BT-Drucksache 15/1247

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Kommunale Finanzreform)

Vom 25. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1247
15. Wahlperiode 25. 06. 2003

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Hermann Otto Solms, Gisela Piltz,
Rainer Funke, Carl-Ludwig Thiele, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel
Happach-Kasan, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Marita Sehn, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Kommunale Finanzreform)

A. Problem
Der kommunale Aufgabenbestand nimmt seit geraumer Zeit zu, und diese Ent-
wicklung ist ebenso nachhaltig wie gravierend. Nicht zuletzt im Bereich von
Infrastruktur, sozialer Vorsorge und Standardbildung setzt das Gemeinwesen
immer mehr auf kommunale Leistungserbringung. Hinzu tritt das Feld der
Basisversorgung der Menschen in ihrem Wohnquartier, wo sich Qualitätsstan-
dards und zivilisatorische Ansprüche weiter gesteigert haben. Ein Nachlassen
der Erwartungen der Bürger ist nicht absehbar.
Die Grundlagenfunktion hat aber auch ihren Preis. Die Finanzbedarfe von
Gemeinden und Gemeindeverbänden haben in gleichem Maße zugenommen.
Da andererseits die kommunalen Finanzquellen an ihrer Ergiebigkeitsgrenze
angelangt sind bzw. immer mehr austrocknen, ist ein dramatisches Dilemma
zwischen Leistungserwartung und Erbringungsvermögen entstanden, das nur
durch eine umfassende Neugestaltung der kommunalen Finanzverfassung
beseitigt werden kann. Die klassische Haupteinnahmequelle der Gemeinden,
die Gewerbesteuer, ist wirtschaftspolitisch fragwürdig geworden. Sie ist euro-
päisch bedenklich und wurde zudem in der Praxis nachhaltig durchlöchert. Das
im Grundgesetz vorgesehene Hebesatzrecht für die gemeindlichen Einkom-
mensteueranteile fand nie eine Realisierung. Das kommunale Gebührenauf-
kommen ist an seine Expansionsgrenzen gestoßen. Immer mehr gesetzliche,
nicht selbstverwalterische Aufgaben haben mit ihrem Finanzierungsbedarfen
weitere Haushaltslöcher gerissen.
Dringend von Nöten ist deshalb eine kommunale Finanzreform, die vor allem
die grundgesetzlichen Fundamente des primären Finanzausgleichs für die

Drucksache 15/1247 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Kommunen neu festlegt. Kommissionen, die seit langem daran arbeiten, haben
sich immer wieder festgezogen und blockiert. Gefordert ist deshalb jetzt ein
entschiedener und mutiger Schritt, der sowohl die Belange des Gesamtgefüges
als auch die speziellen Notwendigkeiten des kommunalen Leistungsauftrages
im Auge hat.

B. Lösung
Nötig ist eine grundlegende Neuordnung der Finanzausstattung der Gemein-
den. Die in jeder Weise überholte und unergiebig gewordene Einnahmequelle
der Gewerbesteuer muss endgültig abgeschafft werden. An ihre Stelle muss ein
anderer, neuer Einnahmefundus treten, der zugleich solide, unbürokratisch und
stärker konjunkturunabhängig ist. Hierzu wird eine moderne Kommunalsteuer
eingeführt, die in einem einheitlichen, prozentualen Zuschlag auf die Einkom-
men- und die Körperschaftsteuer besteht und von den Gemeinden eigenständig
festgelegt werden kann. Gleichzeitig wird eine wesentliche, d. h. spürbare Be-
teiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer festgelegt, die im Übrigen die
Verfassungsforderung nach einer Wirtschaftskraftbezogenheit gewisser Steuer-
quellen erfüllt. Allenthalben hat freilich der zur Ausgestaltung aufgerufene
einfache Gesetzgeber die Detailformung vorzunehmen (z. B. Absenkung der
Einkommenssteuertarife, um die Belastungsneutralität sicherzustellen).
Im Übrigen muss durch Verankerung eines die Kommunen erfassenden Kon-
nexitätsprinzips die immer wieder neu eintretende, schleichende Aushöhlung
der Kommunalfinanzen durch eine Aufgaben- und Lastenverlagerung unter-
bunden werden. Hierzu ist die Selbstverwaltungsgarantie um eine entspre-
chende Gewährleistungsformel zu ergänzen.

