BT-Drucksache 15/1606

Vorbehaltserklärungen Deutschlands zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1606
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, Klaus Haupt, Sibylle
Laurischk, Marita Sehn, Ulrich Heinrich, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Michael Kauch,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard
Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Vorbehaltserklärungen Deutschlands zur Kinderrechtskonvention
der Vereinten Nationen

Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Ratifizierung der Kinderrechts-
konvention der Vereinten Nationen (VN) im Jahr 1992 nach Beteiligung der
Bundesländer Vorbehaltserklärungen abgegeben. Mehr als zehn Jahre seit der
Ratifizierung hält die Bundesregierung an ihren Vorbehaltserklärungen fest.
Die Vorbehalte beziehen sich insbesondere auf das familiäre Sorgerecht, die
Anwaltsvertretung von Kindern im Strafverfahren, die Altersgrenze bei Solda-
ten, sowie auf Rechte von allein reisenden Kindern. Im Rahmen der damaligen
Ratifizierung wurden die einzelnen Bundesländer von der Bundesregierung zu
Stellungnahmen gebeten und heute wird die Nichtrücknahme mit der Blocka-
dehaltung der Länder gegen die Rücknahme begründet.
Allerdings sind durch Änderungen im Familienrecht die diesbezüglichen Vor-
behalte teilweise gegenstandslos geworden. Auch im Licht des in der Ratifizie-
rung befindlichen Zusatzprotokolls zur VN-Kinderrechtskonvention über die
Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten, ist der Vorbehalt gegen-
über dem Mindestalter von 15 Jahren für die Rekrutierung von Soldaten obsolet
geworden.
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben schon vor ihrer Regierungsüber-
nahme immer wieder versprochen, dass sie die Vorbehalte gegenüber der VN-
Konvention zurücknehmen würden. Dies ist, selbst nachdem der Deutsche
Bundestag durch Beschlüsse vom 30. September 1999 und 8. März 2001 (Bun-
destagsdrucksachen 14/1681 und 14/4884) die Bundesregierung in der letzten
Legislaturperiode nachdrücklich aufforderte, die Vorbehaltserklärung zur VN-
Kinderrechtskonvention aufzuheben, nicht geschehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um den Wunsch des Deutschen

Bundestages umzusetzen und auf eine Aufhebung des Vorbehalts hinzu-
wirken?

Drucksache 15/1606 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Kann sich die Bundesregierung eine partielle Rücknahme der Vorbehalts-
erklärung vorstellen?
Wie sähe diese aus?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Bindungswirkung der Vorbehalts-
erklärung der Bundesregierung zur VN-Kinderrechtskonvention, die durch
den Deutschen Bundestag ohne Vorbehalte beschlossen wurden?

4. Handelt es sich bei der Vorbehaltserklärung der Bundesregierung um einen
Widerspruch zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregie-
rung?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Folgen der Nichtrücknahme der
Vorbehaltserklärung im Dialog mit kinderpolitischen Organisationen und
Verbänden?

6. Inwieweit spielt die VN-Kinderrechtskonvention in der juristischen Praxis
eine Rolle?

7. Wird nach Auffassung der Bundesregierung die VN-Kinderkonvention in
der Rechtsprechung angewandt und dabei auch die Vorbehaltserklärung
berücksichtigt?

8. Wie häufig wurde die VN-Kinderrechtskonvention in Deutschland ange-
wandt, und in welchen Fällen gab es einen Konflikt mit der Vorbehaltser-
klärung?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Vorbehaltserklärung der
Bundesregierung der Anwendung durch die Organe der Rechtsprechung
und Verwaltung der VN-Kinderrechtskonvention entgegenwirkt und die
Einhaltung ihrer rechtlichen Bindungswirkung erschwert?

10. Wie ist zu erklären, dass die Rücknahme der Vorbehaltserklärung offen-
sichtlich von der Zustimmung der Bundesländer abhängig gemacht wird?

11. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Vor-
behalte und der Kinderrechtskonvention aus dem Bundesverfassungsge-
richtsurteil (vom 29. Januar 2003, Az. 1 BvL 20/99) zur Sorgerechtsent-
scheidung nichtverheirateter Eltern (bezüglich Vorbehalt II)?

12. Wirken sich die Vorbehalte hinsichtlich der Versagung von Rechtsbeistand
für Jugendliche im Strafverfahren zur Aufklärung positiv oder negativ aus
(bezüglich Vorbehalt III a)?

13. Wie müsste das deutsche Recht geändert werden, um der Kinderkonven-
tion zu entsprechen, und wie wirkt sich diese Änderung organisatorisch
und finanziell aus?

14. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung, wenn Jugendlichen
im Strafverfahren die Überprüfung durch eine übergeordnete Behörde oder
höheres Gericht garantiert wird (bezüglich Vorbehalt III b)?

15. Erwartet die Bundesregierung durch eine Aufhebung der Vorbehalte einen
Anstieg der Anzahl von ausländischen Kindern in Deutschland (bezüglich
Vorbehalt IV)?

16. Wie hoch würde dieser nach Einschätzung der Bundesregierung ausfallen?
17. Welche Konfliktfälle zwischen den Vorbehalten und der Konvention im

Ausländerrecht hat es gegeben?
Wie wurden diese bisher juristisch entschieden?

18. Welche sonstigen Auswirkungen hätte die Rücknahme der Vorbehalts-
erklärung IV in Bezug auf die Zuwanderung nach Deutschland und die
diesbezügliche Rechtsprechung?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1606

19. Inwieweit ist der Vorbehalt bezüglich des Rekrutierungsalters Minder-
jähriger in Deutschland noch von Relevanz (bezüglich Vorbehalt V)?

Berlin, den 23. September 2003
Rainer Funke
Dr. Werner Hoyer
Klaus Haupt
Sibylle Laurischk
Marita Sehn
Ulrich Heinrich
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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