BT-Drucksache 14/9738

Der Dieselantrieb im Personen- und Güterverkehr und die umwelthygienische Relevanz seiner Emmissionen

Vom 3. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9738
14. Wahlperiode 03. 07. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michael Müller (Düsseldorf), Monika Ganseforth, Ulrike Mehl,
Rainer Arnold, Klaus Barthel (Starnberg), Friedhelm Julius Beucher, Petra
Bierwirth, Rainer Brinkmann (Detmold), Hans-Günter Bruckmann, Ulla Burchardt,
Marion Caspers-Merk, Dr. Peter Wilhelm Danckert, Christel Deichmann, Detlef
Dzembritzki, Ludwig Eich, Norbert Formanski, Rainer Fornahl, Harald Friese, Arne
Fuhrmann, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Dieter Grasedieck, Monika
Griefahn, Wolfgang Grotthaus, Anke Hartnagel, Klaus Hasenfratz, Frank Hempel,
Gustav Herzog, Reinhold Hiller (Lübeck), Brunhilde Irber, Gabriele Iwersen, Volker
Jung (Düsseldorf), Ulrich Kasparick, Ulrich Kelber, Horst Kubatschka, Konrad
Kunick, Waltraud Lehn, Dr. Elke Leonhard, Dr. Christine Lucyga, Dieter Maaß
(Herne), Winfried Mante, Christoph Matschie, Heide Mattischeck, Jutta Müller
(Völklingen), Dietmar Nietan, Günter Oesinghaus, Holger Ortel, Karin
Rehbock-Zureich, Dr. Carola Reimann, Gudrun Roos, René Röspel, Gerhard
Rübenkönig, Marlene Rupprecht, Dr. Hansjörg Schäfer, Siegfried Scheffler,
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Richard Schuhmann (Delitzsch), Reinhard Schultz
(Everswinkel), Volkmar Schultz (Köln), Dr. Angelica Schwall-Düren,WielandSorge,
Wolfgang Spanier, Rita Streb-Hesse, Reinhold Strobl (Amberg), Reinhard Weis
(Stendal), Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Margrit Wetzel, Lydia Westrich,
Klaus Wiesehügel, Heidemarie Wright, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Hans-Josef Fell, Winfried
Hermann, Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Steffi Lemke, Dr. Reinhard Loske,
Albert Schmidt (Hitzhofen), Sylvia Ingeborg Voß, Kerstin Müller (Köln), Rezzo
Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der Dieselantrieb im Personen- und Güterverkehr und die umwelthygienische
Relevanz seiner Emissionen

Kraftfahrzeuge mit Dieselantrieb erleben zurzeit eine deutliche Absatzsteige-
rung. Die Präferenz für den Dieselantrieb resultiert aus verschiedenen Motiven.
Zumeist stehen die Nutzungsdauer und Zuverlässigkeit entsprechender Aggre-
gate sowie die mit Anschaffung bzw. Betrieb des jeweiligen Fahrzeugs verbun-
denen Kosten im Vordergrund. Turbotechnik und Direkteinspritzung haben
Dieselfahrzeuge mit dem konkurrierenden Otto-Motor gleichziehen lassen.
Ökologische Aspekte stehen bei der Kaufentscheidung meist zurück.
Der Dieselantrieb wird traditionell insbesondere im Gütertransport sowie im
gewerblichem Personenverkehr eingesetzt, gewinnt aber auch im Bereich
privater Nutzung zunehmend an Bedeutung. Inzwischen werden so genannte
3-Liter-Autos auf Diesel-Basis angeboten. Die Diesel-Technologie ist insoweit