C. Alternativen
Keine

D. Finanzielle Auswirkungen
Das Gesamtvolumen der öffentlichen Haushalte wird nicht verändert.

E. Sonstige Kosten
Bürokratiekosten werden gesenkt bzw. abgebaut.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1247

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Kommunale Finanzreform)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grund-
gesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in
der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer
100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt
durch das Gesetz vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2863) geän-
dert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Artikel 28 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 3 werden nach dem Wort „Hebesatzrecht“ die
Wörter „oder Zuschlagbestimmungsrecht“ eingefügt.

b) Nach Satz 3 wird folgender Satz 4 angefügt:
„Der Gesetz- und Verordnungsgeber muss Bestim-
mungen über die Deckung der Kosten treffen, wenn
er die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Ge-
setz oder auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung be-
stimmter Aufgaben verpflichtet.“

2. In Artikel 106 Abs. 3 Satz 1 werden die Wörter „soweit
das Aufkommen der Einkommensteuer“ durch die Wör-
ter „soweit das Aufkommen der Einkommen- und der
Körperschaftsteuer“ ersetzt.

3. Artikel 106 Abs. 5 wird wie folgt gefasst:
„Die Gemeinden erhalten einen Anteil am Aufkommen
der Einkommen- und der Körperschaftsteuer. Dieser

wird als einheitlicher, prozentualer Zuschlag zur Ein-
kommen- und Körperschaftsteuerschuld erhoben (Kom-
munalsteuer) und in seiner Höhe von den Gemeinden
jeweils durch Satzung festgelegt. Das Nähere bestimmt
ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf.“

4. Artikel 106 Abs. 5a Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Gemeinden erhalten einen wesentlichen Anteil an
dem Aufkommen der Umsatzsteuer.“

5. Artikel 106 Abs. 6 wird wie folgt gefasst:
„Das Aufkommen der Grundsteuer steht den Gemein-
den, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Auf-
wandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe
der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu.
Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebe-
sätze der Grundsteuer im Rahmen der Gesetze festzuset-
zen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht
das Aufkommen der Grundsteuer sowie der örtlichen
Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Nach
Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grund-
steuer, der gemeindliche Zuschlag zur Einkommen- und
Körperschaftsteuer sowie der Gemeindeanteil am Auf-
kommen der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen
für Umlagen zugrunde gelegt werden.“

Artikel 2
Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am 1. Januar 2004 in Kraft.

