BT-Drucksache 14/9946

Neue Beschäftigung - schnelle Vermittlung - erstklassiger Service. Reformvorschläge der Hartz-Kommission unverzüglich umsetzen

Vom 11. September 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9946
14. Wahlperiode 11. 09. 2002

Antrag
der Abgeordneten Klaus Brandner, Franz Thönnes, Doris Barnett, Peter Dreßen,
Konrad Gilges, Wolfgang Grotthaus, Walter Hoffmann (Darmstadt), Renate Jäger,
Anette Kramme, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Brigitte Lange, Erika Lotz,
Lothar Mark, Andrea Nahles, Leyla Onur, Adolf Ostertag, Renate Rennebach,
Silvia Schmidt (Eisleben), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Ludwig Stiegler und der
Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neue Beschäftigung – schnelle Vermittlung – erstklassiger Service
Reformvorschläge der Hartz-Kommission unverzüglich umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die weltweite Konjunkturkrise hat Deutschland aufgrund seiner exportorien-
tierten Wirtschaft besonders hart getroffen. Die Auswirkungen des Terror-
anschlags vom 11. September 2001 und der Einbruch des neuen Marktes führ-
ten zu weiteren Beeinträchtigungen. Die aufgrund der außenwirtschaftlichen
Situation verzögerte konjunkturelle Erholung erfordert zusätzliche Anstrengun-
gen am Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt.
Parallel zur weltweiten Konjunkturschwäche sind organisatorische Defizite des
deutschen Arbeitsmarktes offenbar geworden. Offene Stellen werden nicht
schnell genug besetzt, Arbeitssuchende haben oftmals nicht die benötigten
Qualifikationsprofile. Zudem ist deutlich geworden, dass die Arbeitsverwal-
tung in ihrer derzeitigen Struktur – trotz des Engagements ihrer Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter – die Umsetzung der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik der
Bundesregierung nicht ausreichend gewährleisten kann.
Zu Jahresbeginn ist das Job-AQTIV-Gesetz in Kraft getreten. Eine aktivierende
und auf die Steigerung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit zielende Ar-
beitsmarktpolitik sichert vorhandene Beschäftigung und unterstützt die Schaf-
fung neuer Arbeitsplätze. Angesichts der Herausforderungen muss dieser An-
satz jedoch gestärkt und seine Umsetzung durch organisatorische Reformen un-
terstützt werden.
Die Bundesregierung hat auf die Probleme unverzüglich reagiert und sich ihrer
beschäftigungspolitischen Verantwortung gestellt. Im Zuge der Sofortmaßnah-
men zur Reform der Arbeitsverwaltung ist die Führungsstruktur der Bundes-
anstalt für Arbeit modernisiert und stärker nach privatwirtschaftlichem Vorbild
ausgerichtet worden. Die Eingliederungschancen von Arbeitssuchenden sind
durch den Ausbau von Vermittlungskapazitäten in den Arbeitsämtern und
durch mehr Wettbewerb mit privaten Arbeitsvermittlern verbessert worden. In

Drucksache 14/9946 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

einem zweiten Schritt hat die Bundesregierung mit der Einsetzung der Kom-
mission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz-Kommission)
die Weichen für grundlegende Reformen am Arbeitsmarkt gestellt.
Am 16. August 2002 hat die Hartz-Kommission ihren Bericht vorgelegt. Sie
hat diesen einstimmig beschlossen. Damit ist es gelungen, eine breite Allianz
der Vernunft von Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und
Wissenschaft zu schmieden. Der Bericht beweist nachdrücklich: Flexible Ar-
beitsmärkte und soziale Gerechtigkeit müssen kein Gegensatz sein. Sie sind
zwei Seiten einer Medaille.
Die Hartz-Kommission entwirft eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Ihre
Vorschläge richten sich auf die Vermeidung und den Abbau von Arbeitslosig-
keit sowie auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Kommission verzichtet
auf generelle Kürzungen von Unterstützungsleistungen bei unverschuldeter
Arbeitslosigkeit, setzt jedoch das Prinzip des „Fördern und Fordern“ fair und
konsequent um. Zudem erhält jeder erwerbsfähige Arbeitslose einen Zugang zu
allen Leistungen der Arbeitsförderung.
Jetzt bietet sich die Chance, eine weitreichende und grundlegende Reform des
Arbeitsmarktes im gesellschaftlichen Konsens umzusetzen und nachhaltige
Weichenstellungen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vorzunehmen.
Mit dem Beschluss der Eckpunkte für eine neue Ordnung auf dem Arbeits-
markt vom 21. August 2002 hat sich die Bundesregierung die Vorschläge der
Hartz-Kommission zu Eigen gemacht. Die größte Arbeitsmarktreform der
Nachkriegsgeschichte ist eingeleitet.
In den letzten Wochen ist eine Welle der Solidarität durch unser Land gegan-
gen. Die Menschen erwarten konkretes Handeln. Die Reform zur Bewältigung
der Arbeitslosigkeit kann nur gelingen, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte
ihrer Verantwortung nachkommen. Die Hartz-Kommission hat von Anfang an
um einen breit angelegten Konsens gerungen und ihn erreicht. Dieser Erfolg
verlangt allen Interessengruppen – vor allem Arbeitgebern und Gewerkschaften –
etwas ab. Er bietet die Chance, alle auf dem Weg der Umsetzung mitzunehmen.
Gewinner werden die Arbeitslosen sein und damit die gesamte Gesellschaft.
Die Reform wird die finanziellen Belastungen durch die hohe Arbeitslosigkeit
bei den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen, aber auch bei Bund,
Ländern und Kommunen deutlich verringern und Ressourcen für andere
Aufgaben frei setzen. Dazu gehören unter anderem verstärkte Investitionen in
Qualifizierung sowie Maßnahmen zur Integration von Arbeitslosen. Bei sin-
kender Arbeitslosigkeit können ebenso die finanziellen Spielräume zur Sen-
kung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags und damit zur Entlastung für Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber genutzt werden.
Die konstruktive gesellschaftliche Debatte darf nicht zerredet werden. Das Ge-
samtkonzept der Hartz-Kommission wird umgesetzt. Die widersprüchlichen
und durch Egoismen geprägten Äußerungen aus der Opposition verdeutlichen,
dass sie verantwortungs- und konzeptlos dem gesellschaftlichen Wandel gegen-
über steht. Die Herauslösung einzelner Teile würde die volle Wirkungskraft,
die soziale Balance und die breite gesellschaftliche Akzeptanz des Reformvor-
habens gefährden. Nur als Ganzes weist es den Weg in eine neue Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt. Die einzelnen Maßnahmen der Umsetzung werden sich in
den finanzpolitischen Konsolidierungskurs der Bundesregierung einfügen.
Daher appelliert der Deutsche Bundestag an alle gesellschaftlichen Kräfte, sich
ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung zu stellen und interessengelei-
tete Blockaden aufzugeben.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9946

