BT-Drucksache 15/2030

Novelle Fluglärmgesetz und Umsetzung von EU-Richtlinien

Vom 12. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2030
15. Wahlperiode 12. 11. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Friedrich (Bayreuth), Otto Fricke,
Birgit Homburger, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Rainer Funke,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Christoph Hartmann
(Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Marita
Sehn, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Novelle Fluglärmgesetz und Umsetzung von EU-Richtlinien

Das geltende Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) stammt aus dem
Jahr 1971 und ist seit dem unverändert geblieben. Die Grenzwerte des Gesetzes
beruhen dabei teilweise auf Untersuchungen aus den 1950er-Jahren und ent-
sprechen daher nicht mehr den heutigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsfor-
schung. Vor diesem Hintergrund hat sich bereits Richterrecht herausgebildet,
das diesem Umstand Rechnung trägt. Daher ist eine Novellierung der derzeiti-
gen Gesetzeslage notwendig. Auch von den Betreibern der deutschen Verkehrs-
flughäfen wird dies grundsätzlich so gesehen, um Rechtssicherheit zu erlangen.
Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang eine Änderung des geltenden
Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und damit eine neue Festlegung der Lärmwerte
für das fachplanungsrechtliche Zulassungsverfahren angezeigt.
Seit Mai 2000 sind die Eckpunkte einer Novelle des FluglärmG auf der Inter-
netseite des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (BMU) veröffentlicht. Danach sollen u. a. der Anwendungsbereich des
FluglärmG ausgeweitet, das Berechnungsverfahren modifiziert, die Grenzwerte
für die Festlegung der Schutzzonen bei Verkehrs- und Militärflughäfen redu-
ziert und Nachtschutzzonen eingerichtet werden. Des Weiteren ist vorgesehen,
Regelungen für eine ausgeweitete Unterrichtung der Bürger und eine stärkere
Einbindung von Vertretern der Betroffenen in Beratungs- und Entscheidungs-
gremien in das Luftverkehrsrecht aufzunehmen. Darüber hinaus sollen bei der
Novelle des FluglärmG auch Betriebszeiteinschränkungen für laute Verkehrs-
flugzeuge im Luftverkehrsrecht festgelegt werden. Daneben ist geplant, dass
ein generelles Verbot nächtlicher Starts und Landungen für Verkehrsflugzeuge
eingeführt wird, die nicht auf der Bonusliste für besonders lärmgeminderte Ver-
kehrsflugzeuge stehen. Eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung liegt aber
bislang nicht vor.
Derweil hat die Europäische Union zwei Richtlinien erlassen, die den Fluglärm
betreffen. Mit der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25. Juni 2002 „über die Bewertung und Bekämpfung von Umge-

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bungslärm“ sind Vorgaben für Strategien zur Lärmminderung im Rahmen sog.
Aktionspläne entstanden. Danach sollen für Gebiete um Großflughäfen Lärm-
karten zur Darstellung der Belastungssituation erarbeitet und unter Anhörung
der Öffentlichkeit Aktionspläne zur Lärmminderung entwickelt werden. Die
Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26. März 2002 „über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschrän-
kungen auf Flughäfen der Gemeinschaft“ sieht u. a. vor, bei Flughäfen mit
Lärmproblemen Betriebsbeschränkungen und Betriebsverbote für alte und be-
sonders laute Flugzeuge zu erlassen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Wann und in welcher Form plant die Bundesregierung die Umsetzung der

Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
25. Juni 2002 „über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungs-
lärm“, deren Frist zur Umsetzung am 18. Juli 2004 abläuft?

b) Welche konkreten Veränderungen ergeben sich durch den Regelungs-
gehalt dieser Richtlinie für den Fluglärmschutz in der Bundesrepublik
Deutschland gegenüber der bisherigen Rechtslage?

c) Welcher Nutzen ergibt sich hierdurch für die Bürgerinnen und Bürger im
Umfeld von Verkehrsflughäfen?

d) Welche Kosten entstehen den deutschen Behörden und den Betreibern
deutscher Verkehrsflughäfen infolge der Richtlinienumsetzung?

e) Welche deutschen Verkehrsflughäfen sind von der Umsetzung der EU-
Richtlinie betroffen, d. h. welche verfügen über mehr als 50 000 Flug-
bewegungen im Jahr?

f) Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für die Umsetzung der in
der Richtlinie vorgesehenen ausgeweiteten Bürgerbeteiligung?

g) Inwieweit werden bestehende Lärmkarten und Lärmminderungspläne der
Städte und Gemeinden bei der Richtlinienumsetzung berücksichtigt?

