BT-Drucksache 15/2752

Transparenz und Wettbewerb im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr

Vom 24. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2752
15. Wahlperiode 24. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Günter Rexrodt,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Transparenz und Wettbewerb im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Seit 1996 stellt der Bund den Ländern über das Regionalisierungsgesetz Mittel
zur Bestellung von Nahverkehrsleistungen zur Verfügung. Im Jahr 2003 belie-
fen sich die Regionalisierungsmittel auf rund 6,8 Mrd. Euro und sie steigen bis
2007 jährlich um 1,5 Prozent. Die Regionalisierungsmittel stammen aus dem
Mineralölsteueraufkommen des Bundes. Es handelt sich um eine direkte Trans-
ferleistung des Straßenverkehrs in den Schienenpersonennahverkehr (SPNV).
Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entscheiden die Länder, wie sie die
Regionalisierungsmittel verwenden. Dabei sollen die Mittel nach § 8 Abs. 1 der
Finanzierung des bedarfsgerechten Grundangebotes im SPNV dienen.
Zehn Jahre nach der Bahnreform hält die Deutsche Bahn AG (DB AG) einen
Marktanteil von 91 Prozent der bundesweit bestellten Zugkilometer. Gerade ein-
mal 17 Prozent des bundesdeutschen Marktvolumens sind bisher im Wettbewerb
vergeben worden. Noch in den letzten zwei Jahren haben verschiedene Bundes-
länder langfristige Verträge über die Erbringung von Nahverkehrsleistungen
direkt mit der DB Regio AG abgeschlossen, ohne ein Vergabeverfahren durchzu-
führen. Diese Direktverträge wurden auf der Grundlage exklusiver und geheimer
Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG geschlossen. Der Vertragsabschluss
mit dem Land Brandenburg im August 2002 ist inzwischen in die politischen
Schlagzeilen geraten. Die Auftragssumme beträgt rund 2,5 Mrd. Euro für den
Zeitraum 2002 bis 2012. Die Deutsche Bahn AG erhielt den Auftrag, ohne das es
anderen Leistungsanbietern ermöglicht worden wäre, ihr Interesse an den Leis-
tungen bekannt zu geben. Auch die Länder Thüringen, Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz haben in den letzten zwei Jahren langfristige Verkehrsverträge
mit der DB Regio AG abgeschlossen, wobei es sich jeweils um Direktvergaben
ohne die Beteiligung von Wettbewerbern der DB Regio AG handelte.
Die wenigen bisher durchgeführten wettbewerblichen Vergaben zwischen 1996
und 2003 zeigen, dass bei einer konsequenten Ausschreibung aller SPNV-Leis-

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tungen über eine Mrd. Euro pro Jahr eingespart werden könnte. Umgekehrt führt
die bisherige Praxis der Direktvergabe dazu, dass die DB AG unverändert die
attraktivsten Strecken im SPNV bedient und damit weit überproportionale Ge-
winne erwirtschaftet. Die zugrunde liegenden Verträge sind bisher nicht veröf-
fentlicht worden, obwohl es sich um die Verwendung von Steuergeldern an ein
bundeseigenes Unternehmen handelt. Es ist offensichtlich, dass die DB Regio
AG dank hoher Einheitspreise bei vielen der direkt vergebenen Aufträge Über-
renditen einfährt, die sie zukünftig zu Kampfpreisen gegen Wettbewerber einset-
zen kann, sobald der Wettbewerb auch um die lukrativsten Strecken stattfindet.
Von der durch fehlenden Wettbewerb und mangelnde Transparenz gekenn-
zeichneten Situation ist in erster Linie der deutsche Steuerzahler nachteilig be-
troffen. Aus diesem Grunde kann sich der Deutsche Bundestag nicht mit dem
Hinweis zufrieden geben, es handele sich um zwischen den betreffenden Lan-
desregierungen und der Deutschen Bahn AG ausgehandelte Verträge. Die Deut-
sche Bahn AG ist ein bundeseigenes Unternehmen, für deren Geschäftspolitik
die Bundesregierung die Verantwortung trägt. Es geht um die Frage, ob die
Deutsche Bahn AG infolge der Direktvergaben Überrenditen erzielt, die letzt-
lich zu Lasten des Steuerzahlers gehen.

Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung
auf,
1. im Rahmen ihrer Eigentümerfunktion gegenüber der Deutschen Bahn AG

durch geeignete Maßnahmen im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung
zu bewirken, dass die aktuell gültigen Verkehrsverträge, soweit sie durch
freihändige Vergabe zustande gekommen sind, offen gelegt werden;

2. einen Wettbewerbsbericht vorzulegen, in dem die Entwicklung des Wett-
bewerbs im Schienenpersonennahverkehr dargelegt und die Ursachen für
mangelnden Wettbewerb analysiert werden;

3. ein Konzept vorzulegen, wie der Wettbewerb im Schienenpersonennahver-
kehr schnell und effektiv verstärkt werden kann.

Berlin, den 24. März 2004
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Eberhard Otto (Godern)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch

Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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