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt den raschen Beginn der Umsetzung der
vorgeschlagenen Maßnahmen:

Auf der Basis der am 21. August 2002 vom Bundeskabinett beschlossenen Eck-
punkte für eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt bereitet die Bundesregie-
rung die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen vor. Dazu hat die Bun-
desregierung einen Staatssekretärsausschuss zur Koordinierung und Beschleu-
nigung der Arbeiten eingerichtet. Dieser berichtet dem Bundeskabinett regel-
mäßig über Zeitplan und Stand der Umsetzung.
Mit den Vorarbeiten für die erforderlichen Gesetzänderungen ist bereits begon-
nen worden. Soweit die Umsetzung ohne Gesetzänderungen erfolgen kann, er-
folgt sie noch in diesem Jahr. Dies betrifft vor allem den Job-Floater, der als
Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgestaltet wird. Die Bundesan-
stalt für Arbeit hat am 22. August 2002 die von ihr untergesetzlich vorzuneh-
menden organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschläge der
Hartz-Kommission bekannt gegeben und mit ihrer Realisierung begonnen. Bis
Mitte 2003 sollen bundesweit flächendeckend JobCenter eingerichtet sein.
Noch in diesem Jahr sollen die ersten 50 PersonalServiceAgenturen ihre Arbeit
aufnehmen.
Ziel der gemeinsamen Anstrengungen ist ein Inkrafttreten der wesentlichen ge-
setzlichen Regelungen bereits zum 1. Januar 2003. Die Zusammenführung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe für erwerbsfähige Personen wird unmittelbar
nach Abschluss der Arbeit der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen
im Jahr 2003 erfolgen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
Die Umsetzung der Reform setzt sowohl auf der Nachfrage- als auch der Ange-
botsseite des Arbeitsmarktes an. Dies erfolgt durch Maßnahmen auf drei Hand-
lungsfeldern:
1. Schaffung neuer Arbeitsplätze
2. Zusammenbringen von Arbeitslosen und offenen Stellen
3. Schaffung kundenfreundlicher und effizienter Strukturen in der Bundesan-

stalt für Arbeit

Die weitere Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission soll sich an den
nachfolgenden Eckpunkten ausrichten:
1. Schaffung neuer Arbeitsplätze
PersonalServiceAgenturen in jedem Arbeitsamtsbezirk einrichten
Zeitarbeit ist ein Weg, Beschäftigungspotenziale für die zusätzliche Beschäfti-
gung von Arbeitslosen zu erschließen. Vermittlungsorientierte Zeitarbeit ist
eine Brücke aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung und bietet neben der In-
tegration in den Betrieb neue Möglichkeiten zur betriebsnahen Qualifizierung.
In jedem Arbeitsamtsbezirk sind daher PersonalServiceAgenturen einzurichten,
die Arbeitslose tariflich abgesichert in Zeitarbeit beschäftigen. Die Entlohnung
in den PersonalServiceAgenturen wird durch Tarifverträge geregelt. Die Be-
schäftigung in den PersonalServiceAgenturen erfolgt mit dem vorrangigen Ziel
der Einmündung in dauerhafte Beschäftigung. Die PersonalServiceAgenturen
können in unterschiedlichen Rechtsformen errichtet werden: Durch Auftrag an
ein privates Unternehmen, in Form einer Kooperation zwischen privaten Unter-
nehmen und dem Arbeitsamt oder in eigener Trägerschaft des Arbeitsamtes.

