BT-Drucksache 15/1576

Neuordnung der Bundesanstalt für Arbeit

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1576
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Günther
Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Günter Rexrodt, Marita
Sehn, Dr. Max Stadler, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Neuordnung der Bundesanstalt für Arbeit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Lage am Arbeitsmarkt ist dramatisch. Die anhaltend hohe und weitgehend
strukturelle Arbeitslosigkeit in Deutschland sowie die beschäftigungspoliti-
schen Erfolge anderer Länder ziehen die Effektivität und Effizienz der deut-
schen Arbeitsmarktpolitik stark in Zweifel. Die aktive Arbeitsmarktpolitik zeigt
nicht die notwendigen Erfolge, um die Arbeitslosigkeit dauerhaft abzubauen.
Die Bundesanstalt für Arbeit ist in ihrer jetzigen Struktur nicht zukunftsfähig.
Deutschland bedarf dringend einer durchgreifenden Reform der Arbeitsverwal-
tung, die sich auf die Wirksamkeit und Effizienz ihrer Organisation und arbeits-
marktpolitische Maßnahmen konzentriert. Hier bedarf es nicht Trippelschritten,
sondern eines Quantensprungs. Die vom Bundesrechnungshof im Jahr 2001
festgestellten Organisationsmängel der Bundesanstalt werfen darüber hinaus
fundamentale Fragen nach den Verantwortungsstrukturen im deutschen Sozial-
system und der Kontrolle von Selbstverwaltungskörperschaften auf.
Jeder Vertreter der Selbstverwaltung, der die Bundesanstalt beaufsichtigt, hat
eigene Interessen: Die Arbeitgeber werden verleitet, arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen zur Lösung betrieblicher Personalpolitik zu missbrauchen, weil
das Arbeitsamt Altersteilzeit-Regelungen, Gehaltsaufschläge und Renten-
beiträge mitfinanziert. Die Gewerkschaften versuchen, mit Hilfe arbeitsmarkt-
politischer Instrumente die Interessen ihrer Mitglieder und hauptamtlichen
Funktionäre zu bedienen, nicht die Bedürfnisse der Arbeitslosen.
Die Bundesanstalt für Arbeit gliedert sich zur Zeit in 180 Arbeitsämter mit rund
660 Geschäftsstellen, zehn Landesarbeitsämter, die Hauptstelle Nürnberg, das
Zentralamt der BA, die Fachhochschule des Bundes – Fachbereich Arbeits-
verwaltung –, die Führungsakademie der BA, die Verwaltungsschulen der BA,
die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung, das Vorprüfungsamt der BA und das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Insgesamt arbeiten hier

Drucksache 15/1576 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zz. 89 000 Mitarbeiter, wovon nur gut 10 % für Vermittlungsaufgaben im enge-
ren Sinne eingesetzt werden.
Für den Haushalt der BA mit über 53 Mrd. Euro in 2003 werden rund 49 Mrd.
Euro von den rund 27 Millionen versicherungspflichtig Beschäftigten aufge-
bracht. Von den 53 Mrd. Euro gibt die BA aber nur die Hälfte (knapp 27 Mrd.
Euro) für Ersatzleistungen des Arbeitsentgelts (Versicherungsleistungen im
engeren Sinne) aus. Etwa 41 % der Mittel fließen in die Arbeitsmarktpolitik,
9,4 % werden für sonstige Aufgaben einschließlich Verwaltungsaufgaben auf-
gewendet.
Dem steht gegenüber, dass die Effekte und Effizienz der einzelnen Maßnahmen
nach allen bisher bekannt gewordenen Untersuchungen mit großer Skepsis zu
betrachten sind. Dies gilt in besonderem Maße für Arbeitsbeschaffungs-
(ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM). Trotz des Aufwandes von
rund 7 Mrd. Euro für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, rund 3 Mrd.
Euro für ABM und 0,7 Mrd. Euro für SAM im Jahr 2001 erweisen sie sich von
allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen als am wenigsten geeignet, die Teil-
nehmer wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Eingliede-
rungsquoten betrugen für das Jahr 2001 bei Maßnahmen der beruflichen Wei-
terbildung 43,2 %, bei SAM 42,4 % und bei ABM 29,7 %. Die Bilanz der ohne
eine Folgeförderung erreichten Eingliederungsquoten sieht noch schlechter aus.
Sie liegen für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung bei 37 %, für SAM
bei 21,2 % und für ABM bei lediglich 13,6 %.
In der gegenwärtigen Form wird die Arbeitsförderung ihren wesentlichen Funk-
tionen nur unzureichend gerecht, nämlich Ausgleichsprozesse auf dem Arbeits-
markt zu erleichtern, Anreize zu schaffen, angebotene Arbeit auch anzunehmen,
und strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen bzw. zu vermeiden.
Neben den Aufgaben einer Versicherungsanstalt und der Vermittlung über-
nimmt die BA weite Teile der Finanzierung von Weiterbildung, Aufgaben bei
der Bekämpfung der Schwarzarbeit und allgemeine soziale Aufgaben, z. B. die
Förderung Behinderter und Sprachkurse für Spätaussiedler, bei denen es sich
um gesamtstaatliche Aufgaben handelt, die – soweit noch sinnvoll und nötig –
aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden müssten.
Die Folge der Überwälzung vieler grundsätzlich gesamtgesellschaftlicher Auf-
gaben auf die Arbeitslosenversicherung ist eine unübersehbare Fülle von In-
strumenten, die vorgeblich die Arbeitsmarktchancen für die verschiedenen
Zielgruppen unter den Arbeitslosen verbessern sollen. Alle Beteiligten nutzen
so die Arbeitslosenversicherung, um beschäftigungspolitische Lasten auf Dritte
– die beitragszahlenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer – abzuwälzen. Der pri-
vate Sektor wird durch den zweiten Arbeitsmarkt bedrängt. Werden die Bei-
träge zur Arbeitslosenversicherung auf diese Weise in den Dienst gesamtgesell-
schaftlicher Aufgaben gestellt, wird die Möglichkeit und die dringende
Notwendigkeit verspielt, den Beitragssatz zu senken.
Um im Interesse der Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Senkung
der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erreichen, ist es notwendig, das
Versicherungsprinzip in der Arbeitslosenversicherung deutlich zu stärken. Ar-
beitsmarktpolitischeMaßnahmen sind auf Umfang undWirksamkeit zu überprü-
fen und mit den allgemeinen sozial- und strukturpolitischen Aufgaben – soweit
noch sinnvoll und nötig – aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren.
Eine grundlegende organisatorische Neuausrichtung der Arbeitslosenversiche-
rung und -vermittlung ist unabdingbar. Die Arbeitslosenversicherung muss auf
die Deckung des Risikos des Einkommensverlustes bei Erwerbslosigkeit für so-
zialversicherungspflichtig Beschäftigte für die ersten zwölf Monate beschränkt
werden. In der Arbeitslosenversicherung muss wieder eine Gesamtäquivalenz
zwischen Beiträgen und Leistungen hergestellt werden. Ziel der Leistungen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1576