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zu begrüßen, als der gegenüber Otto-Motoren niedrigere Kraftstoffverbrauch
Vorteile aufweist, emittieren doch Dieselantriebe der neuen Generation im
Durchschnitt 20 Gramm Kohlendioxid weniger als vergleichbare Benzin-
modelle.
Die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat dazu beigetragen, die
negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit beim Betrieb von Diesel- bzw.
Selbstzündermotoren zu verringern. So ist die spezifische Schadstoffbelastung
neu in Verkehr gebrachter Fahrzeuge in den letzten Jahren aufgrund der techno-
logischen Fortentwicklung teilweise zurückgegangen. Bei anderen schädlichen
Emissionen befindet sich die Entwicklung erst am Anfang der Marktreife oder
steht noch aus. Insofern besteht nach wie vor Handlungsbedarf zur weiteren
Reduktion schädlicher Abgasbestandteile wie z. B. Benzol.
Zunehmend in den Fokus gerät das Problem des Dieselrußes (0,02 µm
bis 0,5 µm) und der feststofflichen Schweb- und Feinstäube (d<10 µm, PM10;d<2,5 µm, PM2,5), dabei insbesondere der ultrafeinen Partikel (d< 0,1 µm,PM0,1). Die Weltgesundheitsorganisation, die EU-Kommission und die Um-weltbehörde der USA stellen neben weiteren einschlägigen Institutionen und
Organisationen die Feinstäube als eines der vorrangigen umwelthygienischen
Handlungsfelder in Europa und den USA heraus.
Der Anteil der Dieselmotoremissionen an partikelförmigem Kohlenstoff wird
in Deutschland auf etwa 84 % geschätzt. Noch höher liegt er in Städten. Diesel-
motoremissionen haben sich im Tierversuch als Krebs erzeugend erwiesen und
werden durch die MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) in die Kategorie A2 (eindeutig Krebs erregend im Tierversuch) einge-
stuft. Eine Überprüfung dieser Einstufung erfolgt soeben. Die Belege für eine
Kanzerogenität beim Menschen haben in den letzten Jahren zugenommen.
Zu den Quellen, der Verteilung, Zusammensetzung und gesundheitlicher Rele-
vanz von Feinstäuben gibt es unterschiedliche Erkenntnisse aus verschiedenen
Messprogrammen aus Europa und USA. Es wird davon ausgegangen, dass der
Straßenverkehr zu 1/3 bis 2/3 an den PM10-Spitzenbelastungen beteiligt ist, einweiterer Teil stammt aus Ferntransporten. Auch für ultrafeine Partikel wird der
Kfz-Verkehr als wesentliche Quelle angesehen. Es scheint sicher, dass inhalier-
barer und lungengängiger Schwebstaub (PM10, PM2,5) Einflüsse auf die Er-krankungsrate und Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen und Herz-
Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen kann. Die Gesamtsterblichkeit und damit
die Lebenserwartung werden beeinträchtigt. Eine besondere Rolle spielen dabei
ultrafeine Partikel, da im Tierversuch nicht die Partikel selbst, sondern die An-
lagerung hoch toxischer Stoffe an die Partikeloberfläche zur tödlichen Wirkung
führte.
Handlungsbedarf ergibt sich auch daraus, dass der Bestand an entsprechenden
Fahrzeugen z. T. sehr lange Reinvestitionszyklen aufweist und die Fortschritte
bei den spezifischen Emissionen durch die Zunahme der jeweiligen Fahrleis-
tungen bzw. durch das Fahrverhalten sowie durch die Veränderung im Ver-
kehrsmix beim Personen- und Gütertransport ganz oder teilweise konterkariert
werden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Bestand und Entwicklung des Fahrzeugbestands
1. Wie hat sich der Bestand an Personenkraftwagen (Pkw) in Deutschland seit

1994 differenziert nach Hubraum und im Hinblick auf die Anteile von
Diesel- und Otto-Motor entwickelt?

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2. Wie ist der Pkw-Bestand differenziert nach Hubraum und jeweiligem Alter
des Fahrzeugs in die bestehenden Emissionsgruppen des Kraftfahrzeug-
steuergesetzes (§ 9 Abs. 1 Nr. 2) einzuordnen?

3. Wie hat sich der Bestand an Lastkraftwagen (Lkw) in Deutschland seit
1994 differenziert nach Gewichtsklassen entwickelt, und welcher Anteil
entfällt bei diesen Gewichtsklassen jeweils auf Dieselantriebe?

4. Welche Altersstruktur weist der Lkw-Bestand differenziert nach diesen
Gewichtsklassen auf, und wie hat sich die durchschnittliche Nutzungsdauer
jeweils entwickelt?