Berlin, den 24. Juni 2003

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 15/1247 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines
Die Zunahme der Aufgaben des Staates und seiner Gliede-
rungsebenen, die nicht zuletzt durch die Einbindung als
Vollzugssubjekt der Europäischen Union noch verstärkt
worden ist, hat schon vielfältige Beschreibung und Analyse
gefunden. Auf der kommunalen Ebene ist diese Entwick-
lung besonders nachhaltig und fühlbar. Die Kenntnis des
Sachverhaltes kann heute als Allgemeingut gelten.
Mit der Aufgabenvermehrung geht ein Ausgabenanstieg ein-
her, der mit der Ressourcenverteilung auf den einzelnen
staatlichen Ebenen kaum noch zusammenpasst. Schwächstes
Glied sind dabei die Kommunen. Sie sind Adressat zahlrei-
cher Aufgabenzuweisungen, verfügen aber nur sehr begrenzt
über entsprechende Einnahmemöglichkeiten und kommen
angesichts der Aufgaben- wie Ausgabenlast kaum noch zur
Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben, nämlich die „Ange-
legenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verant-
wortung zu regeln“ (Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Gerade
für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben, deren örtliche
Unterschiedlichkeit den Reiz der kommunalen Arbeit
ausmacht und die Grundlage für einen am Wohl der Bürger
orientierten kommunalen Wettbewerb darstellt, fehlen die
Mittel. Verfassungsänderungen wie 1997 bei Artikel 28
Abs. 2 Satz 3, Artikel 106 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 GG
haben keine Abhilfe schaffen können, sondern allenfalls eine
Verschärfung des Problembewusstseins erreicht. Die allge-
meine Konjunkturschwäche hat diese Fehlentwicklungen
mittlerweile noch gravierender deutlich werden lassen.
Die eingetretene dramatische Haushaltslage der Kommunen
macht einen entschiedenen Reformschritt unumgänglich.
Die langjährigen Diskussionen und halbherzigen Verbesse-
rungsansätze haben keinen effektiven Nutzen gebracht.
Auch die 2002 beim Bundesminister der Finanzen eingerich-
tete Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen scheint
sich erneut in Interessenblockaden zu erschöpfen und ledig-
lich eine Wiederbelebung überholter Modelle und Instru-
mente hervorzubringen. Notwendig ist endlich ein beherzter
Schritt zur Reform der grundgesetzlichen kommunalen
Finanzverfassung, der die Probleme an derWurzel packt, zu-
kunftsfähig ist und nachhaltigere Regelungswege ebnet.
Grundsätzlich steht für alle Hoheitsebenen im gegliederten
Staat, für alle Verwaltungsträger, die Aufgaben finanzieren
sollen, nur eine Finanzmasse zur Verfügung. Diese ist be-
reits ökonomisch begrenzt, weil sonst der Produktivbereich,
welcher die Gelder erwirtschaftet, an denen die Hoheitsseite
via Steuer- und Abgabenerhebung partizipieren will, nieder-
gedrückt würde. Unternehmergeist würde erlöschen, Ar-
beitsplätze würden ins Ausland verlagert, tendenziell käme
die Volkswirtschaft zum Erliegen. Bei jeder Neufassung des
Finanzausgleichs muss deshalb darauf geachtet werden,
dass die Lasten für das produzierende Gewerbe und für die
schöpferischen, sozialaktiven wie investitionsbereiten Men-
schen nicht höher werden oder besser noch gesenkt werden
können. Das Steueraufkommen darf keinesfalls steigen.
Der Gesetzentwurf will diesem Aspekt durch die Streichung
einer möglichen Gewerbesteuererhebung sowie durch die

legislatorische Empfehlung einer Stabilhaltung der Einkom-
mensteuerbelastung Rechnung tragen. Das veränderte Las-
tengewicht auf den verschiedenen Hoheitsebenen soll durch
eine neue Kommunalsteuer (in Gestalt eines eigenständigen
Zuschlags zur Einkommen- und Körperschaftsteuer) sowie
durch einen ertragreicheren Kommunalanteil an der Um-
satzsteuer aufgefangen werden. Die Stabilisierung bzw. Ver-
stetigung der damit erreichten finanzverfassungsrechtlichen
Grundverhältnisse soll durch eine Justierung bzw. Auswei-
tung des Konnexitätsprinzips für die Kommunen erreicht
werden.
Da diese Maßnahmen nicht kurzfristig umsetzbar sein wer-
den, bedarf es der Soforthilfe für die Gemeinden. Dazu ge-
eignet ist die Absenkung der von den Gemeinden an Bund
und Länder abzuführenden Gewerbesteuerumlage auf den
Stand vor dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober
2000.