muss es unverändert sein, Arbeitnehmer durch eine von der Bedürftigkeit unab-
hängige Versicherungsleistung, die an die Stelle des ausfallenden Entgeltes tritt,
vor den wirtschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit zu schützen. Diese Aufga-
ben sind von einer Bundesversicherungsagentur zu übernehmen, die sich auf
das Kerngeschäft der Arbeitslosenversicherung beschränkt.
Die Kommunen erhalten mehr Verantwortung. Sie nehmen die Aufgaben der
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wahr (hierzu wird auch auf den Antrag der
FDP-Fraktion „Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem kommunalen be-
schäftigungsfördernden Sozialgeld zusammenführen“ vom 9. September 2003,
Bundestagsdrucksache 15/1531, verwiesen). Aufgrund ihrer Nähe zum Arbeits-
markt, insbesondere für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte, und der
Möglichkeit, die für eine Wiedereingliederung von Problemgruppen in den
Arbeitsmarkt notwendigen Maßnahmen zu bündeln, haben sie entscheidende
Vorteile gegenüber den Arbeitsämtern.
Zuständig für die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind die Job-
Center bei den Kommunen. Ihnen sind die personellen und sächlichen Mittel
im Voraus zur Verfügung zu stellen.
Die Neuorganisation der Aufgaben der Arbeitslosenversicherung führt zu einer
deutlichen Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf
3,5 %. Das allein bedeutet annähernd 500 000 Arbeitslose weniger. Daneben
leisten eine schnellere und effizientere Arbeitsvermittlung, die Abschaffung der
Restriktionen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und eine verbesserte,
effizientere aktive Arbeitsmarktpolitik einen Beitrag zu mehr Wachstum und
Beschäftigung. Durch den mit der Neukonzeption verbundenen Abbau von
Arbeitslosigkeit, den Wegfall des Bundeszuschusses für die BA von 5,2 Mrd.
Euro (2004) und die Abschaffung doppelter Verwaltungsstrukturen kann von
Einsparungen in Höhe von gut 30 Mrd. Euro ausgegangen werden.
Für eine Erfolg versprechende Neuorganisation am Arbeitsmarkt sind folgende
Maßnahmen notwendig:
l Auflösung der Bundesanstalt für Arbeit in ihrer jetzigen Form und Grün-

dung einer leistungs- und kundenorientierten Versicherungsagentur;
l Einrichtung einer Arbeitsmarktagentur für überregionale und internationale

Aufgaben;
l Auszahlung des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosenversicherung steuerfrei

an den Arbeitnehmer;
l Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus der Arbeitslosenversi-

cherung und Einführung von Wahltarifen;
l Übertragung der Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik auf die Job-Cen-

ter bei den Kommunen;
l Überprüfung und Vereinfachung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente;
l Organisation einer effizienten und nachhaltigen Vermittlung in den ersten

Arbeitsmarkt;
l Abschaffung der Landesarbeitsämter;
l die Aufgaben der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) werden auf die

Arbeitsmarktagentur übertragen bzw. von privaten Anbietern wahrgenom-
men;

l Neuorganisation der weiteren Aufgaben der BA, z. B. Privatisierung des
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Fachhoch-
schule des Bundes Fachbereich Arbeitsverwaltung sowie der Führungs-
akademie und der Verwaltungsschulen der Bundesanstalt für Arbeit.

