BT-Drucksache 15/2688

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/2149, 15/2678- Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz)

Vom 10. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2688
15. Wahlperiode 10. 03. 2004

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Daniel Bahr (Münster), Birgit Homburger,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Christel Happach-Kasan, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich
Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich
Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/2149, 15/2678 –

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen
Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
(RV-Nachhaltigkeitsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 (Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch)
1. Zu Nummer 13 § 74

a) Die Sätze 1 bis 3 werden neu gefasst:
„Der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert wird für
jeden Kalendermonat mit Zeiten beruflicher oder schulischer Ausbildung
auf 75 vom Hundert begrenzt, für glaubhaft gemachte Zeiten einer beruf-
lichen Ausbildung jedoch auf fünf Sechstel dieser begrenzten Entgelt-
punkte. Der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalender-
monat 0,05 Entgeltpunkte, für glaubhaft gemachte Zeiten einer beruf-
lichen Ausbildung jedoch 0,0417 Entgeltpunkte, nicht übersteigen.
Zeiten einer beruflichen Ausbildung und Zeiten schulischer Ausbildung
werden insgesamt für höchstens drei Jahre bewertet, vorrangig die Zeiten
der schulischen Ausbildung.“

b) In Satz 4 werden die Wörter „Zeiten einer Schul- oder Hochschulaus-
bildung und“ gestrichen.

Drucksache 15/2688 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Nummer 42 wird ersatzlos gestrichen.
3. In Nummer 51 werden die Buchstaben c und d ersatzlos gestrichen.

Berlin, den 10. März 2004

Begründung
Der Gesetzentwurf nimmt mit der vorgeschlagenen Neuregelung der Bewer-
tung von Ausbildungszeiten eine Ungleichbehandlung vor. Während nach gel-
tendem Recht drei Jahre schulischer Ausbildung (dazu gehört auch die Ausbil-
dung an Fachschulen, Fachhochschulen und Hochschulen) nach Vollendung
des 17. Lebensjahres als Anrechnungszeiten bewertet werden, fällt nach der
Neuregelung – nach einer vierjährigen Übergangsfrist – die Bewertung für die
Ausbildung an allgemeinbildenden Schulen, Fachhochschulen und Hoch-
schulen weg. Für Zeiten einer nichtakademischen Ausbildung an Schulen mit
überwiegend berufsbildendem Charakter (Fachschulen) und für berufsvorbe-
reitende Bildungsmaßnahmen soll es hingegen bei der bisherigen rentenrecht-
lichen Bewertung bleiben. Diese Zeiten werden weiterhin mit bis zu 0,75 Ent-
geltpunkten pro Jahr bewertet. Damit werden zwei Gruppen von Norm-
adressaten – Absolventen von allgemeinbildenden Schulen, Fachhochschulen
und Hochschulen einerseits und Absolventen von Fachschulen und berufsvor-
bereitenden Bildungsmaßnahmen andererseits – ungleich behandelt, obgleich
beide Gruppen während der Ausbildung in der Regel keine Rentenversiche-
rungsbeiträge gezahlt haben bzw. zahlen.
In der Begründung zum Gesetzentwurf wird dazu ausgeführt, dass Absolventen
von allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen – bei typisierender Betrach-
tung – in der Regel bessere Verdienstmöglichkeiten aufwiesen und deswegen
überdurchschnittliche Anwartschaften erwerben könnten. Dies entspricht je-
doch nicht mehr der aktuellen Arbeitsmarktsituation, so dass diese Ungleichbe-
handlung nicht zu rechtfertigen ist.
Von der Abschaffung der Bewertung von Zeiten schulischer Ausbildung sind
nicht nur Akademiker betroffen, sondern alle Personen, die nach Vollendung
des 17. Lebensjahres noch eine allgemeinbildende Schule besucht haben, also

Dr. Heinrich L. Kolb
Daniel Bahr (Münster)
Birgit Homburger
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich

Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2688

auch die Abiturienten ohne spätere akademische Ausbildung. Schlechter ge-
stellt werden darüber hinaus auch Haupt-, Real- und Gesamtschüler, die Klas-
sen mehrfach wiederholt haben. Bei beiden Personenkreisen greift das Argu-
ment der besseren Verdienstmöglichkeiten als Folge akademischer Ausbildung
von vornherein nicht.
Auch viele Hochschulabsolventen sind aufgrund der heutigen Arbeitsmarktlage
gezwungen, Arbeitsplätze anzunehmen, die in ihrer Vergütung nicht der akade-
mischen Ausbildung entsprechen. Die Problematik zeigt sich noch verstärkt bei
Akademikerinnen, die in der Phase der Kindererziehung keiner oder nur einer
Teilzeittätigkeit nachgehen und nach der Kindererziehung nur schwer wieder
einen der Hochschulausbildung entsprechenden Arbeitsplatz finden.
Deswegen wird bei der Regelung nicht an die Art der Ausbildung, sondern stär-
ker an die Höhe des später erzielten durchschnittlichen Entgelts angeknüpft.
Die Bewertung der Ausbildungszeiten wird so ausgestaltet, dass Begünstigun-
gen gezielt vor allem den Versicherten zugute kommen, die nur geringe durch-
schnittliche Rentenanwartschaften erwerben. Sie wird aber weiter für alle Arten
der schulischen Ausbildung gewährt.
So werden schulische und berufliche Ausbildungszeiten gleichmäßig nur dann
mit einem vollen Zuschlag an Entgeltpunkten belegt, wenn die durchschnitt-
lichen Entgeltpunkte (Gesamtleistungswert) eine bestimmte Grenze nicht über-
schreiten. Wird die Grenze überschritten, wird der Zuschlag – wie bereits im
heutigen Recht vorgesehen – auf einen Höchstzuschlag begrenzt werden, der
mit 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes allerdings niedriger liegen sollte
als der Höchstzuschlag von 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes nach dem
derzeitigen Recht.
Anstelle der Abschaffung der Bewertung der Anrechnungszeiten wegen des
Besuchs von allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen wird somit die
Höchstbewertung für alle schulischen Anrechnungszeiten und für die Zeiten
der Berufsausbildung von bisher 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes auf
60 Prozent des Durchschnittsverdienstes vermindert.
Die hier vorgeschlagenen Änderungen führen dazu, dass die Rente des einzel-
nen Versicherten nicht um bis zu 59 Euro, sondern nur noch um bis zu rund
12 Euro gemindert wird. Das bedeutet bei einer Standardrente eine Minderung
um 1 Prozent. Aus diesem Grunde wird auch auf eine Übergangszeit verzichtet
(Streichung der Nummern 42, 51 Buchstabe c und d). Dies führt auch zur Re-
duzierung von Verwaltungskosten.
Gegenüber dem Gesetzentwurf werden bei Umsetzung dieses Alternativvor-
schlages Personen mit einer unterdurchschnittlichen Entgeltposition unabhän-
gig von der Art der Ausbildung nicht schlechter gestellt. Dies kommt überwie-
gend Frauen zugute, die häufiger als Männer eine unterdurchschnittliche
Entgeltposition aufweisen.
Lehrzeiten können – vor allem im FRG-Bereich – teilweise nur glaubhaft ge-
macht werden. In diesen Fällen sieht § 22 Abs. 3 FRG die Kürzung um ein
Sechstel vor. Dies muss auch bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung be-
achtet werden. Bisher war dies durch § 263 Abs. 3 SGB VI gewährleistet.
Diese Vorschrift ist aber – ohne Regelung für Zeiten der Berufsausbildung –
neu gefasst worden. Die Regelungen zur beruflichen Ausbildung in § 263
Abs. 5 und 6 SGB VI erfassen nicht diesen Personenkreis.

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