BT-Drucksache 15/2423

Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sicherstellen

Vom 28. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2423
15. Wahlperiode 28. 01. 2004

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen),
Eberhard Otto (Godern), Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
In der Einleitung zum Bundesverkehrswegeplan 2003 heißt es: „Der vorlie-
gende BVWP 2003 macht deutlich, dass die Substanzerhaltung und der not-
wendige bedarfsgerechte Ausbau der Verkehrsinfrastruktur weiterhin große
Anstrengungen erfordern. Die Bundesregierung hat diese Herausforderung an-
genommen: Investitionen von jährlich rund 10 Mrd. Euro verbessern nicht nur
die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur. Sie schaffen und sichern vor allem
Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und in den damit verbundenen Wirtschafts-
zweigen.“
Diese Feststellung der Bundesregierung verdeutlicht die Bedeutung von ausrei-
chenden Infrastrukturinvestitionen. Inzwischen steht demgegenüber fest, dass
auch im Jahr 2004 keine oder nur sehr geringe Mautmittel fließen werden. Die
Mautausfälle werden sich im Jahr 2004 auf über 2 Mrd. Euro belaufen. Hinzu
kommen die noch aus dem Jahr 2003 resultierenden Mautausfälle sowie die so
genannte Schmidt-Milliarde, also eine globale Minderausgabe für die Rente,
die für den Verkehrsbereich in Höhe von etwa 250 Mio. Euro zu Buche schlägt.
All dies gefährdet die Finanzierung der notwendigen Infrastrukturinvestitionen
im Jahr 2004 und auch darüber hinausgehend im höchsten Maße. Auch die da-
mit verbundenen Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sind in Gefahr. Obendrein
gerät der Bundeshaushalt bei weiteren Investitionskürzungen in noch größere
und verfassungsrechtlich problematische Schieflage, was das Verhältnis zwi-
schen konsumtiven und investiven Ausgaben betrifft. Noch nie war der Investi-
tionsanteil des Bundeshaushaltes so niedrig wie heute.
Kürzungen von Infrastrukturinvestitionen, vor allem beim Straßenbau, sind
auch deshalb unakzeptabel, weil die Steuerlast auf den Straßenverkehr seit
1998 von 36 Mrd. Euro auf fast 50 Mrd. Euro in 2004 erhöht wurde – die Maut