Drucksache 15/1576 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetz-
entwurf zur Reform des Arbeitsmarktes unter Maßgabe folgender Eck-
punkte vorzulegen:

1. Die Bundesanstalt für Arbeit wird in ihrer jetzigen Form aufgelöst und ihre
Aufgaben neu zugeordnet. Den Kernbereich der Arbeitslosenversicherung
übernimmt eine Bundesversicherungsagentur.
– Da Arbeitslosigkeit wegen unkalkulierbarer Risiken, z. B. konjunkturelle

Schwankungen, schwere Rezessionen und das Problem der Kumulation
von Risiken, nur schwer auf dem privaten Versicherungsmarkt zu versi-
chern ist, bleibt ein staatlicher Rahmen für die Arbeitslosenversicherung
erforderlich. Soweit wie möglich sind jedoch privatwirtschaftliche
Grundsätze zu verankern. Es wird daher eine Versicherungsagentur als
bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gegründet.
Die Agentur ist alle zwei Jahre einer externen Wirtschaftsprüfung nach
den Regeln der Privatwirtschaft zu unterziehen. Die drittelparitätischen
Selbstverwaltungsstrukturen der Bundesanstalt für Arbeit und in den Ver-
waltungsausschüssen auf lokaler Ebene, die zu Selbstbedienungsmentali-
tät und Verschwendung geführt haben, werden abgeschafft.

– Die Bundesversicherungsagentur für Arbeitnehmer wird auf die Kern-
aufgaben der Arbeitslosenversicherung beschränkt. Sie konzentriert sich
auf die Aufgaben einer Leistungsabteilung (Versicherungsfunktion). Sie
wird von sachfremden Aufgaben wie der Auszahlung des Kindergeldes,
der Ausbildungsberatung, dem Kampf gegen illegale Beschäftigung,
Umschulung, allgemeinen sozial- und strukturpolitischen Aufgaben wie
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, dem Sofortprogramm zum Abbau der
Jugendarbeitslosigkeit sowie den in den Haushalt der Bundesanstalt ver-
schobenen Programmen wie z. B. Beschäftigungshilfen für Langzeit-
arbeitslose und SAM-Zuschüsse befreit. Versicherungsfremde Leistun-
gen dürfen nicht von der Arbeitslosenversicherung, sondern müssen aus
dem Bundeshaushalt finanziert werden. Sie stellen eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe dar. Dadurch kann der Beitrag zur Arbeitslosenversi-
cherung von derzeit 6,5 % deutlich gesenkt werden.

– Die Bundesagentur schließt mit den Arbeitnehmern Versicherungs-
verträge ab. Abgesichert wird das Risiko der Arbeitslosigkeit für einen
Zeitraum von zwölf Monaten. Es erfolgt eine klare Trennung zu Ver-
mittlungs- und Qualifizierungstätigkeiten, die von privaten Anbietern
und den Job-Centern übernommen werden.

2. Die Leistungen der Versicherungsagentur beschränken sich auf die Absiche-
rung des Risikos Arbeitslosigkeit für einen Zeitraum von zwölf Monaten. Es
handelt sich um eine Pflichtversicherung. Das Arbeitslosengeld sichert im
Wesentlichen den bisherigen Lebensstandard ab. Der zu versichernde Perso-
nenkreis bleibt unverändert. Die Versicherungsagentur übernimmt für diese
zwölf Monate die Beiträge zur Sozialversicherung. Antragstellung auf Ar-
beitslosengeld, Forderungseinzug und Beratung erfolgen über Mitarbeiter
der Versicherungsagentur in den Job-Centern.
– Um das Versicherungsprinzip und eine verantwortungsbewusste Inan-

spruchnahme von Versicherungsleistungen noch weiter zu stärken, wird
den Versicherten in der Arbeitslosenversicherung eine Wahlfreiheit bei
den Tarifen eingeräumt. Damit kann die Arbeitslosenversicherung ihre
Leistungen noch genauer auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Ver-
sicherten ausrichten und gleichzeitig die so möglich gewordenen Ein-
sparungen in Form von niedrigeren Beiträgen an die Versicherten weiter-
geben.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1576

– Die Versicherungsagentur bietet Grund- und Wahltarife an. Enthalten in
dem Grundtarif sind generell das Bewerbertraining und ein marktgerecht
ausgestalteter Vermittlungsgutschein, der vom ersten Tag der Arbeits-
losigkeit an eingelöst werden kann. Die Versicherten können sich mit
diesem Gutschein an private Arbeitsvermittler, aber auch an die Arbeits-
vermittlung in den Job-Centern der Kommunen wenden, die ihrerseits im
Wettbewerb um diese Gutscheine stehen.