B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 Nr. 1
Zu Buchstabe a
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom
20. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2470) ist den Gemeinden in
Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GG eine „wirtschafts-
kraftbezogene Steuerquelle“ zugesichert. Die eigenverant-
wortliche Bestimmung über diese Einnahmegrundlage
sollte durch ein gemeindliches Hebesatzrecht gewährleistet
werden. Unabhängig von dem Streit über Sinn und Wirkung
dieser Grundgesetzergänzung herrscht in Rechtsprechung
und Wissenschaft Einigkeit darüber, dass eine Stärkung der
kommunalen Finanzhoheit und damit der kommunalen
Selbstverwaltung beabsichtigt war.
Die eigenverantwortliche Festlegung der definitiven ge-
meindlichen Steuererhebung kann aber nicht nur durch ein
Hebesatzrecht, sondern auch durch ein kommunales
Zuschlagsrecht erreicht werden. Da ein solches Zuschlags-
recht zur Sicherung kommunaler Eigenverantwortung ge-
eigneter bzw. wirksamer ist als ein Hebesatzrecht (s. unten
zu Artikel 1 Nr. 5), ist Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2
GG zu ergänzen.
Zu Buchstabe b
Eine wirklich effektive Sicherung des Konnexitätsprinzips
für die Kommunen ist zunächst formell nur durch eine Ver-
ankerung in Artikel 28 Abs. 2 GG zu erreichen. Eine Einfü-
gung bei Artikel 104a Abs. 3 GG, wie sie der einundsech-
zigste Deutsche Juristentag 1996 vorgeschlagen hat (Be-
schluss II der Abteilung Verfassungsrecht, in Sitzungsbe-
richte Bd. II/1, S. M 76) bzw. in den Absätzen 1, 2, 3 oder 5
von Artikel 104a GG würde ebenso wie eine Verankerung
beispielsweise in Artikel 106 Abs. 8 GG ein kommunal-
bezogenes Konnexitätsprinzip nur als objektiven Rechts-
grundsatz behandeln und damit aus Sicht der Kommunen
lediglich begrenzten Fortschritt bedeuten. Wichtig ist dem-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1247

gegenüber, dass ein verfassungsrechtlicher Zusammenhang
zur Finanzhoheit – in der geltenden Grundgesetzfassung in
Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 angesprochen – her-
gestellt wird und die Kommunen die Einhaltung des Kon-
nexitätsprinzips auch verfassungsgerichtlich überprüfen
lassen können. Entscheidend ist daher eine Absicherung des
Konnexitätsprinzips über die subjektive Rechtsstellungs-
garantie der Kommunen, da nur so eine wirkliche Verknüp-
fung von Aufgabenzugriff und finanziellem Ausgleich her-
gestellt werden kann. Deshalb ist eine Ergänzung des Arti-
kels 28 Abs. 3 GG um einen entsprechenden Satz notwen-
dig.
Bei der Formulierung dieser Konnexitätsgarantie hat sich
der Entwurf an jenen Landesverfassungen orientiert, die be-
reits ein striktes Konnexitätsprinzip enthalten. Es ist dies die
Mehrzahl der Flächenländer, während die anderen noch an
einem summarischen bzw. an einem relativen Konnexitäts-
prinzip festhalten. Insofern hat die Verankerung im Grund-
gesetz auch eine ganz eigene Bedeutung. Der Bund, d. h.
der Bundesgesetzgeber, wird davon nur marginal erfasst,
denn unmittelbare Aufgabendurchgriffe zu den Kommunen
sind ihm in der Regel untersagt. Gegenüber den Ländern ist
er ohnehin bereits durch Artikel 104a Abs. 1 und 2 GG zur
Konnexität verpflichtet. Hauptadressat sind deshalb die
Länder. Bei ihnen werden die Verfassungen, die den aufga-
benverlagernden Landesgesetzgeber normativ einschwö-
ren, nun – soweit noch dahinter zurückbleibend – auf das
Niveau der Grundgesetzfestlegung aufgestockt.
Kennzeichen des statuierten strikten gegenüber einem bloß
summarischen oder relativen Konnexitätsprinzips ist, dass
bei Aufgabenübertragungen nicht nur allgemein eine Be-
stimmung über die Deckung der Kosten getroffen werden
muss, sondern bei effektiver Mehrkostenveranlassung auch
ein voller finanzieller Ausgleich vorzusehen ist. Da die Ge-
meindeverbände – also zentral die Kreise – praktisch ge-
meindegleichwertige Selbstverwaltungsträger sind und ganz
ähnlich wie jene mit staatlich veranlassten Aufgaben belas-
tet werden, sind auch sie in das neue Konnexitätsprinzip
einzubeziehen.

Zu Artikel 1 Nr. 2
Die Beteiligung der Gemeinden an der Körperschaftsteuer
ist als Ersatz für die Gewerbesteuer notwendig, weil nur so
neben den Bürgern auch die ortsansässigen Kapitalgesell-
schaften zur Finanzierung der kommunalen Haushalte bei-
tragen.