Drucksache 15/2423 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

noch nicht mitgerechnet. Das bedeutet: 2004 stehen einer Abgabenlast auf den
Straßenverkehr von fast 50 Mrd. Euro weniger als 5 Mrd. Euro Investitionsaus-
gaben in die Bundesfernstraßen gegenüber – wenn die Maut fließen würde.
Damit werden weniger als 10 Prozent der aus dem Straßenverkehr erzielten
Steuern für den Straßenbau verwendet.
Die Tatsache, dass die Mauteinnahmen vorläufig nicht zur Verfügung stehen,
muss die Bundesregierung zum Anlass nehmen, den Verstoß gegen den im letz-
ten Frühjahr mit dem Bundesrat und dem Deutschen Bundestag ausgehandelten
„Mautkompromiss“ zu korrigieren. Damals wurde vereinbart, die Mauteinnah-
men „zusätzlich“ für Infrastrukturinvestitionen zu verwenden. Die Verwendung
der Mauteinnahmen für eine Aufstockung der Investitionsmittel, war somit die
Grundbedingung für eine Abgabenerhöhung durch die Maut. Unter Verstoß
gegen diese Vereinbarung sieht die Investitionsplanung der Bundesregierung
aber vor, in Höhe der Mauteinnahmen steuerfinanzierte durch mautfinanzierte
Investitionen zu ersetzen. Insofern ist die Lkw-Maut nur eine Art Steuer und
eine zusätzliche Einnahmequelle für den Bundesminister der Finanzen, Hans
Eichel. Der Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung ist damit
nicht überzeugend eingeleitet. Nachdem nun die Mautmittel nicht zur Verfü-
gung stehen, muss die Bundesregierung von der Kürzung der steuerfinanzierten
Investitionen Abstand nehmen.
Das jetzige, zusätzliche Finanzierungsdefizit beruht auch darauf, dass der Be-
treibervertrag für den Bund nachteilig ausgestaltet ist. Mit der Vertragsstrafe
wurde gleichzeitig ausdrücklich eine weitergehende Haftung von Toll Collect
ausgeschlossen. Üblich und angemessen wäre umgekehrt die Klarstellung ge-
wesen, dass weitergehende Schadensersatzansprüche bei Verzug unberührt
bleiben. Toll Collect wurde jedoch für die ersten vier Monate ganz von der
Haftung freigestellt und muss dann zunächst lediglich 0,25 Mio. Euro, später
0,5 Mio. Euro Vertragsstrafe pro Tag zahlen, während der Schaden für den
Bund das Zwanzigfache, nämlich über 5 Mio. Euro pro Tag beträgt. Diese Haf-
tungsprivilegierungen belegen eindeutig, dass der Starttermin September 2003
von Anfang an unsicher war. Offenkundig haben die Beteiligten selber nicht an
diesen Starttermin geglaubt. Trotzdem hat die Bundesregierung die Mautein-
nahmen fest im Haushalt eingeplant und damit Einnahmen verplant, die über-
haupt nicht feststanden. Gleichzeitig hat die Bundesregierung den normalen,
steuerfinanzierten Investitionsetat um über 2 Mrd. Euro gekürzt – mit allen Fol-
gen für den Verkehrswegebau und die Bauwirtschaft.
Um die Investitionen in der notwendigen Höhe zu gewährleisten, ist zunächst
eine Mittelbereitstellung durch Umschichtungen im Bundeshaushalt zu Lasten
konsumtiver Ausgaben notwendig. Da die Mauteinnahmen entgegen ihrer Na-
tur wie Steuereinnahmen behandelt werden sollten, dürfen die Mautausfälle
nicht alleine dem Einzelplan 12 (Verkehrsetat) zugerechnet werden. Vielmehr
müssen die Mindereinnahmen durch konsumtive Minderausgaben kompensiert
werden.
Ferner muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass eine Kreditaufnahme
durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) in maastricht-
konformer Weise ermöglicht wird. Dazu ist erforderlich, durch Änderung des
VIFG-Gesetzes die Mauteinnahmen im Sinne einer echten, zweckgebundenen
Nutzerfinanzierung unmittelbar – nicht über den Umweg des Hauhalts – der
VIFG zuzuweisen. Außerdem muss die VIFG, entsprechend dem Vorschlag der
„Pällmann-Kommission“, zu einer echten Betreibergesellschaft weiterent-
wickelt werden. Ohne eine unmittelbare Zuweisung der künftigen Mauteinnah-
men und ohne eine gewisse unternehmerische Selbständigkeit der VIFG wäre
eine Kreditaufnahme der VIFG eine Schattenhaushaltsbildung, nach der diese
Schulden bei der Berechnung der „Maastrichtgrenze“ der Bundesschuld zuzu-
rechnen wären. Eine Bürgschaft durch das Maut-Konsortium kann das

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2423

„Maastricht-Problem“ nicht lösen, denn die VIFG würde insgesamt nicht als
am Markt agierende Einrichtung gewertet, sondern als dem öffentlichen Sektor
zugehörig. Deshalb würden alle Schulden der VIFG der öffentlichen Hand zu-
gerechnet.

Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die laut Bundesverkehrswegeplan 2003 zur Substanzerhaltung und zum not-

wendigen, bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur erforder-
lichen Investitionsmittel in Höhe von 10 Mrd. Euro im Jahr 2004 sicherzu-
stellen;

2. zunächst durch Umschichtungen im Bundeshaushalt in Höhe von 1 Mrd. Euro
konsumtive Ausgaben zu kürzen und damit die Mautausfälle teilweise aus-
zugleichen;

3. ein Konzept zur maastrichtkonformen Kreditfähigkeit der Verkehrsinfra-
strukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) vorzulegen, dass die Weiterent-
wicklung der VIFG zur echten Betreibergesellschaft beinhaltet;

4. die Erweitung der privatwirtschaftlicher Finanzierungs- und Beteiligungs-
modelle für Bundesverkehrswege sowie die Ausdehnung der Anwendungs-
möglichkeiten der sog. A-Modelle und F-Modelle vorzubereiten und einen
entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen;

5. die Mautmittel, sobald sie tatsächlich fließen, „zusätzlich“ im Sinne des
zwischen Bundesregierung und Bundesrat im Frühjahr 2003 ausgehandelten
Mautkompromisses für Investitionen zu verwenden, also die jährlichen In-
vestitionsmittel auf über 12 Mrd. Euro zu steigern.

Berlin, den 28. Januar 2004
Horst Friedrich (Bayreuth)
Joachim Günther (Plauen)
Eberhard Otto (Godern)
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch

Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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