– Der Wert der Vermittlungsgutscheine ist gestaffelt und fällt für Problem-
gruppen wie Geringqualifizierte höher aus. So kann es für Vermittler
attraktiv werden, Arbeitslose auch aus Problemgruppen zu vermitteln.
Dadurch, dass der Gutschein Teil der Versicherungsleistung ist, wird die
Wertschätzung der Vermittlungsleistung gestärkt, die bisher als kostenlos
gilt. Bei erfolgreicher und nachhaltiger Vermittlung in den ersten Ar-
beitsmarkt, d. h. nach einer hinreichend langen Verweildauer im Betrieb,
können die Vermittlungsgutscheine von den Arbeitsvermittlern bei der
Versicherungsagentur eingereicht werden.

– Im Grundtarif weiterhin enthalten sind der Anspruch auf Insolvenzgeld,
Kurzarbeitergeld und Winterausfallgeld. Hierbei handelt es sich um vor
allem konjunkturabhängige Leistungen.
Schon jetzt wird die Umlage für das Insolvenzgeld allein von den Unter-
nehmern getragen. Die Mittel für das Insolvenzgeld werden von den Be-
rufsgenossenschaften jährlich nachträglich durch eine Umlage bei den
Arbeitgebern aufgebracht. Zukünftig soll der Beitrag für das Insolvenz-
geld an die Versicherungsagentur abgeführt werden und die Auszahlung
über die Versicherungsagentur erfolgen. Zur Vermeidung kurzfristiger,
konjunkturbedingter Erhöhungen sollte darüber nachgedacht werden, ob
nicht langfristig bei der Insolvenzgeldumlage eine Umstellung vom Um-
lageverfahren auf eine Kapitaldeckung erfolgen sollte.
Das Winterausfallgeld ist zwar eine versicherungsfremde Leistung, ab-
gesichert wird hier aber nicht ein besonderes Arbeitsplatzrisiko, sondern
es wird den besonderen Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitszeit
Rechnung getragen. Das Winterausfallgeld wird im Baugewerbe bis zur
100. Ausfallstunde aus den Umlagen der Betriebe des Baugewerbes und
ab der 101. Ausfallstunde aus Beitragsmitteln zur Arbeitsförderung be-
zahlt. In Anbetracht der besonders problematischen Lage der Bauwirt-
schaft und des Umstandes, dass bereits jetzt Ausfallstunden zum großen
Teil über die von den Arbeitgebern finanzierte Winterbauumlage finan-
ziert werden, sollte die Leistung von der Versicherungsagentur ausgezahlt
werden. Schließlich wird dadurch der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit
verhindert.
Nach dem Haushaltsplan der BA für 2003 belaufen sich die umlagefinan-
zierten Leistungen auf 205,2 Mio. Euro, die beitragsfinanzierte Winter-
bauförderung auf lediglich 45,1 Mio. Euro. Mit dem Rückgang der Zahl
der Baubetriebe geht eine beständige Verringerung der Beschäftigtenzahl
im Baugewerbe einher. Auch bei der Inanspruchnahme der Leistungen
der Winterbauförderung ist ein Rückgang zu verzeichnen. Rechnet man
die Ausfallstunden in Vollzeitäquivalent um, sichert das bestehende Sys-
tem rund 30 000 Arbeitsplätze. Da die Bauwirtschaft die Möglichkeit hat,
auf die witterungsbedingten Ausfallstunden zu reagieren, indem sie bei
günstiger Witterung Überstunden vorsieht oder die Bedingungen für den
Winterbau verbessert, könnte ggf. mittelfristig geprüft werden, ob nicht
das gesamte Winterausfallgeld der Selbstverwaltung übertragen werden
kann.

Drucksache 15/1576 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Auch das Überbrückungsgeld ist Bestandteil des Grundtarifs, um früh-
zeitig Anreize für eine Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit zu fördern. Aufgrund der Förderdauer von
sechs Monaten muss der Anspruch jedoch spätestens mit Ablauf des
sechsten Monats der Arbeitslosigkeit geltend gemacht werden. Bei späte-
rer Inanspruchnahme übernimmt die Versicherungsagentur die Leistung
für die Restlaufzeit des Arbeitslosengeldbezugs.

– Weiterhin werden die Aufgaben der Landesarbeitsämter bei der Beratung
und Entscheidung von Unternehmen und Betriebsräten über die Gewäh-
rung von Zuschüssen zu Sozialplanmaßnahmen von der Versicherungs-
agentur wahrgenommen. Es handelt sich um eine Maßnahme der präven-
tiven Arbeitsmarktpolitik, mit der die Eingliederung von Arbeitnehmern,
die von einem Sozialplan erfasst werden und von Arbeitslosigkeit be-
droht sind, bezweckt wird. Das Unternehmen beteiligt sich an den Kosten
der Eingliederungsmaßnahmen. Träger ist der Arbeitgeber, der den So-
zialplan aufgestellt hat. Dieser kann die Maßnahmen entweder selbst
durchführen oder einen anderen Träger, z. B. eine Beschäftigungsgesell-
schaft hierzu beauftragen.

– Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wie Qualifizierungs- und
Trainingsmaßnahmen sowie Mobilitätshilfen sind nicht in der Grund-
absicherung enthalten, aber über Wahltarife versicherbar. Der Versicherte
erhält bei Inanspruchnahme ein Wahlrecht hinsichtlich der Angebote von
zertifizierten Anbietern von Fort- und Weiterbildung. Damit wird der
Wettbewerb im Fortbildungssegment gestärkt. Ebenfalls über Wahltarife
kann der Anspruch auf Zuschüsse zu Bewerbungs- und Reisekosten und
Unterhaltsgeld bei Teilnahme an beruflicher Weiterbildung erworben
werden.

– Eine weitere Möglichkeit für Wahltarife sollte ein Wahlrecht für einen
niedrigeren Tarif verbunden mit einer Karenzzeit sein. Dann entsteht der
Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht unmittelbar zum Entlassungszeit-
punkt, sondern z. B. erst nach einer Karenzwoche. Eine solche Form des
Selbstbehalts ist geeignet, die eigentlichen Versicherungsfälle stärker von
den missbräuchlichen Gestaltungsfällen zu trennen. Bei freiwilligen
Arbeitsplatzwechseln kann es bislang für den Einzelnen rational und für
die Gemeinschaft kostspielig sein, die erneute Arbeitsaufnahme zeitlich
zu verschieben, um in der Zwischenzeit Ansprüche aus der Arbeitslosen-
versicherung geltend zu machen. Aber auch bei einem unfreiwilligen Ar-
beitsplatzwechsel erscheint es sinnvoll, den Arbeitnehmern die Möglich-
keit zu eröffnen, in der ersten Woche zunächst auf Ersparnisse zurückzu-
greifen. Gleichzeitig müssen die so möglich gewordenen Einsparungen in
Form von niedrigeren Beiträgen direkt an die Versicherten weitergegeben
werden, die diese Option nutzen.

– Die Versicherungsagentur schließt mit den Arbeitnehmern Versiche-
rungsverträge ab. Der bisherige Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversi-
cherung wird dem Arbeitnehmer zunächst steuerfrei ausgezahlt und der
Gesamtbeitrag zur Arbeitslosenversicherung davon einbehalten. Damit
kann sich auch die Inanspruchnahme beitragsmindernder Optionen wie
die Karenzzeit für den Arbeitnehmer bei der Nettoentgeltberechnung un-
mittelbar positiv auswirken.

– Die bisherige Unterscheidung zwischen Arbeitgeberanteil und Arbeitneh-
meranteil (§ 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III) wird im Interesse einer größeren
Klarheit über die tatsächliche Traglast der Beiträge aufgehoben. Zwar tra-
gen derzeit die Unternehmen die Hälfte der Zahllast, über Preiserhöhun-
gen und Entlassungen wird diese jedoch weitergewälzt, so dass es letzt-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/1576

lich bereits jetzt die Arbeitnehmer sind, die die gesamte Abgabenlast tra-
gen.

3. Für internationale Aufgaben und die Bereitstellung von Internetangeboten
für die überregionale Arbeitsvermittlung wird eine Bundesarbeitsmarkt-
agentur als nachgeordnete Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Arbeit gegründet. Die Agentur ist alle zwei
Jahre einer externen Wirtschaftsprüfung nach den Regeln der Privatwirt-
schaft zu unterziehen.
– Die Arbeitsmarktagentur übernimmt die internationale Arbeitsvermitt-

lung, die Koordinierung überregionaler Sonderprogramme und die
Abwicklung von Werkvertragsabkommen. Sie übernimmt damit weite
Teile der Aufgaben der aufzulösenden ZAV, z. B. bei der Vermittlung von
Arbeitskräften vom Ausland und in das Ausland.

– Weiterhin stellt die Arbeitsmarktagentur per Internet-Datenbanken Ange-
bote und Informationen zur Unterstützung der überbezirklichen und
internationalen Arbeits- und Ausbildungsvermittlung zur Verfügung.
Dazu gehören der Stellen-Informations-Service (SIS), der Arbeitgeber-
Informations-Service (AIS), der AusbildungsStellenInformationsService
(ASIS), die Datenbank für Aus- und Weiterbildung (KURS), die Daten-
bank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen (BERUFEnet), die
Europäische Berufsberatung (euro guidance) und die Europäische Ar-
beitsvermittlung (EURES).

– Damit sich die Vermittlungstätigkeit der Kommunen nicht nur auf den
regionalen Bereich begrenzt, wird wie bisher den Job-Centern auferlegt,
alle gemeldeten Stellen unverzüglich in den Stellen-Informations-Service
(SIS) einzugeben. Dies ermöglicht den Zugriff der Job-Center sowie der
Arbeitsmarktagentur auf alle gemeldeten offenen Stellen.