Drucksache 14/9946 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Von der Einrichtung der PersonalServiceAgenturen profitiert besonders die
mittelständische Wirtschaft. Dieser wird ein verbesserter Weg zur Mitarbeiter-
gewinnung und zur Umwandlung von Überstunden eröffnet.
Mit ihrer Tariforientierung werden die PersonalServiceAgenturen der Zeit-
arbeitsbranche ein Leitbild vorgeben. Dies leistet einen entscheidenden Beitrag
zur weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen und erhöht die Akzeptanz
der Zeitarbeit. Wir erwarten von den Tarifvertragsparteien, dass sie entspre-
chende Tarifverträge abschließen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für
die Arbeitnehmerüberlassung sollen durch die Einführung von Tariföffnungs-
klauseln im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz flexibilisiert werden.

Beschäftigung fördern – Selbständigkeit stärken – Schwarzarbeit abbauen
Die Beschäftigungspotenziale im wachsenden Dienstleistungssektor müssen im
Interesse einer nachhaltigen Verringerung der Arbeitslosigkeit stärker erschlos-
sen werden. Durch Förderanreize lassen sich zusätzliche Arbeitsplätze ins-
besondere im Bereich der hauswirtschaftlichen Dienstleistungen gewinnen.
Vorrangiges Ziel ist dabei die Schaffung zusätzlicher sozialversicherungs-
pflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Gleichzeitig werden neue und sozial
abgesicherte Wege in die Selbstständigkeit erprobt. Durch diese beiden Hand-
lungsansätze lässt sich auch die Schwarzarbeit in diesem Sektor wirkungsvoll
zurückdrängen.
Die Inanspruchnahme von hauswirtschaftlichen Dienstleistungen in Privat-
haushalten wird zukünftig durch einen Abzug von der Steuerschuld bzw. durch
eine steuerfinanzierte Zulage gefördert. Die Beschäftigung der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer, die diese Dienstleistung erbringen, kann unmittelbar
durch den Privathaushalt erfolgen. Die Haushalte können jedoch auch Dienst-
leistungsagenturen oder Unternehmen beauftragen. Das Netz familien- und
haushaltsbezogener Dienstleister wird so ausgebaut. Bei sozialversicherungs-
pflichtiger Beschäftigung fällt die Förderung an die Privathaushalte höher aus,
als wenn die Dienstleistungen lediglich in Form von geringfügiger Beschäfti-
gung erbracht werden.
Bei hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen, die durch Privathaus-
halte begründet werden, wird die Geringfügigkeitsgrenze auf 500 Euro erhöht
(Minijobs). Der arbeitgebende Privathaushalt entrichtet einen pauschalen
Sozialversicherungsbeitrag in Höhe von 10 Prozent. Das Meldeverfahren zur
Sozialversicherung wird durch ein unkompliziertes Haushaltsscheckverfahren
wesentlich vereinfacht. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst
bleibt diese geringfügige Beschäftigung in einem Minijob steuerfrei.
Mit der Ich-AG bzw. Familien-AG werden neue und erleichterte Wege in die
Selbstständigkeit geöffnet. Die Ich-AG entspricht den Anforderungen eines
sich wandelnden Arbeitsmarktes. Sie ermöglicht es Gründerinnen und Grün-
dern – sozial abgesichert – eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Sie wer-
den in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen. Wer zuvor arbeitslos
war, erhält zur Entlastung von Beitragskosten für die Zeit von drei Jahren einen
degressiv gestalteten Zuschuss. Die Förderung von Existenzgründungen aus
der Arbeitslosigkeit heraus hat sich als besonders erfolgreiches Instrument der
Arbeitsmarktpolitik bewährt. Mit der Ich-AG wird gerade Arbeitslosen ein
attraktiver Weg eröffnet, wieder in eine Erwerbstätigkeit einzusteigen.
Die Betätigung in Form einer Ich-AG soll bis zu einer Einkommensgrenze von
25 000 Euro möglich sein. Ihr Einkommen wird pauschal mit 10 Prozent be-
steuert. Auf eine Einnahmen-Überschussrechnung und eine Bilanzierung wird
dabei verzichtet. Die Abführung der Umsatzsteuer entfällt, wenn die Freistel-
lungsoption für kleine Unternehmen gemäß § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG)
gewählt wird.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9946