Zu Artikel 1 Nr. 3
Statt der Gewerbesteuer können die Gemeinden eine Kom-
munalsteuer als Zuschlag zur Einkommen- und Körper-
schaftsteuer erheben. Sie soll in einem einheitlichen Steuer-
satz für die Einkommensteuerpflichtigen und die Kapitalge-
sellschaften gelten und ist damit rechtsformneutral.
Die Kommunalsteuer führt dazu, dass alle Einwohner und
Unternehmen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der
Finanzierung ihrer Gemeinde beteiligt werden. Der Kom-
munalsteuersatz wird auf der Lohnsteuerkarte gesondert
ausgewiesen und ist damit für Bürger und Unternehmen
auch transparent. Die Kommunalsteuer fördert damit die
Wahrnehmung der konkreten gemeindlichen Anstrengun-

gen und Finanzbedarfe, steigert das kritische Interesse für
die erbrachten Leistungen und animiert zur Beteiligung bei
der Selbstverwaltung.
Da sich durch diese kommunale Finanzreform das Steuer-
aufkommen insgesamt nicht verändern soll, sind Änderun-
gen der Steuergesetze durch den Gesetzgeber notwendig.
Wegen des Wegfalls der Gewerbesteuer dann z. B. die Kör-
perschaftsteuer so angehoben werden, dass die bisherige
durchschnittliche Belastung der Kapitalgesellschaften durch
Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer künftig der Belas-
tung durch Körperschaftsteuer plus Kommunalsteuer ent-
spricht. Weil die Kommunalsteuer der Einkommensteuer-
pflichtigen an die Stelle des bisherigen 15 %igen Anteils
der Gemeinden am Einkommensteueraufkommen tritt, sind
die Einkommensteuertarife entsprechend abzusenken. Auf-
kommensneutralität wäre etwa bei einem Kommunalsteuer-
satz von 17,5 % erreicht, weil 17,5 % von 85 den wegfallen-
den 15 % entsprechen. Letztlich soll die Höhe des Zu-
schlags aber von den Gemeinden selbst bestimmt, also vom
Gesetzgeber nicht festgeschrieben werden.
Durch die Einheitlichkeit des prozentualen Gemeindezu-
schlags zu Einkommen- und Körperschaftsteuer wird nicht
nur die Übersichtlichkeit des neuen Steuerinstrumentes ge-
währleistet, sondern auch der Verwaltungsaufwand niedrig
gehalten. Da die Gemeinden den Kommunalsteuerzuschlag
nach ihrem Finanzbedarf individuell festlegen, wird vor al-
lem die kommunale Eigenverantwortung gestärkt. Dadurch
entsteht zwischen den Gemeinden der erwünschte Wett-
bewerb, der möglichst günstige Ansiedlungsbedingungen
zeitigen will und ernsthafte Anreize zur Sparsamkeit bei der
Verwendung der Steuermittel erzeugt.
Zu Artikel 1 Nr. 4
Die Einnahmezuwächse bei den Ertragsteuern, die durch die
Abschaffung der Gewerbesteuer entstehen, und die zu er-
wartende bzw. empfohlene Anhebung der Körperschaft-
steuer führen zu Mehreinnahmen bei Bund und Ländern.
Für die Gemeinden verbliebe indessen trotz Einführung der
Kommunalsteuer noch ein Einnahmedefizit von etwa der
gleichen Größenordnung. Dieses Defizit muss über die Er-
höhung des Anteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer
ausgeglichen werden. Seit Abschaffung der Gewerbekapi-
talsteuer 1998 erhalten die Gemeinden bereits einen Anteil
von 2,2 % an der Umsatzsteuer. Wenn dieser Anteil etwa
um 9,8 %-Punkte auf 12 % erhöht würde, ergäbe sich nicht
nur eine weitgehende Aufkommensneutralität der konzi-
pierten Finanzverfassungsreform. Über den erhöhten Anteil
an der Umsatzsteuer gewännen die Gemeinden auch eine er-
giebige und im Grunde konjunkturunabhängige Einnahme-
quelle. Insoweit bedeutet die Verpflichtung zur „wesentli-
chen“ Beteiligung eine zwingende inhaltliche Vorgabe für
den Gesetzgeber. Es ist nicht mehr mit einem marginalen,
wenige Prozentpunkte umfassenden Anteil getan. Es muss
vielmehr ein nennenswertes, solides Stück des Gesamtauf-
kommens als Gemeindequote ausgewiesen werden.
Dass im Übrigen der Vorgabe aus Artikel 106 Abs. 5a
Satz 2 GG, der einen orts- und wirtschaftskraftbezogenen
Schlüssel für die Verteilung vorsieht, besser als bisher ent-
sprochen werden könnte, wenn man die Verteilung der Um-
satzsteuer ausschließlich nach der Zahl der sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigten (ohne Beschäftigte von Ge-