2. a) Wann und in welcher Form plant die Bundesregierung die Umsetzung der
Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26. März 2002 „über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebs-
beschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft“, deren Frist zur Um-
setzung am 28. September 2003 abgelaufen ist?
Warum ist eine Umsetzung bislang unterblieben?

b) Welche konkreten Veränderungen ergeben sich durch den Regelungs-
gehalt dieser Richtlinie für den Luftverkehr in der Bundesrepublik
Deutschland gegenüber der bisherigen Rechtslage?

3. Wann plant die Bundesregierung, ein Gesetzgebungsverfahren zur Novellie-
rung des FluglärmG einzuleiten?

4. Hat das Umweltbundesamt dem BMU zwischenzeitlich Modellrechnungen
geliefert, welche vom geltenden FluglärmG nicht erfassten Flugplätze nach
den auf der Internetseite des BMU dargestellten Eckpunkten der Novelle
künftig in den Anwendungsbereich des FluglärmG fallen würden?
Wenn ja, um welche Flugplätze handelt es sich hierbei?

5. a) Welche Auswirkungen haben die auf der Internetseite des BMU vor-
geschlagenen Änderungen des Äquivalenzfaktors in Verbindung mit der
Absenkung der Grenzwerte auf die Größe der Schutzzonen 1 und 2 der
einzelnen deutschen Verkehrsflughäfen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2030

b) Wie viele Bürgerinnen und Bürger würden hierdurch zusätzlich in die
Schutzzonen einbezogen?

c) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Betreiber der
deutschen Verkehrsflughäfen durch die Ausweitung der Schutzzonen 1
und 2, die sich bei Umsetzung der veröffentlichten Eckpunkte ergeben
würden?

6. a) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Betreiber der
deutschen Verkehrsflughäfen durch die vom BMU veröffentlichten Eck-
punkte zur Einführung von Nachtschutzzonen und den daraus resultie-
renden Anspruch auf Erstattung der Kosten für belüfteten Schallschutz?

b) Welche Flughäfen wären von der Einführung betroffen?
c) Wie viele Bürgerinnen und Bürger würden bei Umsetzung der Eck-

punkte in entsprechende Nachtschutzzonen einbezogen?
7. a) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die öffentlichen

Haushalte bei Umsetzung der veröffentlichten Eckpunkte im Hinblick
auf die Militärflugplätze und Luft-Boden-Schießplätze?

b) Wie viele Bürgerinnen und Bürger würden im Hinblick auf Militärflug-
plätze (inkl. Luft-Boden-Schießplätze) zusätzlich in Schutzzonen einbe-
zogen und welche Standorte der Bundeswehr wären hiervon betroffen?

8. a) Entsprechen die auf der Internetseite des BMU enthaltenen Grenzwerte
und Berechnungsmethoden den aktuellen Vorstellungen der Bundes-
regierung?

b) Hält es die Bundesregierung insbesondere für sachgerecht, den Dauer-
schallpegel nicht nach der tatsächlichen Verteilung von Starts bzw. Lan-
dungen auf die jeweilige An- und Abflugsrichtung, sondern nach der
maximal denkbaren Belastung in jede Richtung (sog. 100/100-Regel) zu
berechnen?

9. Plant die Bundesregierung auch die Verordnung über bauliche Schall-
schutzanforderungen (SchallschutzV i. V. m. § 7 FluglärmG) dem Stand
der Technik und den zu verändernden Grenzwerten anzupassen, und wenn
ja, wie?

10. Wird die Bundesregierung bei der Novellierung des FluglärmG die in § 5
Abs. 3 FluglärmG a. F. enthaltenen Ausnahmen zum Bauverbot für Woh-
nungen innerhalb der Schutzzone 1 streichen?

11. Welche Änderungen des LuftVG, die die Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Angelika
Mertens, in ihrer Antwort vom 3. Januar 2003 auf die schriftliche Einzel-
frage 52 des Abgeordneten Holger Haibach auf Bundestagsdrucksache
15/347 andeutete, hat die Bundesregierung konkret im Blick, um den Flug-
lärm zu verringern oder für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger erträg-
licher zu machen?

12. Ist im Zusammenhang mit den angesprochenen Gesetzesänderungen auch
die Einführung eines Klagerechts von Betroffenenvertretern (sog. Ver-
bandsklage) im Luftverkehrsrecht geplant?

Berlin, den 12. November 2003

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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