Beschäftigungspotenziale in Ostdeutschland mobilisieren – Job-Floater
finanziert neue Arbeitsplätze
Die Wirtschaftsförderung und aktive Arbeitsmarktpolitik des Bundes haben in
den neuen Ländern maßgeblich zur Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur und zur Steigerung der Produktivität beigetragen. Da das eigene
Wachstumspotential in vielen Regionen der neuen Länder noch nicht ausreicht,
ist die Steigerung des Beschäftigungspotenzials durch eine gezielte Vernetzung
von regionaler Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu unterstützen.
Hierfür sind die Landesarbeitsämter – unter Umgestaltung ihrer bisherigen
Funktion als Mittelinstanzen der Bundesanstalt für Arbeit – in enger Abstim-
mung mit den Ländern aus der Arbeitsverwaltung herauszulösen. Sie werden
zu Kompetenzzentren für den regionalen Beschäftigungsaufbau weiterent-
wickelt. Ihre zukünftigen Aufgaben sind die Beratung von Unternehmen bei
Beschäftigungsproblemen, die Unterstützung bei Neuansiedlung und Neugrün-
dungen sowie die Ermittlung des regionalen Arbeitskräftebedarfs. Die Kompe-
tenzzentren fungieren als Ansprechpartner für die Landesregierungen zur
Durchführung beschäftigungsbezogener Landesprogramme.
Den Ländern wird angeboten, ihre eigenen Investitionsprogramme und An-
strengungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung sowie der Beschäfti-
gungsförderung über die Kompetenzzentren mit den vielfältigen Anstrengun-
gen des Bundes wirkungsvoll zu vernetzen. Dabei muss sichergestellt werden,
dass ein bedeutender Anteil der Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik des
Bundes auch weiterhin in den neuen Ländern eingesetzt wird.
Durch zusätzliche Investitionen in die kommunale Infrastruktur wird die regio-
nale Nachfrage gestärkt. Finanzielle Entlastungen, die sich aufgrund der Um-
setzung der Kommissionsvorschläge in den Haushalten der Kommunen erge-
ben, sollen vorrangig für kommunale Investitionen eingesetzt werden. Diese
Anstrengungen der Kommunen sind durch eine Verzahnung mit arbeitsmarkt-
politischen Instrumenten (insbesondere Beschäftigung schaffende Infrastruk-
turförderung) besonders zu unterstützen.
Der Job-Floater ist als innovatives Instrument zur Schaffung von Arbeitsplät-
zen einzuführen. Erstmalig wird mit dem Instrument des Job-Floaters die Ein-
stellung von Arbeitslosen mit dem Zugang zu günstigen Finanzierungsmög-
lichkeiten verknüpft. Dafür stellt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein
neuartiges Darlehensprogramm zur Verfügung. Vorgesehen sind Finanzie-
rungspakete, die aus einem nachrangigen Darlehen als Eigenkapitalkompo-
nente und einem klassischen Darlehen kombiniert angeboten werden. Hierbei
sollen sich die Zinsen am unteren Rand des Marktüblichen orientieren. Das
Darlehensprogramm wird über die KfW am Kapitalmarkt refinanziert werden.
Das Programmvolumen soll in einer ersten Phase eine Größenordnung von
10 Mrd. Euro erreichen.
Der Job-Floater soll als Optionsrecht ausgegeben werden, das Arbeitslose ih-
rem künftigen Arbeitgeber „mitbringen“. Das Optionsrecht berechtigt zur Ge-
währung eines Darlehens in Höhe von bis zu 100 000 Euro je eingestellten Ar-
beitslosen, entsprechend den Konditionen des Programms. Eingelöst werden
können die Job-Floater, die erforderliche Bonität vorausgesetzt, bei der jeweili-
gen Hausbank. Zur Einlösung berechtigt sind Unternehmen, die Arbeitslose
nach Ablauf der Probezeit übernehmen, Existenzgründerinnen und -gründer,
die Unternehmen aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet haben, und Betrei-
bergesellschaften, welche im Rahmen von public private partnerships öffent-
liche Investitionen vornehmen oder öffentliche Einrichtungen betreiben, bei
denen Arbeitslose einen Arbeitsplatz erhalten.
Die Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Unternehmen
soll im Rahmen des Job-Floaters verstärkt gefördert werden. So kann bei der

Drucksache 14/9946 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Einlösung des Job-Floaters vereinbart werden, dass sich die vormals arbeitslo-
sen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Tilgung des Darlehens betei-
ligen und dafür eine Beteiligung an dem Unternehmen erhalten.
Über die KfW soll ein Infrastrukturprogramm zur Verfügung gestellt werden,
welches langfristige Kommunaldarlehen anbietet. Mit bis zu fünf tilgungsfreien
Jahren und einer Gesamtlaufzeit bis zu 30 Jahren wird eine der Finanzsituation
der Kommunen angepasste haushaltsschonende Finanzierung ermöglicht. Dies
berücksichtigt in besonderem Maße die Belange der ostdeutschen Kommunen.

Verantwortung für Beschäftigungssicherung – neue Arbeit fördern
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen bei der Sicherung und beim Aufbau
von Beschäftigung stärker beraten und unterstützt werden. Hierfür werden Job-
Center und Kompetenzzentren die neue Dienstleistung der Beschäftigungsbera-
tung anbieten. Die Beschäftigungsberatung soll sich auf alle Handlungsfelder
erstrecken, die die Sicherung und die Schaffung von Beschäftigung unterstüt-
zen.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden aufgefordert, die beschäfti-
gungsrelevanten Auswirkungen unternehmerischen Handels und die Folgen für
den regionalen Arbeitsmarkt transparenter zu machen. In Zusammenarbeit mit
den Sozialpartnern soll hierfür eine Initiative zum Beschäftigungs-Audit ge-
startet werden. Die beteiligten Unternehmen werden freiwillig Beschäftigungs-
bilanzen erstellen. Diese ergeben insbesondere Aufschluss über Struktur und
Entwicklung der Belegschaft. Weiter informieren diese Bilanzen über erfolg-
reiche Vorhaben der Sicherung und des Ausbaus von Beschäftigung.
Die Bundesanstalt wird einen Bonus für Unternehmen einführen, die einen be-
sonderen Beitrag zum Ausbau der Beschäftigung leisten. Der Maßstab hierfür
wird die – um Lohnsteigerungen bereinigte – Steigerung der Jahresbeiträge zur
Arbeitslosenversicherung sein. Bei der Bewertung des Beschäftigungsausbaus
sind die Unterschiede zwischen Klein- und Mittelbetrieben einerseits und
Großbetrieben andererseits angemessen zu berücksichtigen.

