BT-Drucksache 15/1699

Reform der Arbeitsstättenverordnung muss zu einem echten Bürokratieabbau für Unternehmen in Deutschland führen

Vom 15. Oktober 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1699
15. Wahlperiode 15. 10. 2003

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Dirk Niebel, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael
Goldmann, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Günther FriedrichNolting, Hans-JoachimOtto (Frankfurt), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Reform der Arbeitsstättenverordnung muss zu einem echten Bürokratieabbau
für Unternehmen in Deutschland führen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Bundesregierung hat am 2. September 2003 eine Neuregelung der Arbeits-
stättenverordnung beschlossen. Die Neureglung soll zu einer deutlichen Ver-
einfachung der bisher bestehenden Vorschriften und zu einer Befreiung der
Wirtschaft von unnötigen bürokratischen Lasten führen. Die neue Arbeits-
stättenverordnung soll statt bisher aus 58 nur noch aus 10 Paragrafen bestehen.
Die Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung geschieht im Rahmen der
Initiative Bürokratieabbau der Bundesregierung. Gleichzeitig will die Bundes-
regierung mit der Reform zwingende europäische Vorgaben umsetzen.
Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die vorgesehene Reform der
Bundesregierung nicht zu einem Bürokratieabbau für die Unternehmen führen
wird. Auf den ersten Blick erscheint eine Reduzierung der Verordnung auf nur
10 Paragrafen als eine echte Entschlackung. Dabei muss jedoch berücksichtigt
werden, dass im Anhang der neuen Verordnung weiterhin Detailregelungen auf
vielen Seiten festgeschrieben werden. Dieser Anhang gilt gemäß § 3 Abs.1 als
Bestandteil der Verordnung. Darüber hinaus soll ein neuer Ausschuss gebildet
werden, bestehend aus Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Wissen-
schaft und Behörden, der festlegt, wie die Arbeitschutzbestimmungen konkret
aussehen sollen. Bisher war dafür das Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit zuständig. Durch die Verlagerung der Zuständigkeit vom Ministerium
auf ein neues Gremium, wird weder Bürokratie abgebaut, noch werden Verfah-
ren beschleunigt. Vielmehr wird die Bürokratie auf eine neue Ebene delegiert,
von der nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie sich verselbständigt mit un-
absehbaren weiteren Lasten für die Wirtschaft. Sich im Bezug auf die weiterhin
bestehenden zahlreichen Detailregelungen hinter den angeblichen europäischen
Vorgaben zu verstecken, lässt die Tatsache unberücksichtigt, dass die Anforde-
rungen an die Arbeitsstätte an einigen Stellen der neuen Verordnung weit über

Drucksache 15/1699 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
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eine 1:1-Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien hinausgehen. Dies
trifft insbesondere für die geplante Ausweitung des Begriffs der Arbeitsstätte
auf den Privatbereich zu. § 2 Abs. 2 Nr. 1 der neuen Verordnung legt fest, dass
Arbeitsstätten Orte in Gebäuden und im Freien sind, die sich auf dem Gelände
eines Betriebes, einer Baustelle oder im Privatbereich befinden und die zur
Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. Die Erweiterung des Begriffs der
Arbeitsstätte auf den Privatbereich erweitert den Anwendungsbereich der
Arbeitsstättenverordnung wesentlich, die einen direkten Bezug auf das Unter-
nehmen oder den Betrieb vorsieht und geht über die bisherige Begriffsbestim-
mung hinaus. Dies wird für die Wirtschaft erhebliche organisatorische und
finanzielle Auswirkungen haben.
Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung muss die Wirtschaft in Deutschland
rund 70 000 Auflagen beachten. Als besondere Belastung wird dabei von den
Unternehmen die Auskunftspflicht bei der Erstellung von Statistiken empfun-
den. Steigende Bürokratiekosten lasten insbesondere auf kleinen und mittleren
Unternehmen. Durch die Novellierung der Arbeitsstättenverordnung wird die
Bürokratie ebenfalls nicht sinken. Aufgrund der nach wie vor bestehenden
zahlreichen Detailregelungen wird die neue Verordnung zu keiner spürbaren
Entlastung für die deutsche Wirtschaft führen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
unverzüglich einen neuen Entwurf für eine Novellierung der Arbeits-
stättenverordnung vorzulegen, der zu einer spürbaren Entlastung für Unterneh-
men in Deutschland und zu echtem Bürokratieabbau führt und der über eine
1:1-Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien nicht hinausgeht.

Berlin, den 14. Oktober 2003
Birgit Homburger
Dirk Niebel
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Christoph Hartmann (Homburg)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch

Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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