5. Wie ist der dieselbetriebene Lkw-Bestand differenziert nach Gewichtsklas-
sen und jeweiligem Alter des Fahrzeugs in die bestehenden Schadstoffklas-
sen einzuordnen?

6. Wie hat sich der Bestand an dieselbetriebenen Omnibussen differenziert
nach genehmigtem Linienverkehr und sonstigem Einsatz in den letzten
zehn Jahren entwickelt, und wie ist der Bestand differenziert nach Anzahl
der Sitzplätze und/oder zulässigem Gesamtgewicht in die bestehenden
Schadstoffklassen einzuordnen?

7. Welche Altersstruktur weist der dieselbetriebene Omnibus-Bestand diffe-
renziert nach diesen Kriterien auf, und wie hat sich die durchschnittliche
Nutzungsdauer jeweils entwickelt?

8. Welche Altersstruktur weist der Bestand an dieselbetriebenen Lokomo-
tiven bzw. Triebfahrzeugen differenziert nach Größenklassen auf, und wie
hat sich die durchschnittliche Nutzungsdauer jeweils entwickelt?

9. Wie ist der Bestand an dieselbetriebenen Lokomotiven bzw. Triebfahr-
zeugen differenziert nach Größenklassen und jeweiligem Alter des Fahr-
zeugs in die bestehenden Schadstoffklassen einzuordnen?

10. Wie hat sich der Bestand und die Altersstruktur an dieselbetriebenen
Binnenschiffen in den letzten zehn Jahren entwickelt, und wie haben sich
die durchschnittliche Nutzungsdauer bzw. der Kraftstoffverbrauch jeweils
entwickelt?

11. Wie ist der Bestand an Binnenschiffen differenziert nach Größenklassen
und jeweiligem Alter des Fahrzeugs in die bestehenden Schadstoffklassen
einzuordnen?

II. Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen
12. Wie haben sich der spezifische Kraftstoffverbrauch sowie die CO2-Emissi-onen von Otto- bzw. Dieselmotoren bei neu zugelassenen Pkw im Durch-

schnitt sowie differenziert nach Hubraumklassen innerhalb der letzten zehn
Jahre entwickelt, und auf welche wesentlichen Einflüsse ist diese Entwick-
lung zurückzuführen?

13. Wie haben sich der absolute Kraftstoffverbrauch sowie die CO2-Emissio-nen von Pkw mit Otto- bzw. Dieselmotoren im Durchschnitt innerhalb der
letzten zehn Jahre entwickelt, und welchen Stellenwert nimmt dabei die
Entwicklung der durchschnittlichen Fahrleistungen ein?

14. Wie haben sich der spezifische Kraftstoffverbrauch sowie die CO2-Emissi-onen von neu zugelassenen Lkw mit Dieselantrieb im Durchschnitt sowie
differenziert nach Gewichtsklassen innerhalb der letzten zehn Jahre ent-
wickelt, und auf welche wesentlichen Einflüsse ist diese Entwicklung
zurückzuführen?

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15. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die steuerliche
Behandlung von Diesel- und Otto-Kraftstoffen?

16. Welche technologischen Potenziale zur spezifischen Kraftstoffeinsparung
sowie zur CO2-Minderung sind nach Kenntnis der Bundesregierung imBereich Pkw und im Bereich Lkw vorhanden bzw. in naher Zukunft reali-
sierbar?

17. Welche verhaltensabhängigen Potenziale zur Kraftstoffeinsparung sowie
zur CO2-Minderung sind nach Auffassung der Bundesregierung im BereichPkw und im Bereich Lkw vorhanden, und wie lassen sie sich in naher
Zukunft umsetzen?

III. Entwicklung sonstiger Emissionen
18. Welche spezifischen Emissionen an Rußpartikeln sind mit Motoren der

Emissionsnormen Euro I bis IV differenziert nach Otto- und Dieselmotor
jeweils verbunden?

19. Wie haben sich die absoluten Emissionen von Rußpartikeln bei Diesel-
motoren sowie von Kohlenwasserstoffen bei Diesel- und Otto-Motoren in
den letzten zehn Jahren insgesamt bzw. differenziert nach Pkw, Lkw bzw.
Busse, Lokomotiven oder Triebfahrzeugen im Schienenverkehr sowie
Binnenschiffen entwickelt?

