BT-Drucksache 14/9545

Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland

Vom 26. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9545
14. Wahlperiode 26. 06. 2002

Antrag
der Abgeordneten Rosel Neuhäuser, Maritta Böttcher, Heidemarie Lüth, Rolf
Kutzmutz, Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Möglichkeit zu Reisen ist eine wichtige Errungenschaft der heutigen Zeit.
In einer modernen Gesellschaft sollte diese Chance für alle Kinder und Jugend-
lichen unabhängig von Armut oder anderen sozialen oder gesundheitlichen
Hindernissen gesichert werden. Der Integration in Deutschland lebender Kin-
der und Jugendlicher mit anderem kulturellem Hintergrund ist dabei besondere
Beachtung zu schenken.
Die statistische Datenlage über den Kinder- und Jugendtourismus in Deutsch-
land ist unbefriedigend. Das Alter, die Anzahl der bereitgestellten Betten sowie
der jeweiligen Übernachtungen der Kinder und Jugendlichen werden in den Er-
hebungen bei den Unterkünften nicht erfasst.
Im Jahre 1998 gründete sich der „Runde Tisch der Unterkünfte“ an dem unter
anderem für die Beherbergungsstätten die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kin-
der- und Jugenderholungszentren, das Deutsche Jugendherbergswerk, das Kol-
ping-Familienferienwerk, die Naturfreundejugend und das Reisenetz vertreten
sind. Allein diese Organisationen bewirtschaften 1 130 Beherbergungsstätten
mit 102 000 Betten für junge Gäste und jährlich etwa 13 Millionen Übernach-
tungen. In der Datenbank über Kinder- und Jugendunterkünfte in Deutschland
„Grukid“ sind knapp 5 000 Häuser erfasst und beschrieben.
Hinzu kommt eine unbekannte Größe weiterer jugendspezifischer Unterkünfte
und eine ebenso unbekannte Größe von Übernachtungen von Kindern und
Jugendlichen in anderen Beherbergungseinrichtungen. Damit ist der Kinder-
und Jugendreisebereich ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor.
Als Maßnahme zur Verbesserung der Datenlage und zur Einschätzung des
Handlungsbedarfs würde es ausreichen, in den Fragenkatalog der Tourismus-
erhebung Fragestellungen aufzunehmen, die es erlauben, konkrete Aussagen zu
dem Kinder- und Jugendtourismus zu treffen und analog zur Senkung des Zu-
gangsalters zu Programmen der Internationalen Kinder- und Jugendarbeit mit
Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes auf 12 Jahre, eine Ab-
senkung der unteren Altersgrenze in der „Reiseanalyse“ von jetzt 14 auf dann
12 Jahre vorzunehmen.
Kinder- und Jugendreisen werden neben den kommerziellen Unternehmen auch
von gemeinnützigen Vereinen angeboten. Die gemeinnützigen Träger werden
zum Teil über den Kinder- und Jugendplan des Bundes gefördert oder beziehen

Drucksache 14/9545 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zuwendungen von der öffentlichen Hand, weil sie ihr Angebot mit einer spezi-
fischen Wertorientierung verbinden.
In den neuen Bundesländern sind neue Strukturen entstanden und diese haben
sich, wie z. B. die Kinder- und Erholungszentren, bewährt. Im Rahmen der ge-
forderten Gleichbehandlung von Anbietern im Kinder- und Jugendbereich soll-
ten diese die Voraussetzungen schaffen, in die Förderung der Jugendpolitik auf-
genommen werden zu können.
Unabhängig von der Rechtsform des Reiseanbieters beinhaltet ein Reiseange-
bot für Kinder und minderjährige Jugendliche die Übernahme der Verantwor-
tung über die bloße Aufsicht hinaus für die Gestaltung eines außerschulischen
und außerfamiliären Lern- und Erfahrungsbereiches. Die Qualitätsstandards für
Kinder- und Jugendreisen und die Praxis der betroffenen Trägerbereiche haben
sich weiterentwickelt. Dies muss bei den Qualifizierungsprogrammen für
Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter berücksichtigt werden.
Wer unbegleitete Jugendliche als Gäste annimmt, muss eine Betreuung wäh-
rend der Reise absichern und die Aufsichtspflicht übernehmen.
Durch die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes wird neu geregelt, dass
derjenige nicht selbst im Besitz einer Genehmigung sein muss, der Gelegen-
heitsverkehre in der Form der Ausflugsfahrt oder der Ferienziel-Reise plant,
organisiert, anbietet und dabei gegenüber den Teilnehmern eindeutig zum Aus-
druck bringt, dass die Beförderungen nicht von ihm selbst durchgeführt werden,
sondern von einem bestimmten Unternehmer, der Inhaber einer Genehmigung
nach diesem Gesetz ist. Mit dem Wegfall dieser so genannten Doppellizenz ent-
fallen auch die bisherigen Prüfungen nach dem Personenbeförderungsgesetz für
die Träger von Kinder- und Jugendreisen, wenn sie einen Beförderungspartner
wählen, der seinerseits diese Lizenz besitzt.
Maßnahmen des Tourismus sind in den Kinder- und Jugendprogrammen nicht
förderfähig. Der Tourismus dient der Völkerverständigung und der Bildung.
Durch die Begegnungen und den Austausch mit anderen Menschen am Reiseort
bekommen insbesondere junge Menschen einen Vergleich über die Lebens-
weise und Kultur anderer Völker, auch ohne ein gesetztes Programm.
Der Erhaltung und der Qualitätsverbesserung von kinder- und jugendgerechten
Unterkünften in Deutschland kommt weiterhin hohe Bedeutung zu. Dabei ist
die Gleichbehandlung aller gemeinnützigen Unterkünfte verstärkt zu beachten.
Um den Kinder- und Jugendreisebereich weiter auszubauen, sollen Bund und
Länder in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendreiseveranstaltern innerhalb
der gegebenen Kompetenzen Aktionspläne für Kinder- und Jugendreisen in
Deutschland aufstellen. Die Ziele dieser Aktionspläne sind:
1. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene soll die Akzeptanz des Kinder-