2. Zusammenbringen von Arbeitslosen und offenen Stellen
JobCenter einführen – Dienstleistungsangebot verbessern
Es werden flächendeckend JobCenter eingeführt. Sie sollen allen Arbeitslosen
– auch den erwerbsfähigen Empfängern von Sozialhilfe – umfassende Hilfen
aus einer Hand anbieten. Ziel ist es, die doppelten Zuständigkeiten von Arbeits-
und Sozialamt zu beseitigen. Die Erfahrungen aus den Modellprojekten zur
besseren Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe
(MoZArT) sowie die Ergebnisse der Kommission zur Reform der Gemeinde-
finanzen sind in den Prozess der Umgestaltung einzubeziehen.
Die für die Betreuung der Erwerbsfähigen notwendigen und sinnvollen Dienst-
leistungen aus den Bereichen Jugendamt, Wohnungsamt, Drogen-, Sucht- und
Schuldnerberatung werden mit den neu strukturierten Dienstleistungen der Ar-
beitsverwaltung unter einem Dach organisatorisch zusammengefasst. Die Job-
Center haben die Aufgabe, den Zugang zu allen erforderlichen Beratungs-,
Vermittlungs- und Integrationsleistungen sowie zu den Geldleistungen zur
Sicherstellung des Lebensunterhalts zu erschließen. Ziel ist es einen vermitt-
lungsorientierten und schnelleren Kundenservice optimal anzubieten. Dazu ge-
hören insbesondere eine klare, kundenfreundliche Gliederung der Zuständig-
keiten innerhalb des JobCenters.
Die Organisation der JobCenter ist so zu gestalten, dass die Dienstleistungen
für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – der zweiten wichtigen Kundengruppe
– optimal und bedarfsgerecht erbracht werden können. Dies soll dazu beitra-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9946

gen, dass die Bereitschaft der Wirtschaft zur Zusammenarbeit steigt. Die Ar-
beitgeber stehen dabei in der Verantwortung, die offenen Stellen den JobCen-
tern zur Besetzung zu melden. In allen JobCentern stehen für die Beratung der
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber speziell geschulte Mitarbeiterteams bereit,
die über die nötige Branchenkenntnis verfügen. Ergänzt werden soll dies durch
die verstärkte Zusammenarbeit mit Dritten. Die Dienstleistung für Arbeitgeber
hat insbesondere die Vermittlung, Beratung bei der beruflichen Qualifizierung
der Belegschaft, die Anwendung von Arbeitszeitmodellen und gegebenenfalls
die Unterstützung in Krisensituationen zu umfassen.
Für die berufliche Eingliederung von Arbeitslosen, die einer besonderen Unter-
stützung bedürfen, wird ein umfassendes Fall-Management zur Verfügung ge-
stellt. Im Rahmen des Fall-Managements wird bei besonderen Problemlagen
die Zusammenarbeit mit anderen Hilfeanbietern systematisch organisiert. Auf-
gabe der JobCenter ist es, im Rahmen regionaler Netzwerke insbesondere die
Kompetenzen der Kommunen, ihrer Fachdienste und der regionalen Wirt-
schaftsförderungsinstitutionen in den Hilfeprozess einzubinden.
Die Integration in Beschäftigung darf nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass
erforderliche Daten nicht verfügbar sind. Die für die Zusammenarbeit der Job-
Center mit anderen Verwaltungsstellen und Dritten maßgeblichen Bestimmun-
gen sind so zu gestalten, dass der Austausch von vermittlungsrelevanten Daten
im Interesse der Kunden erleichtert wird.

