BT-Drucksache 15/1605

Energiespeicherforschung vorantreiben - Höchsttechnologien für die Speichertechnik entwickeln

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1605
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Birgit Homburger, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Christoph Hartmann (Homburg),
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Max
Stadler, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Energiespeicherforschung vorantreiben – Höchsttechnologien für die
Speichertechnik entwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Gewinnung von Energie aus unterschiedlichen nicht erschöpfbaren Ener-
giequellen und ihre feste Einbindung in verschiedenartige Energieversorgungs-
systeme wird sich erst dann wirtschaftlich und somit auch ohne marktferne Un-
terstützung durchsetzen, wenn die erzeugte Energie zuverlässig zur Verfügung
steht und – dem tatsächlichen Bedarf angepasst – kontinuierlich abgerufen wer-
den kann.
Bei der Bewertung der Einsatzmöglichkeiten der Erneuerbaren Energien im
Rahmen einer umfassenden Energieversorgung und des noch notwendigen
hohen Forschungsbedarfs kommt es darauf an, neben den Fragestellungen nach
der angestrebten Energieart, Energiequalität, Energiemenge, Energieverfügbar-
keit und -verlässlichkeit, auch solche nach dem Energietransport und der Ener-
giespeicherung zu beantworten.
Wenn Deutschland den Weg einer schrittweisen Erhöhung des Anteils Erneuer-
barer Energien konsequent und nutzbringend beschreiten will, muss es zugleich
die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ihre Einordnung völlig neu
definieren. Es geht dabei nicht nur um eine einseitige Einbindung der Erneuer-
baren Energien in sehr komplexe vorhandene Energieversorgungssysteme.
Vielmehr müssen, wenn diese Technologien neben der Deckung des Energiebe-
darfs ihren Beitrag für eine Spitzenstellung Deutschlands im Rahmen der welt-
weit führenden Höchsttechnologienationen erbringen sollen, zugleich die Vo-
raussetzungen für die entsprechenden Interpolationsmechanismen auf den
Weltmärkten geschaffen werden.
Ein wichtiger Schritt hierzu ist die Erforschung von neuen, hoch leistungsfähi-
gen Energiespeichern.
Hierzu muss, über die derzeit praktizierte anwendungsorientierte Forschung zur
Marktfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von bereits bekannten Energiespeicher-

Drucksache 15/1605 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

systemen (Ressortforschung) hinaus, die Grundlagenforschung, sowohl in der
Chemie, Physik, den Geowissenschaften, den Materialwissenschaften, der
Mathematik als auch in den Ingenieurwissenschaften, die notwendigen Voraus-
setzungen für eine breit angelegte interdisziplinäre Energiespeicherforschung
und somit zugleich für die Entwicklung von Höchsttechnologien zur Sicherung
des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Deutschland sowie einer zukunfts-
fähigen Energieversorgung schaffen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
1. der Energieforschung insgesamt, und damit auch der Forschung für inno-

vative Energiespeicher, eine angemessene Stellung in der Förderung der
Grundlagenforschung in den Großforschungseinrichtungen und in den Pro-
grammen einzuräumen;

2. die Forschungsprogramme für Erneuerbare Energien und innovative Spei-
chertechnologien nicht zu Lasten anderer zukunftsweisender Energie-
forschungsbereiche wie z. B. der Fusionsforschung und der kerntechnischen
Sicherheitsforschung zu erweitern;

3. die Förderung der Energiespeicherforschung nicht auf bestimmte zu spei-
chernde Energieformen, Speichermaterialien, -technologien und -verfahren
einzuengen, sondern den Forschungsgegenstand umfassend und interdiszip-
linär zu definieren;

4. im Rahmen ihrer Forschungsförderung durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung der Energiespeicherforschung, als Förderschwer-
punkt der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung, eine stärkere Ge-
wichtung zu geben, die in ihrer finanziellen Bemessung der Bedeutung
künftiger Energiespeichersysteme Rechnung trägt.

Berlin, den 8. September 2003

Begründung
Vor dem Hintergrund der endlichen Verfügbarkeit fossiler Primärenergieträger
und der mit ihrer Nutzung verbundenen weltweiten Steigerung der CO2-Emis-sionen, müssen die Erneuerbaren Energien künftig einen deutlich stärkeren
Beitrag zur Energieversorgung leisten. Bis auf die Wärme aus dem Erdinneren

Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Birgit Homburger
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)

Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1605

und die Gezeitenenergie der Weltmeere, sind sie direkt oder indirekt auf die
Strahlung der Sonne auf die Erde zurückzuführen. Die Sonneneinstrahlung
hängt aber sehr stark von jahres- und tageszeitlichen sowie geographischen
Kriterien ab.
Die durch Erneuerbare Energien gewonnene Energie steht uns weder konti-
nuierlich, noch bedarfsabhängig abrufbar zur Verfügung.
Für eine stabile Elektroenergieversorgung bedeutet das jedoch heute, eine Vor-
haltung von Leistungsreserven in Form von so genannten Regelenergien, will
man dem Risiko eines flächendeckenden Stromausfalls mit verheerenden Fol-
gen für die moderne Informationsgesellschaft entgegentreten.
Berechnungen des Verbandes der Energiewirtschaft (VDEW) haben ergeben,
dass z. B. für jedes neu installierte Windrad mit einer Leistung von 1 MW
0,9 MW an konventioneller Kraftwerksleistung zusätzlich neu gebaut werden
muss.
Windkraft-Anlagen kommen auf eine durchschnittliche Volllaststundenzahl an
Landstandorten von nur 2 000 Stunden und an Seestandorten von 2 500 Stun-
den pro Jahr. Herkömmliche Kohle- und Kernkraftwerke können im Gegensatz
hierzu auf 8 000 Stunden pro Jahr verweisen.
Allein bei der Stromproduktion soll der Anteil Erneuerbarer Energien in
Deutschland bis zum Jahr 2010 von derzeit 6,5 Prozent auf 12,5 Prozent Pro-
zent gesteigert werden. Bei diesem nationalem Ziel wird davon ausgegangen,
dass Strom aus Erneuerbaren Energien in Netze eingespeist und über diese ver-
teilt wird.
Da sich an den für die Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien geeigneten
Standorten nicht immer zugleich auch die Energieverbraucher befinden, sind
hohe Investitionen in die bundesweiten Stromnetze erforderlich.
Die sehr einseitige Nutzungsoption „Strom“ entspricht jedoch nicht dem tat-
sächlichen Potenzial der Erneuerbaren Energien und muss zwangsläufig zu
ökonomischen und ökologischen Ungleichgewichten zum Nachteil für die
Volkswirtschaft und der gesamten Gesellschaft führen.
Sollen Erneuerbare Energien in naher Zukunft in großem Rahmen genutzt wer-
den, so müssen sie zu einem gewissen Teil auch in eine lagerfähige und einfach
transportierbare Form mit hoher Energiedichte gebracht werden, um ihre der-
zeit zeitlich begrenzte Verfügbarkeit auszugleichen. Das gilt für alle Energie-
wandlungsprozesse aus Erneuerbaren Energien gleichermaßen, ganz gleich ob
aus ihnen elektrische, physikalische oder chemische Energie gewonnen werden
soll.
Der Einsatz der Erneuerbaren Energien sollte sich stärker als bisher am tatsäch-
lichen Bedarf orientieren und einen vielseitigen Beitrag zu dessen Deckung
leisten.
Bezogen auf den gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland steht die me-
chanische Energie mit 41 Prozent an der Spitze, gefolgt von der Raumwärme
mit 31 Prozent, der Prozesswärme mit 21 Prozent, der Warmwasserbereitung
mit 5 Prozent und dem Licht mit 2 Prozent. Private Haushalte verwenden die
ihnen zur Verfügung gestellte Energie zu 76 Prozent für die Raumwärme, zu
11 Prozent für die Warmwasserbereitung, zu 7 Prozent für mechanische Ener-
gie, zu 4 Prozent für Prozesswärme und nur zu 2 Prozent für Licht.
Eine derartige verbrauchsbezogene Betrachtungsweise fokussiert weniger auf
Erzeugung von elektrischer Energie und die damit verbundene zwangsläufige
Einspeisung in Stromnetze, sondern mehr auf dezentrale Anwendungsfelder.
Hierbei können die sehr unstet erzeugten Energien direkt in eine nutzbare End-

Drucksache 15/1605 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
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energie überführt werden, oder sie können gespeichert und bedarfsabhängig ge-
nutzt werden.
Es ist heute die vorherrschende Meinung, dass auch für ein nachhaltiges Ver-
kehrskonzept Erneuerbare Energien herangezogen werden müssen. Als Kraft-
stoff der Zukunft wird hier von Wasserstoff ausgegangen. Neben den verschie-
denartigsten Verfahren zur Erzeugung des Energieträgers Wasserstoff aus Er-
neuerbaren Energien und dessen Nutzung für Antriebstechnologien sind noch
lange nicht alle Speichermöglichkeiten von Wasserstoff erforscht.
Aber auch für künftiges Bauen und Wohnen sind Erneuerbare Energien, und
damit eng verbunden Höchsttechnologien für Wärme- und Kältespeicher von
entscheidender Bedeutung.
Die Grundlagenforschung für neue Energiespeicher muss im Rahmen der Ener-
gieforschung interdisziplinär angelegt sein und sehr komplex wissenschaftli-
chen Fragestellungen nachgehen.
Aber auch bereits bekannte Pfade gilt es weiter zu untersuchen. So kann die Er-
forschung von Speichermöglichkeiten für Wasserstoff als Energieträger heute
keineswegs als abgeschlossen gelten. Für die unterschiedlichen mobilen oder
stationären Anwendungsfelder dieses Speichermediums sind noch weitgehende
Grundlagenforschungen zu betreiben.

Berlin, den 8. September 2003
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Birgit Homburger
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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