– Weiterhin verfügt die BA über zentrale Servicebereiche, die entweder
organisatorisch verselbstständigt und privatisiert, oder von der Arbeits-
marktagentur übernommen werden können. Dazu gehören z. B. die
Bereiche IT-Dienstleistungen und Statistik.

4. Teilbereiche der Bundesanstalt für Arbeit werden privatisiert.
– Verselbstständigt und in private Trägerschaft gestellt werden das Institut

für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) und die Fachhochschule des
Bundes – Fachbereich Arbeitsverwaltung – sowie die Führungsakademie
und die Verwaltungsschulen der Bundesanstalt für Arbeit.

– Die Aufgaben der ZAV im Bereich der Arbeitsvermittlung, z. B. im Be-
reich der Managementvermittlung und der Vermittlung von Führungs-
kräften der Wirtschaft, werden von privaten Arbeitsvermittlern wahr-
genommen.

– Den technischenBeratungsdienst übernehmendieBerufsgenossenschaften.
5. Die Kommunen nehmen die Aufgaben einer längerfristigen Arbeitsmarkt-

und Sozialpolitik wahr. Aufgrund ihrer Nähe zum Arbeitsmarkt, insbeson-
dere für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte, und der Möglichkeit,
die für eine Wiedereingliederung von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt
notwendigen Maßnahmen zu bündeln, haben sie einen entscheidenden Vor-
teil gegenüber den Arbeitsämtern. Das bedeutet zugleich, dass die kommu-
nale Ebene finanziell adäquat auszustatten ist. Die primäre Verantwortung
des Bundes für die Arbeitsmarktpolitik wird über eine finanzielle Beteili-
gung des Bundes sichergestellt (siehe Gesetzentwurf der Fraktion der FDP
zur Änderung des Grundgesetzes (Kommunale Finanzreform), Bundestags-
drucksache 15/1247).

Drucksache 15/1576 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Mit der Reform einhergehen muss ein dauerhafter föderaler Finanzaus-
gleich: Da die Wahl des geeigneten Instrumentes zur Arbeitsplatzvermitt-
lung von Ort zu Ort anders ausfallen wird, muss der Bund den Kommunen
einen – je nach ihren Aufwendungen – jährlich im Voraus festgelegten Be-
trag geben, so dass ein Budgetsystem mit dem Anreiz zum sparsamen
Haushalten geschaffen wird. Städte und Gemeinden können nicht ver-
brauchte Mittel, etwa weil sie besonders viele Menschen vermittelt haben,
behalten. Gleichzeitig müssen sie Unterdeckungen aus ihren Haushalten
begleichen.

– In den Kommunenwerden flächendeckend Job-Center eingerichtet. In den
Job-Centern werden die Zuständigkeiten und die Durchführungsverant-
wortung für das – nach der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe – neue Sozialgeld und die Vermittlung und Qualifizierung von
Arbeitslosen, die nicht mehr unter den Versicherungsschutz der Arbeits-
losenversicherung fallen, und die arbeitsmarktpolitischen Instrumente ge-
bündelt. Hier sollen Zeitarbeitsfirmen, Bildungs- und Therapieangebote
ebenso verfügbar sein wie etwa eine Schuldnerberatung, aber auch Vertre-
ter der Versicherungsagentur als Ansprechpartner für Arbeitslose während
der ersten zwölf Monate der Arbeitslosigkeit. Die Job-Center sind Anlauf-
stellen für alle Arbeit suchenden Personen. Sie gewährleisten eine umfas-
sende Betreuung und treffen alle im Einzelfall notwendigen Entscheidun-
gen. Sie koordinieren alleKompetenzen, die zur Eingliederung inErwerbs-
arbeit und zurÜberwindung derHilfebedürftigkeit notwendig sind. Für die
Betroffenen bedeutet das, dass sie eine bürgernahe Anlaufstelle haben und
nicht mehr mit einer Vielzahl von Behörden konfrontiert werden.

– Die Job-Center erhalten beim Einsatz der arbeitsmarktpolitischen In-
strumente eine weitreichende Entscheidungskompetenz hinsichtlich der
Verwendung der Haushaltsmittel. Bereits seit der Reform zum SGB III
zum 1. Januar 1998 können die Arbeitsämter zumindest formal relativ
ungebunden über die Aufteilung der finanziellen Mittel auf einzelne
Maßnahmen entscheiden und verfügen über die sog. freie Förderung (§ 10
SGB III), mittels der sie bis zu 10 % ihrer Mittel für aktive Arbeitsmarkt-
politik für selbst konzipierte Maßnahmen einsetzen dürfen. Den Job-
Centern, die die Aufgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik der örtlichen
Arbeitsämter übernehmen, müssen im Interesse eines zielgerichteten und
effizienten Einsatzes arbeitsmarktpolitischer Instrumente weitere Ent-
scheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Damit wird die Innovations-
fähigkeit in der Arbeitsmarktpolitik und der Wettbewerb unter den Job-
Centern gefördert.

