BT-Drucksache 15/2221

Verwertung von Altöl nach der Altölverordnung

Vom 10. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2221
15. Wahlperiode 10. 12. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Verwertung von Altöl nach der Altölverordnung

Mit Urteil vom 9. September 1999 (Rechtssache C-102/97) hatte der Europäi-
sche Gerichtshof (EuGH) festgestellt, „dass die Bundesrepublik Deutschland
dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 75/439/
EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung (ABl. L 194,
S. 23) in der Fassung der Richtlinie 87/101/EWG des Rates vom 22. Dezember
1986 (ABl. 1987, L 42, S. 43) verstoßen hat, dass sie der stofflichen Verarbei-
tung von Altöl keinen Vorrang gegenüber der thermischen Verarbeitung einge-
räumt hat, obwohl dem keine technischen, wirtschaftlichen oder organisatori-
schen Sachzwänge entgegenstanden“.
In Reaktion auf das EuGH-Urteil hatte die Bundesregierung zur Umsetzung der
genannten Altölrichtlinie eine Novelle der deutschen Altölverordnung erarbei-
tet, in der der Vorrang der Aufarbeitung von Altöl zu Basisöl rechtlich festge-
schrieben wurde. Die Neufassung der Altölverordnung ist nach Zustimmung
von Bundesrat und Bundestag am 1. Mai 2002 in Kraft getreten. Dabei vertrat
die Bundesregierung die Auffassung, dass neben der rechtlichen Förderung der
Aufarbeitung von Altöl zu Basisöl, die Aufarbeitung zusätzlich wirtschaftlich
gefördert werden müsse. Sie erließ demzufolge eine „Richtlinie zur Förderung
der Basisölproduktion aus Altöl“. Unter Inanspruchnahme der im Bundeshaus-
halt vorgesehenen Mittel sieht diese Richtlinie die Subventionierung der Auf-
arbeitung von Altöl zu Basisöl für einen Zeitraum von 7 Jahren vor.
Unter ökologischen Gesichtspunkten war dieses Vorgehen fragwürdig, da nach
der Studie „Ökologische Bilanzierung von Altölverwertungswegen“ des Um-
weltbundesamts (UBA) vom Februar des Jahres 2000 insgesamt kein eindeuti-
ger Vorteil eines Verwertungsverfahrens gegenüber den anderen Verfahren aus
der Ökobilanz abgeleitet werden kann und sich eine eindeutige Rangfolge der
Verwertungsverfahren aus den betrachteten Parametern nicht ableiten lies.
Demnach war auch die Zielrichtung der europäischen Altölrichtlinie infrage zu
stellen.

Drucksache 15/2221 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Im Widerspruch zum Ziel der Altölverordnung und der genannten Förderricht-
linie wird in Deutschland das Angebot an aufzuarbeitendem Altöl durch das
Steuerrecht im Ergebnis verknappt. Auf Altöl als solches wird keine Steuer
erhoben, daher ist es wirtschaftlich interessant, Altöl anstelle von Heizöl als
Brennstoff einzusetzen. Nach der Entscheidung 2001/224/EG des Rates vom
12. März 2001 über Verbrauchsteuerermäßigungen und -befreiungen für Mine-
ralöle, die zu bestimmten Zwecken verwendet werden (ECOFIN-Beschluss)
endet die Steuerbefreiung für Altöl, das als Heizstoff verwendet wird, grund-
sätzlich mit Ablauf des Jahres 2006. Nach einem Erlass des Bundesministers
der Finanzen vom 2. Februar 1998, III A 1 V 0355 10/97 – „Heizerlass“ – wird
auch beim Einsatz von Heizöl in der Zementindustrie zur Zementherstellung
keine Steuer erhoben. Damit wird von § 4 Abs. 1 Nr. 2b Mineralölsteuergesetz
(MinöStG) abgewichen, wonach Mineralöl dann steuerfrei verwendet werden
darf, wenn es nicht verheizt wird. Diesbezüglich hat die EU-Kommission
Deutschland vor dem EuGH verklagt (Rechtssache C-240/01).
Am 27. Oktober 2003 haben die EU-Umweltminister eine Richtlinie für die
Harmonisierung der Energiesteuern verabschiedet (Richtlinie 2003/96/EG des
Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rah-
menvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem
Strom). Diese schreibt vor, dass grundsätzlich auf alle Energieträger Mindest-
steuersätze erhoben werden müssen, wenn sie als Kraftstoffe oder Brennstoffe
verwendet werden. Ausgeklammert vom Geltungsbereich der Richtlinie bleibt
die Verwendung von Energie als Rohstoff und z. B. die Verwendung der Ener-
gieerzeugnisse für mineralogische Verfahren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Mitgliedstaaten der EU haben die Altölrichtlinie bisher umgesetzt?
2. Welche Instrumente haben die umsetzenden Mitgliedstaaten jeweils gewählt

(rechtliche und/oder wirtschaftliche Privilegierung), um der Aufarbeitung
von Altöl zu Basisöl Vorrang einzuräumen?

3. Wie viel Altöl wurde bzw. wird jährlich vor und nach dem 1. Mai 2002 in
Deutschland und der EU jeweils stofflich und wie viel wird thermisch ver-
wertet (prozentual und in absoluten Zahlen)?

4. Wie viel des in Verkehr gebrachten Öls wurde bzw. wird jährlich vor und
nach dem 1. Mai 2002 in Deutschland und der EU jeweils stofflich und wie
viel wird thermisch verwertet (prozentual und in absoluten Zahlen)?

5. Wie viel des in Deutschland und der EU jeweils in Verkehr gebrachten Öls
wurde bzw. wird jährlich vor und nach dem 1. Mai 2002 als Altöl gesammelt
(prozentual und in absoluten Zahlen)?

6. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen EU-Mitgliedstaaten
Sachzwänge gemäß Artikel 3 Abs. 1 der Altölrichtlinie geltend gemacht, die
einer Aufarbeitung entgegenstehen, und wenn ja, welche sind dies im Ein-
zelnen?

7. Wird die Anerkennung der Sachzwänge nach Kenntnis der Bundesregierung
in den Mitgliedstaaten einheitlich gehandhabt?

8. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland Sachzwänge
gemäß § 2 Abs. 1 der Altölverordnung geltend gemacht, die einer Aufarbei-
tung entgegenstehen, und wenn ja, welche sind dies im Einzelnen?

9. Wird die Anerkennung der Sachzwänge nach Kenntnis der Bundesregierung
in Deutschland einheitlich gehandhabt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2221

10. Haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung durch den Vollzug der
Altölverordnung die Verwertungswege des Altöls verändert?

11. Sind der Bundesregierung Vollzugsprobleme hinsichtlich der Altölverord-
nung bekannt, und wenn ja, welche sind dies?

12. Wie viele Altölsammelunternehmen liefern nach Kenntnis der Bundes-
regierung Altöle der Sammelkategorie 1 (gemäß Anlage 1 der Altölverord-
nung) ausschließlich an Altölraffinerien?

13. Erhält der Abfallerzeuger nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils eine
Bestätigung dafür, dass sein Altöl der Sammelkategorie 1 (gemäß Anlage 1
der Altölverordnung) der Aufarbeitung zu Basisöl zugeführt worden ist,
und wenn nein, warum nicht?

14. Welche Auswirkungen hat die Förderrichtlinie der Bundesregierung auf die
Mengen des Altöls, die zu Basisöl aufgearbeitet wurden?

15. Hat die Förderrichtlinie die Entwicklung neuer Verfahren initiiert und zu
Investitionen im Bereich der Aufarbeitung geführt, und wenn ja, welche
sind dies?

16. Werden Mittel, die nach Maßgabe der Förderrichtlinie zur Verfügung ste-
hen, tatsächlich ausgeschöpft, und wenn nein, warum nicht?

17. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung aufgrund der Erkenntnisse aus
der Ökobilanz des UBA unternommen, um eine Änderung der EU-Altöl-
richtlinie zu erreichen?

18. Liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse zur ökologischen Bewer-
tung der Altölaufarbeitung vor, die eine Überarbeitung der öko-bilanziellen
Studie des UBA aus dem Jahr 2000 angebracht erscheinen lassen, und
wenn ja, welche sind dies?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass neue Motoren-
generationen und verschärfte Abgasvorschriften zu einem steigenden Ein-
satz von mit Additiven versehenen synthetischen Ölen führen und Altöl
damit durch den steigenden Anteil synthetischer Komponenten – z. B. Ad-
ditive für hohe Laufleistung – in den Primärschmierstoffen im Falle der
Aufarbeitung einen höheren Marktwert als früher hat, jedoch der Markt-
wert des Altöls als Brennstoff gleich bleibt?

20. Wie bewertet die Bundesregierung Meinungen, wonach die Aufarbeitung
von synthetischen Altölen ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, weil
z. B. der Energiebedarf zur Herstellung synthetischer Öle aus Roh-/
Frischöl vergleichsweise hoch ist?

21. Sind der Bundesregierung Altölrecyclingverfahren bekannt, mittels derer
Basisölqualitäten produziert werden, die steigende Qualitätsanforderungen
an Schmierstoffe (z. B. bezüglich Schwefel-, Phosphor-, Aromatengehalt)
erfüllen, und wenn ja, wie bewertet sie diese aus ökologischer Sicht?

22. Trifft es zu, dass die mineralogische Industrie (Zementwerke, Kalkwerke,
Glaswerke) zukünftig generell von der Energiesteuer befreit werden soll
und somit weiterhin steuerfrei auch Altöl für die Gewinnung von Energie
einsetzen kann, und wenn ja, welches sind die Gründe hierfür?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der europäischen
Richtlinie zur Harmonisierung der Energiebesteuerung auf den Altölmarkt,
insbesondere vor dem Hintergrund des ECOFIN-Beschlusses, wonach die
Mineralölsteuerbefreiung von Altöl beim Einsatz in der mineralischen In-
dustrie ab 2006 auslaufen soll?

24. Wie wird die Bundesregierung den Konflikt (angestrebtes Auslaufen der
Mineralölsteuerbefreiung einerseits und Ausnahme des Einsatzes von

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Energieerzeugnissen vom Regelungsbereich der Harmonisierungsrichtlinie
für mineralogische Verfahren andererseits) für Deutschland lösen, insbe-
sondere soll nach Auffassung der Bundesregierung Altöl ebenso besteuert
werden wie Heizöl?

25. Welche Auswirkung hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die so
genannte ökologische Steuerreform auf die Entwicklung der Altölpreise?

26. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für eine
Tonne Altöl in den jeweiligen Mitgliedstaaten der EU?

27. Ist der Bundesregierung bekannt, wie sich die Altölpreise zusammenset-
zen, insbesondere in Frankreich im Vergleich zu Deutschland?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die deutsche
Altölindustrie (Zweitraffination) gegenüber den Konkurrenten in anderen
EU-Mitgliedstaaten, insbesondere den Konkurrenten aus Italien und Frank-
reich, hinsichtlich der sehr stark unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen
für die jeweils nationale Altölindustrie im Wettbewerb benachteiligt ist,
insbesondere unter Berücksichtigung des einheitlichen europäischen und
des Weltschmierstoffmarkts?

Berlin, den 20. November 2003
Birgit Homburger
Angelika Brunkhorst
Michael Kauch
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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