und Jugendreisens verbessert werden. Dazu ist es notwendig, bundesweite
Qualitätsstandards trägerübergreifend für das Kinder- und Jugendreisen zu
entwickeln, die sich unter anderem an den Kriterien orientieren, wie sie z. B.
für „Viabono“ oder die Leitsätze des „BundesForum Kinder- und Jugend-
reisen e. V.“ entwickelt wurden. Durch geeignete Maßnahmen sollen das
Natur- und Umweltbewusstsein von Kindern und Jugendlichen gefördert
und nachhaltige Kinder- und Jugendreisen, z. B. in Nationalparke, Biosphä-
renreservate und andere Großschutzgebiete, besonders gefördert werden.

2. Der Kinder- und Jugendreisesektor soll unter gleichberechtigter Einbindung
der gemeinnützigen und kommerziellen Arbeit bedarfsgerecht ausgebaut
werden. Trägerübergreifende Konzepte und Vorhaben zur Stärkung des In-
coming im Kinder- und Jugendtourismus sollen unter Einbeziehung der
Deutschen Zentrale für Tourismus gefördert werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9545

3. Es sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um den Zustand der Ein-
richtungen im Kinder- und Jugendreisebereich in Deutschland zu ermitteln.

4. Für die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendreisens kommt der Quali-
fizierung der meist ehrenamtlich tätigen Betreuerinnen und Betreuer beson-
dere Bedeutung zu. Neben dem Ausbau trägerübergreifender Weiterbildungs-
angebote ist die Anerkennung der geleisteten ehrenamtlichen Arbeit und der
dabei erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen durch eine vergleichbare Be-
scheinigung und Dokumentation zu unterstützen.

5. Bei trägerübergreifenden Ausbildungsangeboten zum Erwerb der „Jugend-
leitercard“ sollen die Länder die Möglichkeit vorsehen, solche Karten auch
für Teilnehmende aus anderen Bundesländern auszustellen.

6. Die Europäische Union wächst und verändert sich. Auch der Tourismus, ins-
besondere der Kinder- und Jugendtourismus, kann dazu einen Beitrag leis-
ten. Die Kontakte und Beziehungen zu den EU-Staaten und den Nachbarlän-
dern sind noch stärker im Rahmen des Kinder- und Jugendaustausches zu
nutzen und auszubauen. Auf europäischer Ebene ist deshalb zu prüfen, wie
die internationalen Begegnungen von Kindern ab dem 12. Lebensjahr zu
fördern sind. Bei einer Vielzahl europäischer Aktivitäten und Gesetzge-
bungsverfahren ist zu prüfen, inwiefern der Kinder- und Jugendtourismus
ausreichend Beachtung findet.

7. Durch einen Wettbewerb soll neben dem innerdeutschen auch der internatio-
nale Kinder- und Jugendaustausch weiterentwickelt werden, um ein breites
Angebot im Dialog der Nationen aufzubauen und um ein Lernen und Erfah-
ren über andere Länder zu ermöglichen.

8. Auf Länderebene könnte das Segment von Kinder- und Jugendreisen noch
größere Bedeutung erhalten, wenn der Austausch von Kindern und Jugend-
lichen, insbesondere von Schulklassen, innerhalb von Deutschland verstärkt
würde.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die Umsetzung des Aktionsplans im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstüt-
zen und über die Fortschritte des Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland
im Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung zu berichten.

Berlin, den 26. Juni 2002
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.