Drucksache 15/1247 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

bietskörperschaften, Behörden und Sozialversicherungen)
vornähme, sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt.
Auch dies anzuordnen, wäre indessen eine Aufgabe des ein-
fachen Gesetzgebers, die über das Gebot des Artikels 106
Abs. 5a Satz 2 GG hinaus nicht durch Verfassungsvorgaben
noch weiter stimuliert werden kann.
Zu Artikel 1 Nr. 5
Die Änderungen in Artikel 106 Abs. 6 GG entziehen der Er-
hebung der Gewerbesteuer die Grundlage. Man könnte die
Gewerbesteuer zwar auch bei unveränderter Grundgesetz-
fassung abschaffen, indem der einfache Gesetzgeber die
Vorschriften über ihre Erhebung beseitige. Denn die Be-
stimmungen über das Aufkommen der Gewerbesteuer
(ebenso wie der Grundsteuer) in Artikel 106 Abs. 6 GG a. F.
sind wohl so zu lesen, dass sie nur greifen, sofern der Ge-
setzgeber tatsächlich eine Erhebung von Gewerbesteuer
vorsieht. Der definitive Wegfall der Gewerbesteuer er-
scheint aber so wichtig und grundlegend, dass auch die
Grundgesetzfassung dem Rechnung tragen sollte. Die Än-
derungen schaffen Rechtsicherheit und vermeiden, dass eine
Diskussion wie um die Wiedererhebung der Vermögen-
steuer geführt wird.
Die Gewerbesteuer stellt im internationalen Vergleich eine
weitgehende Sonderbelastung für die Unternehmen in
Deutschland dar. Sie behindert Investitionen und die Schaf-
fung von Arbeitsplätzen. Sie wirkt wettbewerbsverzerrend.
Für die Gemeinden ist die Gewerbesteuer außerdem viel zu

konjunkturanfällig. Sie erschwert daher eine nachhaltige
Einnahmeplanung. Schließlich hat sich die Gewerbesteuer
durch mannigfache Befreiungstatbestände auch immer mehr
zu einer präsumtiven Großbetriebssteuer entwickelt. Die
Abschaffung einer ganzen Steuerart ist zudem ein wesent-
licher Beitrag zum Bürokratieabbau.
Eine Rekonstruktion oder Ausweitung der Gewerbesteuer
würde hunderttausende von Arbeitsstätten und Ausbil-
dungsbetrieben mit zusätzlicher Abgabenlast sowie Büro-
kratie überziehen. Forderungen, der Konjunkturanfälligkeit
der Gewerbesteuer durch eine Erweiterung der Bemes-
sungsgrundlage um ertragsunabhängige Anteile von Mie-
ten, Pachten und Leasingraten zu begegnen, würden sich als
wirtschaftspolitischer Bumerang erweisen und den Gemein-
den nicht helfen. Wenn der Staat unabhängig von der Er-
tragslage Steuern erhebt, wird die Eigenkapitaldecke der
Unternehmen noch dünner und die Insolvenzwahrschein-
lichkeit noch höher. Das gilt insbesondere für Unternehmen,
die nur geringe Gewinne machen oder gar Verluste schrei-
ben. Rezessive Kräfte würden verstärkt, was sich ebenso
nachteilig für die allgemeine Beschäftigungslage wie für die
öffentlichen Haushalte auswirken müsste. Die Gemeinden
brauchen statt der kontraproduktiven Gewerbesteuer eine
solidere, unbürokratische und stärker konjunkturunabhän-
gige Finanzgrundlage.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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