Vermittlung verbessern – Aktionszeit nutzen – Leistungsbearbeitung verein-
fachen – Engagement einfordern
Arbeitslosigkeit lässt sich am besten vermeiden, bevor sie entsteht. Der Zeit bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist kommt dabei eine große Bedeutung als Ak-
tionszeit zu. Daher werden die Arbeitssuchenden verpflichtet, unverzüglich
nach der Kündigung oder – sofern sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis
stehen – spätestens einen Monat vor Beendigung der Beschäftigung die bevor-
stehende Arbeitslosigkeit zu melden und die Vermittlungsdienste in Anspruch
zu nehmen. Erfüllen sie diese Mitwirkungsverpflichtung nicht, wird das Ar-
beitslosengeld angemessen gekürzt.
Im Gegenzug werden die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, Ar-
beitssuchende während der Kündigungsfrist – bei befristeten Beschäftigungs-
verhältnissen spätestens einen Monat vor Beendigung der Beschäftigung – un-
ter Fortzahlung des Entgelts zeitweise für die Beschäftigungssuche von der
Arbeit freizustellen und zu unterstützen. Dazu zählt auch die Ermöglichung von
Qualifizierungsmaßnahmen im Hinblick auf eine neue Beschäftigung. Dabei
sind im vertretbaren Umfang bestehende Urlaubsansprüche und Arbeitszeitgut-
haben einzusetzen. Über geplante Entlassungen sollen die Arbeitgeber die Job-
Center schnell unterrichten, um ein gemeinsames Handeln abzusprechen.
Die Arbeitsmotivation der Arbeitsvermittler in den JobCentern soll gestärkt
werden, auch durch Elemente einer leistungsorientierten Bezahlung. Gleichzei-
tig sind die Vermittler von nicht unmittelbar vermittlungsrelevanten Tätigkeiten
zu entlasten. Außerdem müssen Verwaltungsaufgaben abgebaut werden, um
Vermittlungsaktivitäten zu stärken. Dazu ist es notwendig, die Berechnung der
Höhe des Arbeitslosengeldes und damit die Bearbeitung der Leistungsanträge
deutlich zu vereinfachen. Ziel ist es, bei der Beantragung von Entgeltleistungen
die Anspruchshöhe sofort festzustellen. Hierfür soll eine JobCard für alle Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Beachtung des Datenschutzes einge-
führt werden. Mittels der JobCard werden diejenigen Daten der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer elektronisch abrufbar gemacht, die die JobCenter im
Fall der Arbeitslosigkeit benötigen. Auch im Leistungsrecht ist es notwendig,
Vereinfachungen vorzunehmen, um die Verwaltungsabläufe zu entbürokratisie-

Drucksache 14/9946 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ren. Dazu gehört etwa bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes der Verzicht
auf die Anpassung des Bemessungsentgelts an die Entwicklung der Brutto-
arbeitsentgelte. So können sich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ar-
beitsämter auf die Kernaufgabe Vermittlung konzentrieren.
Solidarischer Zusammenhalt und Eigenverantwortung bedingen einander. Nur
wer auch selbst aktiv ist, kann auf die Unterstützung der Gemeinschaft bauen.
Verstärkte Bemühungen der Arbeitsverwaltung korrespondieren daher mit der
Forderung nach eigenem Engagement. Zukünftig wird von Arbeitslosen unter
Berücksichtigung ihrer familiären Situation eine größere Bereitschaft zur Mo-
bilität erwartet. In diesem Sinne erfolgt eine Präzisierung und Differenzierung
hinsichtlich der geografischen Zumutbarkeit. Die notwendige Mobilität wird fi-
nanziell unterstützt. Die Balance zwischen Fördern und Fordern bleibt gewahrt.
Wer ohne wichtigen Grund eine zumutbare Arbeit ablehnt oder eine berufliche
Eingliederungsmaßnahme abbricht, muss mit einer Sperrzeit bei den Lohn-
ersatzleistungen rechnen. Die Beweislast soll sich nach der jeweiligen Verant-
wortungssphäre richten: Das JobCenter ist für seinen und den Bereich des
(potenziellen) Arbeitgebers darlegungs- und nachweispflichtig, der Arbeits-
suchende für die mit seiner Person verbundenen Hinderungsgründe. Die bishe-
rigen starren Sperrzeiten werden in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Ver-
stöße stärker gestuft.

Chancengleichheit verwirklichen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf ver-
bessern – Kinderbetreuung ausbauen
Die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Ge-
sellschaftsbereichen ist ein wichtiges politisches Ziel. Von zentraler Bedeutung
ist die Herstellung der Chancengleichheit im Erwerbsleben. Denn Frauen sind
hier immer noch benachteiligt. Der Wirtschaftsstandort Deutschland kann inter-
national nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn erstklassig ausgebildete und leis-
tungsbereite Frauen ihre Fähigkeiten auch beruflich nutzen können. Eine bes-
sere Vereinbarkeit von Familie und Beruf hilft auch mit, den drohenden Fach-
kräftemangel zu vermeiden.
Die JobCenter müssen den Berufseinstieg von Frauen aktiv unterstützen. Er-
weiterte Serviceangebote sollen den Beratungs- und Vermittlungsbedürfnissen
von Frauen gerecht werden und zum Erhalt ihrer Qualifikation in einer Berufs-
pause beitragen. So tragen die JobCenter unterschiedlichen Lebensentwürfen
von Männern und Frauen Rechnung.
Das Arbeitsförderungsrecht hat bereits einen Beitrag zur Verwirklichung der
Chancengleichheit geleistet, indem es den Gender-Mainstreaming-Ansatz mit
speziellen Frauenfördermaßnahmen kombiniert: Damit werden die Berufschan-
cen von Frauen bei allen arbeitsmarktpolitischen Programmen und Maßnahmen
berücksichtigt.
Mit dem Job-AQTIV-Gesetz wurde sichergestellt, dass Frauen als Berufsrück-
kehrerinnen nach der Erziehungszeit künftig besser abgesichert sind. Es ermög-
licht auch Eltern mit Kinderbetreuungspflichten an Maßnahmen der aktiven
Arbeitsmarktförderung teilzunehmen. Darüber hinaus sollen die Arbeitsämter
in enger Kooperation mit Ländern und Kommunen, aber auch unter Beteiligung
der Unternehmen, arbeitszeitbezogene Kinderbetreuung für arbeitssuchende
Eltern erschließen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird aufgefordert, unverzüg-
lich mit den Kommunen Vereinbarungen zu treffen, um eine arbeitszeitbezo-
gene Kinderbetreuung sicherzustellen. Die Arbeitsaufnahme darf nicht an feh-
lenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten scheitern.
Zusätzlich zu den Anstrengungen von Arbeitsverwaltung, Ländern, Kommu-
nen und Arbeitgebern wird der Bund im Rahmen des bundesweiten Programms