20. Wie haben sich die absoluten Emissionen von Rußpartikeln bei Diesel-
motoren sowie von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen bei Diesel- und
Otto-Motoren in den letzten zehn Jahren
– pro Personenkilometer jeweils bei Pkw, Bussen sowie in der schienen-

gebundenen Personenbeförderung sowie
– pro Tonnenkilometer bei Lkw bzw. im Schienenverkehr sowie in der

Binnenschifffahrt
entwickelt?

21. Welche der vorgenannten Emissionen weisen welche Toxizität auf, und
welchen Stellenwert bzw. Änderungsbedarf misst die Bundesregierung
dem jeweiligen Schadstoff aufgrund des Umfangs der Emission zu?

22. Wie schätzt die Bundesregierung Alternativen zum Diesel (z. B. Erdgas,
Wasserstoff) für Busse oder LKW ein?

23. Wie hoch ist, verglichen mit dem Dieselanteil, der Fahrzeugbestand
erdgasbetriebener Busse in Deutschland?

24. Wie schätzt die Bundesregierung die Schadstoffbelastung durch Baufahr-
zeuge ein, da deren Einsatz innerhalb von Ballungsräumen für eine örtlich
hohe Konzentration an Schadstoffen verantwortlich sein kann, und welche
Maßnahmen sind gegebenenfalls vorgesehen, um solche lokal begrenzten
Schadstoffkonzentrationen zu verringern?

25. Wie werden sich die Emissionen von Rußpartikeln bei Dieselmotoren
sowie von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen bei Diesel- und Otto-
Motoren innerhalb der nächsten zehn Jahre angesichts der heute erkenn-
baren bzw. erfahrungsgemäß abzusehenden Erneuerung des Fahrzeug-
bestands differenziert nach Pkw, Lkw bzw. Bussen, Lokomotiven oder
Triebfahrzeugen im Schienenverkehr sowie Binnenschiffen absehbar ent-
wickeln?

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26. Welche Techniken insbesondere zur Behandlung von Dieselrußpartikeln
sind aktuell ggf. differenziert nach Pkw, Lkw bzw. Bussen, Lokomotiven
oder Triebfahrzeugen im Schienenverkehr sowie Binnenschiffen verfügbar,
und welche Verringerung der jeweiligen spezifischen Emission ist mit
solchen Techniken erreichbar?

27. Welchen Einfluss haben die o. g. Techniken auf die direkten Emissionen
von Stickstoffdioxid?

28. Welchen Anteil machen entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge an der Zahl
der mit Dieselantrieb ausgerüsteten Fahrzeuge jeweils aus (letzte verfüg-
bare Zahl), und wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung der
Verbreitungsgrad entsprechend ausgerüsteter Fahrzeuge in den nächsten
Jahren entwickeln?

29. WelcheTechnikenzurBehandlungvonDieselrußpartikelnbefinden sich–ggf.
differenziert nach Pkw, Lkwbzw.Bussen, Lokomotiven oder Triebfahrzeugen
im Schienenverkehr sowie Binnenschiffen – nach Kenntnis der Bundesregie-
rung heute in der Entwicklung bzw. werden in den nächsten Jahren verfügbar
sein, und welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll
oder bereits ergriffen, um die Marktdurchdringung solcher Techniken der
Emissionsminderung zu beschleunigen?

30. Welche technischen Möglichkeiten stehen zur Verringerung der Emissio-
nen von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen zur Verfügung bzw. werden
auf absehbare Zeit verfügbar sein, und welche Maßnahmen hält die Bun-
desregierung für erforderlich, um diese Entwicklung zu beschleunigen?

31. Welche Anteile stellt in Deutschland der Kfz-Verkehr bei den Emissionen
an lungengängigem und inhalierbarem Schwebstaub und ultrafeinen Parti-
keln ?

32. Welche emissionsmindernden Maßnahmen für lungengängigen und in-
halierbaren Schwebstaub durch Kraftfahrzeuge sind der Bundesregierung
bekannt und welche sind aus ihrer Sicht sinnvoll und bereits ergriffen?

Berlin, den 3. Juli 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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