– Die Job-Center übernehmen von den Arbeitsämtern die Aufgaben der Ar-
beits- und Berufsberatung, die Arbeits- und Ausbildungsstellenvermitt-
lung sowie die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfen. Die Leistun-
gen derArbeitsförderungwieZuschüsse zuBewerbungs- undReisekosten,
Trainingsmaßnahmen, Überbrückungsgeld, Mobilitätshilfen und die
Förderung der beruflichen Weiterbildung sowie das Unterhaltsgeld bei
Teilnahme an beruflicherWeiterbildung werden von den Kommunen nach
Ablauf des Versicherungszeitraums in der Arbeitslosenversicherung von
zwölf Monaten übernommen.

– Weiterhin erhalten die Job-Center dieDurchführungsverantwortung für die
an die Arbeitgeber zu leistenden Eingliederungs- und Einstellungszu-
schüsse undBeschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose.DasGleiche gilt
für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen,
welche in den westlichen Bundesländern sofort und in den östlichen Bun-
desländernmittelfristig abgeschafftwerden.Danebenübernehmendie Job-
Center die Förderung der Teilnahme an Deutsch-Sprachlehrgängen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/1576

6. Die Antragsbearbeitung und Auszahlung von Kindergeld wird auf die
Finanzämter übertragen. Bereits jetzt ist das Bundesamt für Finanzen fach-
lich für das Kindergeld zuständig. Die Auszahlung von Kindergeld zählt
nicht zu den Kernbereichen der Arbeitsverwaltung und ist daher aus ihrem
Aufgabenkatalog zu streichen.

7. Der ärztliche und psychologische Dienst wird auf die Gesundheitsämter
übertragen.

8. Es ist zu prüfen, ob die Leistungen für behinderte Menschen, die heute
durch die Bundesanstalt für Arbeit verwaltet werden, in den Kompetenz-
bereich der bereits vorhandenen Servicestellen überführt werden können.
Hierfür müssten im Rahmen eines Leistungsgesetzes für Menschen mit Be-
hinderung diese Servicestellen ausgebaut und mit größeren Kompetenzen
ausgestattet werden.
Mit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches – Neuntes Buch – SGB IX
(§§ 22 ff.) am 1. Juli 2001 wurde für die Rehabilitationsträger, das sind die
gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesanstalt für Arbeit, die Träger der
gesetzlichen Unfall- und der Rentenversicherung sowie die Träger der
Kriegsopferfürsorge, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe, die
Verpflichtung eingeführt, bis Ende des Jahres 2002 ein flächendeckendes
Netz an gemeinsamen Servicestellen einzurichten.

9. Die Zuständigkeit für die Bekämpfung illegaler Beschäftigung wird auf die
Zollbehörden übertragen. Außenprüfungen werden ausschließlich von den
Behörden der Zollverwaltung durchgeführt. Die Kommunen nehmen die
Aufgaben der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten war,
bei denen sich Verdachtsmomente im Leistungs- und Antragsverfahren er-
geben. Fälle, die eine Außenprüfung erforderlich machen, werden auch hier
vom Zoll übernommen.

10. Das Arbeitserlaubnisrecht (§§ 284 ff.) wird dahin gehend geändert, dass
Ausländer, die rechtmäßig und nicht als Touristen in Deutschland leben, für
die Dauer ihres erlaubten Aufenthalts die Genehmigung erhalten, für ihren
eigenen Lebensunterhalt zu sorgen und einer Beschäftigung nachzugehen.
Diese Genehmigung gilt unabhängig von einer bestimmten Beschäftigung
bei einem bestimmten Arbeitgeber. Sie wird von den Ausländerbehörden
mit dem Aufenthaltstitel erteilt. Die Abschaffung der Arbeitserlaubnis-
pflicht ist eine effektive Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
und Deregulierung des Arbeitsmarktes.

11. Das Vorprüfungsamt der BA wird aufgelöst. Als Teil der externen Finanz-
kontrolle unterliegt das Vorprüfungsamt bei seiner Prüfungstätigkeit bereits
jetzt fachlich ausschließlich den Weisungen des Bundesrechnungshofes
(§ 77b Abs. 4 SGB IV). Die Aufgaben des Vorprüfungsamtes der BA gehen
auf die dem Bundesrechnungshof nachgeordneten Prüfungsämter über.
Dies entspricht dem Vorschlag des Bundesrechnungshofes vom 18. Juni
2003, der auf Bitte des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsaus-
schusses des Deutschen Bundestages um Stellungnahme gebeten wurde.

12. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wird abgeschafft. Die Erlaub-
nispflicht für gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung entfällt damit.
Qualitätsstandards sind im Wege der Selbstverpflichtung der Branche zu
gewährleisten.
Leiharbeit hat sich als Brücke zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht
nur in beschäftigungspolitisch erfolgreichen Ländern, sondern auch in
Deutschland bewährt. Zeitarbeit in Deutschland ist ein wirkungsvolles und
effizientes Instrument zur Eingliederung arbeitsloser Menschen in den ers-
ten Arbeitsmarkt. Sie ist längst ein anerkanntes Instrument der Wirtschaft

Drucksache 15/1576 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

geworden. Deshalb sind die mit dem AÜG verbundenen Einschränkungen
im Interesse einer intensiveren Nutzung des Instruments der Arbeitnehmer-
überlassung und einem flexiblen Arbeitskräfteeinsatz abzuschaffen.