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/9946

„Zukunft Bildung und Betreuung“ vier Mrd. Euro für die Errichtung von ca.
10 000 zusätzlichen Ganztagsschulen in den nächsten vier Jahren bereitstellen.
Damit leistet er einen spürbaren Beitrag zur Sicherung von Betreuungsangebo-
ten und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven von Jugendlichen verbessern
Jeder junge Mensch in der Bundesrepublik Deutschland soll ein Ausbildungs-
oder Beschäftigungsangebot erhalten. Die Wirtschaft hat sich im Bündnis für
Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit dazu verpflichtet, jedem aus-
bildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein solches Angebot zu machen.
Die Bundesregierung soll auf die Einhaltung dieser Verpflichtung drängen. Zu-
gleich sind das erfolgreiche Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeits-
losigkeit (JUMP) und die Förderung des die betriebliche Ausbildung ergänzen-
den außerbetrieblichen Lehrstellenangebotes (Ausbildungsplatzprogramm Ost)
fortzuführen. Eine Aufgabe von JUMP ist es dabei, auch Jugendlichen, die
noch nicht ausbildungsfähig sind, den Weg in eine Ausbildung zu öffnen. Die
erfolgreichen Instrumente von JUMP werden ab 2004 in die Regelförderung
übernommen. Die JobCenter müssen die Verpflichtung übernehmen, dafür zu
sorgen, dass kein Jugendlicher dauerhaft auf passive Leistungen angewiesen
bleibt.
Es sind neue Qualifizierungschancen für Jugendliche zu schaffen, die bisher
ohne Berufsabschluss und hinreichende Arbeitsmarktchancen bleiben. Hierzu
wird ein System von zertifizierungsfähigen Qualifikationsbausteinen aus Aus-
bildungsberufen entwickelt, das Jugendliche mit schlechteren Startchancen und
gering qualifizierte junge Erwachsene zielgenauer auf den Einstieg in den Ar-
beitsmarkt vorbereitet und eine Anrechnung von ausbildungsrelevanten (Teil-)
Qualifikationen auf die Ausbildung ermöglicht.
Um allen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen, sollen über gemein-
nützige Stiftungen Mittel für zusätzliche Ausbildungsplätze eingeworben wer-
den können. Damit werden zusätzliche Ausbildungsplätze durch den Verkauf
von Ausbildungszeitwertpapieren, Spenden oder Zuschüssen akquiriert und
finanziert. Diese Beiträge zur Finanzierung werden auf freiwilliger Basis ge-
leistet.
Insbesondere für Jugendliche in den neuen Bundesländern baut die Bundes-
regierung eine Beschäftigungsbrücke zwischen Alt und Jung. Durch eine Ver-
knüpfung von Altersteilzeit mit einer geförderten Einstiegsteilzeit für Jugend-
liche nach Abschluss der Ausbildung wird der Generationenwechsel in den
Betrieben unterstützt. Zugleich wird der Berufseinstieg für junge Menschen er-
leichtert und dem arbeitsmarktbedingten Wegzug aus den neuen Bundesländern
begegnet.
Beschäftigungsbrücke für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bauen
Die Arbeitsmarktpolitik muss flankierende Maßnahmen treffen, um den länge-
ren Verbleib älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Erwerbsleben zu
fördern. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz sind bereits gezielte Eingliederungs- und
Qualifizierungszuschüsse für diesen Personenkreis verankert worden. Die Bun-
desregierung wird aufgefordert, dieses Angebot noch zu erweitern. Älteren Ar-
beitslosen soll die Aufnahme einer auch geringer bezahlten Erwerbsarbeit
durch eine Lohnversicherung erleichtert werden, die Einkommenseinbußen im
Vergleich zum letzten Erwerbseinkommen zeitlich befristet abmildert. Für Ar-
beitgeber wird die Einstellung von 55-jährigen oder älteren Arbeitslosen durch
den Wegfall des Arbeitgeberbeitrags zur Arbeitslosenversicherung erleichtert.
Die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung Älterer werden ausgeweitet.
Die Altersgrenze für die erweiterte Befristungsregelung wird von jetzt 58 auf
50 Jahre vorverlegt.

Drucksache 14/9946 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ergänzend zu den verbesserten Eingliederungshilfen für ältere Arbeitslose
sollte für eine Übergangszeit auf freiwilliger Basis auch ein vorzeitiger, sozial
abgesicherter Ausstieg aus dem Beschäftigungssystem möglich sein. 55-Jährige
oder Ältere sollen anstelle des Arbeitslosengeldes für eine kostenneutral er-
rechnete monatliche Leistung optieren dürfen, die den Sozialversicherungs-
schutz aufrecht erhält und bis zum frühestmöglichen Renteneintritt gezahlt
wird. Im Sinne einer transparenten Arbeitslosenstatistik werden diese Fälle se-
parat ausgewiesen.

