BT-Drucksache 15/1233

Normenflut wirksam bekämpfen - Überflüssige Normen abschaffen

Vom 25. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1233
15. Wahlperiode 25. 06. 2003

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Angelika Brunkhorst, Helga Daub, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther
Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef
Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion der FDP

Normenflut wirksam begrenzen – Überflüssige Normen abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Bestand des Bundesrechts beläuft sich mittlerweile auf ca. 90 000 Einzel-
vorschriften. Laut einer Antwort der Bundesregierung vom 7. Oktober 2002 auf
eine Große Anfrage (Bundestagsdrucksache 14/9993) waren in Deutschland
Ende 2002 2 197 Gesetze mit 46 779 Einzelvorschriften und 3 131 Rechtsver-
ordnungen mit 39 197 Einzelvorschriften zu beachten. Jedes Jahr kommen wei-
tere Vorschriften hinzu. Allein in der vorangegangenen Legislaturperiode sind
ca. 400 Gesetze verabschiedet und ca. 1 400 Verordnungen erlassen worden.
Dies alles führt zu einer undurchsichtigen Regelungsdichte. Die Bürger, aber
auch Experten innerhalb und außerhalb der Verwaltung sind zunehmend nicht
mehr in der Lage, die Vielzahl an Vorschriften zu verstehen und anzuwenden.
Das führt letztlich zu mangelnder Transparenz des gesamten Rechtssystems
und zu Rechtsunsicherheit für die Bürgerinnen und Bürger. Es entsteht aber
auch ein erhebliches Vollzugsdefizit durch die mangelhafte Anwendung von
Gesetzen und Rechtsvorschriften durch die Verwaltung. Hinzu kommen immer
mehr gesetzliche Vorgaben aus der Europäischen Union. Schon deshalb muss
jedes Land in seinem eigenen Bereich für so wenig Vorschriften wie möglich
sorgen.
Darüber hinaus verursacht alleine die Existenz überflüssiger Normen volks-
wirtschaftliche Kosten erheblichen Ausmaßes. Unternehmen werden durch
antiquierte Vorschriften unnötig in ihrer unternehmerischen Freiheit ein-
geschränkt und müssen Ressourcen vorhalten, die die Einhaltung dieser Vor-
schriften überwachen. Für die Bürger wird es zunehmend schwerer und
teilweise unmöglich zu erkennen, wie sie sich rechtstreu zu verhalten haben.
Dieser unnötige Bürokratieaufwand schadet allen und nützt niemandem.

Drucksache 15/1233 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Die Ursachen sind vielschichtig und auch die Lösung dieses Problems muss
differenziert angegangen werden. Für bereits existierende Normen sind Maß-
nahmen zur Rechtsbereinigung zu ergreifen, wie sie in einigen Bundesländern
bereits erfolgreich praktiziert werden (z. B. Rheinland-Pfalz). Hinsichtlich zu-
künftiger Rechtsetzungsvorhaben bedarf es verschiedener Maßnahmen, um
eine unnötige weitere Normenflut zu verhindern.
Dabei sind Normen grundsätzlich daraufhin zu überprüfen, ob sie auf 5 Jahre
befristet und mit einem Verfallsdatum versehen werden können. Dadurch wird
eine Umkehr der Beweislast erreicht: Es muss grundsätzlich nicht mehr derje-
nige, der eine Norm für überflüssig hält, den Beweis dafür erbringen. Vielmehr
muss derjenige, der für den Fortbestand einer Vorschrift eintritt, die Gründe da-
für darlegen. Normen ohne Befristung sind nach 5 Jahren dahin gehend zu
überprüfen, ob ihr Fortbestand notwendig ist.
Im Hinblick auf das Exekutivrecht stellt eine generelle Befristung von Ver-
ordnungen und Verwaltungsvorschriften ein geeignetes Mittel dar, bereits den
Erlass, aber in besonderer Weise den Fortbestand unnötiger Vorschriften zu
vermeiden.
Die Gesetzesfolgenabschätzung ist auf alle Bereiche der Gesetzgebung auszu-
weiten. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, bereits vor der Verabschiedung
eines Gesetzes die Auswirkungen einer Regelung bzw. das Unterlassen einer
Regelung zu untersuchen. Die Gesetzesbegründungen sind entsprechend zu er-
gänzen. In einem ersten Schritt sind zumindest die sog. blauen Prüffragen, die
die Bundesministerien des Innern und der Justiz bereits in den 80er Jahren zur
Notwendigkeit, Wirksamkeit und Verständlichkeit von Rechtsetzungsvorhaben
des Bundes entwickelt haben, wieder einzuführen und bei jedem Gesetzesvor-
haben zentral zu prüfen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. neue Gesetze grundsätzlich daraufhin zu überprüfen, ob sie auf 5 Jahre be-

fristet und mit einem Verfallsdatum versehen werden können. Gesetze ohne
Befristung sind nach 5 Jahren dahin gehend zu überprüfen, ob ihr Fortbe-
stand notwendig ist;

2. neue Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften des Bundes grund-
sätzlich auf 5 Jahre zu befristen und so mit einem Verfallsdatum zu verse-
hen;

3. jährlich ein Rechtsbereinigungsgesetz vorzulegen, das bestehende und nicht
mehr erforderliche Gesetze und Rechtsverordnungen in Teilen oder vollstän-
dig aufhebt;

4. die sog. blauen Prüffragen zur Gesetzesfolgenabschätzung wieder einzu-
führen und für jedes Gesetzesvorhaben zur Anwendung zu bringen und die
Prüfung jeweils zu dokumentieren. Zuständig für die Prüfung der Rechts-
förmlichkeit ist das Bundesministerium der Justiz.

Berlin, den 25. Juni 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion der FDP

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