BT-Drucksache 15/2581

Nationale Küstenwache schaffen

Vom 3. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2581
15. Wahlperiode 03. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Max Stadler, Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Dieter Thomae, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Nationale Küstenwache schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Empfehlung Nr. 1 der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“,
eine Seewache unter Zusammenschluss der auf See tätigen Dienste des Bundes
einzurichten, ist bisher nicht von der Bundesregierung umgesetzt worden.
Gemäß dem von Deutschland ratifizierten International Ship and Port Facility
Security Code (ISPS-Code) muss die Bundesregierung zur Stärkung der mari-
timen Sicherheit und zur rechtzeitigen Erkennung und Prävention von terroris-
tischen Akten gegen die Schifffahrt bis zum 1. Juli 2004 der International Mari-
time Organisation (IMO) einen nationalen Point of Contact melden, der in
Deutschland für die Fragen und Koordinierung von Schiffssicherheitsfragen
zuständig ist. Diese neue Meldestelle sollte zusammengefasst werden mit ande-
ren Meldestellen.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine nationale Küstenwache als neue
selbstständige Bundesoberbehörde zu schaffen. Die Zusammenführung der ver-
schiedenen Kompetenzen unterschiedlicher Ministerien erfordert eine Neustruk-
turierung der Fach- und Rechtsaufsicht.
Eine nationale Küstenwache soll in drei Schritten realisiert werden:
1. Schritt: Bündelung der infrage kommenden Bundeszuständigkeiten
– Das Havariekommando und der Koordinierungsverbund Küstenwache

gehen auf in der neuen Küstenwache mit einem zentralen Lagezentrum. Die
neue Küstenwache wird der IMO als Point of Contact benannt.

– Die neue Küstenwache ist räumlich zunächst zuständig für die Ausschließ-
liche Wirtschaftszone.

Drucksache 15/2581 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Die neue Küstenwache ist sachlich für den gesamten Bereich Erforschung
und Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffs-
verkehrs zuständig, sowie für die Abwehr externer Gefahren für den Seever-
kehr und die Umwelt. Die neue Küstenwache übernimmt die Aufgaben des
Bundesgrenzschutzamtes See, der Fischereiaufsicht und der Zollkontrolle zu
See. Weitere Aufgaben sind die Einhaltung und Überwachung nationaler
und internationaler Gesetze (z. B. Hafenstaatkontrolle).

– Die strom- und schifffahrtspolizeilichen Aufgaben der Wasser- und Schiff-
fahrtsverwaltung werden auf die Küstenwache übertragen, ebenso die Auf-
gaben der Rechtsdezernate, die sich mit ordnungs- und schifffahrtspolizei-
lichen Aufgaben befassen. Die Verkehrszentralen der Nord- und Ostsee sind
in die neue Küstenwache zu integrieren.

– Sicherstellung der Kooperation mit der Bundesmarine zur Abwehr terroris-
tischer Gefahren.

2. Schritt: Einbeziehung der Wasserschutzpolizeien der Länder
– Mit den Ländern sind entsprechende Verhandlungen aufzunehmen.
– Zumindest die den Ländern übertragenen schifffahrtspolizeilichen Aufgaben

im Küstenmeer sollten auf die neue nationale Küstenwache übergehen (§ 1
Nr. 2 SeeAufgG).

3. Schritt: Einbeziehung der Häfen
– Mit den Ländern sind hierzu entsprechende Gespräche zu führen. Ziel muss

die Einbeziehung des ISPS-Codes für Hafenanlagen sein.
– Daneben ist vor allem auch ein Notliegekonzept zu erarbeiten, das die Vor-

haltung sinnvoll verteilter Infrastruktur zur Bekämpfung von Unfällen aller
Art vorsieht. Dazu sind die vorhandenen Notliegeplätze auszuweiten.

Bei allen Maßnahmen ist zu gewährleisten, dass eine nationale deutsche Küs-
tenwache ohne Probleme in eine ggf. später folgende europäische Küstenwache
integriert werden kann.

Berlin, den 2. März 2004
Hans-Michael Goldmann
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Max Stadler
Rainer Funke
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger

Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Claudia Winterstein

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2581

Begründung
Bereits zum Jahreswechsel 1992/93 gab es eine interfraktionelle Initiative im
Deutschen Bundestag, mit dem Ziel eine nationale Küstenwache zu schaffen. In
den letzten 11 Jahren gab es nicht nur das Pallas-Unglück mit den daraus resul-
tierenden 24 Empfehlungen der Grobecker-Kommission, die unter anderem die
Einrichtung einer Seewache forderte, sondern auch die Landtage von Schleswig-
Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben sich für die Einrichtung einer
solchen Küstenwache ausgesprochen und ihre Bereitschaft signalisiert, Länder-
kompetenzen für eine solche Küstenwache an den Bund abzugeben.
Es ist jetzt an der Zeit, endlich die notwendigen Schritte einzuleiten. Es darf
nicht erst die nächste Katastrophe abgewartet werden. Die Erfahrungen der
letzten Monate haben außerdem gezeigt, dass der Schritt, den die Bundesregie-
rung mit der Schaffung des Havariekommandos gegangen ist, nicht ausrei-
chend ist. Trotz aller gegenteiligen Versicherungen ist das Havariekommando
nach wie vor auf den guten Willen aller Beteiligten angewiesen. Gesetzliche
Bestimmungen über die Kompetenzen des Havariekommandos und Regelun-
gen etwa zu Haftungsfragen sind nicht getroffen worden. Es wurde lediglich
ein Vertragswerk zur gegenseitigen Amtshilfe geschaffen. Noch immer werden
von Beteiligten zu lange Meldewege und unklare Kompetenzen beklagt (s. a.
Bericht und Kommentar in Bremer Nachrichten vom 31. Dezember 2003).
Auch die Bemühungen um einen Koordinierungsverbund mit dem Ziel, die
Einsätze der auf See zuständigen Abteilungen der unterschiedlichen Bundes-
ministerien und der Wasserschutzpolizeien besser zu verknüpfen, sind nicht
überzeugend gewesen.
Eine nationale Küstenwache bietet die Chance, effizienten Küstenschutz zu
betreiben, bei dem es im Unglücksfall nicht erst lange Koordinierungsschwie-
rigkeiten gibt und kein Kompetenzwirrwarr entstehen kann. Eine effiziente
Personalverwaltung wird auf diesem Weg ebenso sichergestellt wie auch ein
effizientes Beschaffungswesen. Doppelarbeit und unnötige Beschaffungen wer-
den auf diesem Weg vermieden.
Dort wo es wirtschaftlich sinnvoll und rechtlich möglich ist, soll die neue natio-
nale Küstenwache Aufgaben von Dritten durchführen lassen, wie etwa derzeit
schon bei den Notfallschleppern in Nord- und Ostsee.
Eine Bundesbehörde, bei der die küstenschutzrelevanten Aufgaben von Bund
und Bundesländern zusammengefasst werden, sichert einheitliche Standards
für die Schifffahrt und eine faire Lastenteilung, denn von sicheren Zufahrtswe-
gen zu See profitieren nicht nur die Küstenländer, sondern alle Länder der Bun-
desrepublik Deutschland.

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