3. Schaffung kundenfreundlicher und effizienter Strukturen in den Arbeits-
ämtern

Instrumente vereinfachen – Wettbewerb stärken – Steuerung verbessern
Arbeitsvermittlung, Arbeitslosenversicherung und aktive Arbeitsförderung sind
die Kernaufgaben der JobCenter. Die aktive Arbeitsförderung wird zukünftig
noch zielorientierter gesteuert: Klare Zielvorgaben, wenige Verfahrensregeln
und Wirkungsindikatoren setzen den Rahmen, innerhalb dessen die Arbeitsver-
mittler größtmögliche Flexibilität haben. Dabei soll ein Stufenplan verfolgt
werden: Im ersten Schritt erfolgt eine Vereinfachung der Instrumente der akti-
ven Arbeitsmarktpolitik, im zweiten Schritt eine Stärkung des Wettbewerbs
zwischen den Anbietern von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und
im dritten Schritt eine Budgetierung der Ermessensleistungen aktiver Arbeits-
förderung, die einen Verzicht auf die detaillierte rechtliche Ausgestaltung der
Maßnahmen ermöglicht.
Die Arbeitsverwaltung etabliert eine neue Kultur der Personalführung unter
stärkerer Beachtung des Leistungsprinzips. Anreizsysteme und Qualifizierungs-
angebote sollen die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten weiter stärken. Die
Möglichkeiten für Quereinsteigerinnen und -einsteiger werden verbessert. Auf
die Verbeamtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird künftig verzichtet.
Dabei ist zu prüfen, ob der Bereich der Bekämpfung illegaler Beschäftigung
von dieser Regelung auszunehmen ist.
Auf der Basis von Zielvereinbarungen über zu erbringende Leistungen und er-
wartete Wirkungen wird auf allen Ebenen ein transparentes Controlling- und
Steuerungssystem umgesetzt. Es wird sichergestellt, dass die IT-Verfahren dies
unterstützen, die Kommunikation verbessern und eine kundenfreundliche Ab-
lauforganisation gewährleisten. Der Zugang von privaten Vermittlern sowie
von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu den Bewerberprofilen von Arbeits-
suchenden ist – unter Beachtung des Datenschutzes – zu verbessern.
Die Aufgabentrennung zwischen Geschäftsführung (Vorstand) und Kontrolle
(Selbstverwaltung) wird konsequent durchgeführt. Dafür entscheidet auf Bun-
desebene zukünftig der Verwaltungsrat auch über die Berufung und Abberu-
fung des Vorstandes. Auf lokaler Ebene liegt die Verantwortung für die wir-
kungsorientierte Steuerung der JobCenter bei deren jeweiligen Leitern. Diese
werden von der örtlichen Selbstverwaltung beraten.

Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenführen
Alle erwerbsfähigen Arbeitslosen müssen die gleichen Chancen erhalten. Die
erwerbsfähigen bisherigen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger werden
daher in das gesamte Spektrum der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einbe-
zogen. Zugleich werden die bisherige Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für
Erwerbsfähige durch eine gemeinsame, steuerfinanzierte Leistung ersetzt, die
von den JobCentern gezahlt wird. Eine Absenkung der zukünftigen Leistung
auf Sozialhilfeniveau ist ausgeschlossen. Die Leistungsempfänger müssen
grundsätzlich in den Schutz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/9946

einbezogen werden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, eine Prüfung mit
dem Ziel einer Einbeziehung auch in die gesetzliche Rentenversicherung vor-
zunehmen.
Die Maßstäbe für die erforderliche Umverteilung der Finanzströme werden in
der Kommission zur Gemeindefinanzreform erarbeitet. Eine Mehrbelastung der
Kommunen wird es nicht geben.

Profis der Nation einbeziehen
Arbeitslosigkeit ist nicht ein Problem der Anderen. Es ist nicht damit getan, die
Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit allein den Politikern, den Gewerk-
schaften, den Unternehmen oder gar den Arbeitslosen zu überlassen. Vielmehr
sind alle gefordert, sich auf ihr spezifisches Können und ihre Stärken zu kon-
zentrieren und mit anzupacken, wo immer es geht.
Es geht darum, Arbeitslose nicht als anonyme Fälle zu behandeln, sondern als
Menschen und Partner ernst zu nehmen. Die JobCenter werden den Betroffenen
in Zukunft schnell, maßgeschneidert und umfassend Hilfe anbieten. Neben den
dazu notwendigen gesetzlichen Regelungen gilt es jedoch auch, die Allianz der
Profis mit Leben zu füllen. Hierzu zählen z. B. die Kirchen, Wohlfahrtsver-
bände, Vereine oder Wissenschaftler. Der dazu notwendige organisatorische
Rahmen ist durch die Bundesregierung zu initiieren. So kann schnell eine Koa-
lition für ein flächendeckendes Netzwerk von konkreten Projekten gebildet
werden, das die Betroffenen mit praktischen Hilfestellungen vor Ort unter-
stützt. Nur durch gemeinsame Anstrengungen aller lässt sich Arbeitslosigkeit
vermeiden und nachhaltig verringern.

Berlin, den 11. September 2002
Ludwig Stiegler und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.