13. Die Förderung nach dem Altersteilzeitgesetz entfällt. Mit dem Altersteil-
zeitgesetz wurden Mitnahmeeffekte ausgelöst. Die Unternehmen haben mit
dem Altersteilzeitmodell einen Weg gefunden, die Förderung für den
Abbau von Arbeitsplätzen zu nutzen. Die verkürzte Beschäftigung älterer
Arbeitnehmer erfolgt auf Kosten der Beitragszahler.

14. Die zehn Landesarbeitsämter, deren Name fälschlicherweise vermuten
lassen könnte, es handele sich um Landesbehörden, werden abgeschafft.
Ihre wenigen verbliebenen eigenen Fachaufgaben wie die Abwicklung von
Werkvertragsabkommen werden auf die Arbeitsmarktagentur verlagert.

15. Die Mitarbeiter der BA werden entsprechend ihrem Tätigkeitsbereich und
Know-how in den Job-Centern, der Arbeitsmarkt- und Versicherungsagen-
tur, der Zollverwaltung, den dem Bundesrechnungshof nachgeordneten
Prüfungsämtern und den Finanz- und Gesundheitsämtern eingesetzt. Je
nach Beamten- oder Angestelltenstatus sind Möglichkeiten von Versetzun-
gen, Änderungskündigungen und Übernahme der Beschäftigungsverhält-
nisse im Wege des Betriebsübergangs zu prüfen. Bei den Privatisierungen
sollten die Möglichkeiten der Übernahme der Angestellten und Beistellung
der Beamten geprüft werden.

16. Alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind dringend auf Umfang, Wirk-
samkeit und Effizienz zu überprüfen, denn Arbeitsmarktpolitik ist nur dann
effektiv und effizient, wenn es ihr gelingt, mit möglichst geringem Mittel-
einsatz Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder möglichst rasch zu beenden.
– Ein zentrales strukturelles Problem der Arbeitsverwaltung ist ihr nicht

mehr überschaubarer Bürokratismus. Mit einer Vielzahl von Erlassen,
Richtlinien und Verordnungen wird versucht, Einzelfallgerechtigkeit her-
zustellen, ohne Berücksichtigung der damit verbundenenKosten. Die fast
unüberschaubare Vielzahl an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen unter
Festlegung feinster Tatbestandsvoraussetzungen und Leistungshöhen be-
lastet die Arbeitsverwaltung und ist für Bürger wie Unternehmen nicht
mehr durchschaubar. Dies führt zu einem Wettbewerb zwischen den un-
terschiedlichen Leistungen. Die Maßnahmen sollten daher in wenigen
Kategorien zusammengefasst werden, über die die jeweilige zuständige
Kommune nach pflichtgemäßem Ermessen flexibel, effektiv und am Ein-
zelfall orientiert entscheiden kann.

– Alle arbeitsmarktpolitischen Programme sind stärker nach den Prinzipien
der Wirtschaftlichkeit und Effizienz öffentlich auszuschreiben. Projekt-
träger müssen zukünftig im Wettbewerb untereinander stehen. Durch
ständige Leistungsvergleiche ist der Qualitätswettbewerb zusätzlich zu
verstärken.

– Die öffentlich subventionierte, unfaire Konkurrenz für mittelständische
Unternehmen und Existenzgründer durch Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) muss deutlich
eingeschränkt werden. Sie haben sich von allen arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen als am wenigsten geeignet erwiesen, die Teilnehmer wieder
in den regulären Arbeitsmarkt einzugliedern.

– Das Instrument der wettbewerblichenAusschreibung und Vergabe (§ 262
Abs. 1 Satz 1 SGB III) muss auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
und Strukturanpassungsmaßnahmen im gewerblichen Bereich grundsätz-
lich uneingeschränkt gelten. Der Vorrang der Vergabearbeiten dient dazu,
die Vermittlungsaussichten der geförderten Arbeitnehmer zu erhöhen und

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/1576

vielfältige Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von Handwerk und Mit-
telstand zu verhindern.

– Insgesamt muss deutlich hervorgehoben werden, dass das wesentliche
Ziel die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ist. Die Zielgruppeno-
rientierungmuss deutlich verbessertwerden:DieMaßnahmen sollten sich
ausschließlich auf die Arbeitslosen mit den gravierendsten Risikomerk-
malen beschränken. Gleichzeitig müssen die Maßnahmen Gelegenheit
zur praxisnahen Qualifizierung bieten. Ihre Laufzeiten müssen verkürzt
werden. Auch darf während der Maßnahmen die Vermittlungsberatung
und Arbeitsplatzsuche nicht eingestellt werden.

Berlin, den 23. September 2003
Dirk Niebel
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.