussetzungen müssen nach Auffassung der Bundesregierung ggf. erfüllt
sein, damit von einem „potenziellen Vorkommen“ die Rede sein kann?

14. Sind Gebietsausweisungen nach der FFH-Richtlinie nach Auffassung der
Bundesregierung auch dann möglich, wenn sie sich ausschließlich auf
Arten beziehen, welche zum letzten Mal vor Jahrzehnten im betreffenden
Lebensraum gesichtet worden sind?

15. Wenn ja, mit welcher Begründung und bezogen auf welchen Zeitraum?

Berlin, den 24. März 2004
Angelika Brunkhorst
Birgit Homburger
Michael Kauch
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.