BT-Drucksache 14/8923

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -14/8765, 14/8894- Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts

Vom 24. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8923
14. Wahlperiode 24. 04. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich Fink, Maritta Böttcher, Dr. Barbara Höll, Dr. Evelyn
Kenzler, Angela Marquardt, Gustav-Adolf Schur und der Fraktion der PDS

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksachen 14/8277, 14/8894 –

Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Mit dem seit 1998 laufenden Reformprozess des gemeinnützigen Stiftungs-

rechts sollte die private Initiative für das Gemeinwohl gefördert, bürokrati-
sche Hemmnisse abgebaut und im Ergebnis das Stiftungswesen als ein we-
sentliches Element einer Bürgergesellschaft entwickelt werden, die mehr
unmittelbare Verantwortung für das Gemeinwohl übernimmt. Für die Bür-
gergesellschaft gehört Transparenz zu den fundamentalen Maximen.

2. Steuerliche Begünstigungen können nur dann zu einer wirklich neuen Stif-
tungskultur führen, wenn zugleich das gesamte Stiftungswesen transparenter
ausgestaltet wird. Deshalb hatte der Deutsche Bundestag die Verabschie-
dung der Stiftungssteuerreform im Frühjahr 2000 mit der Erwartung verbun-
den, dass im weiteren zivilrechtlichen Reformprozess die notwendige Trans-
parenz im Stiftungswesens hergestellt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf
der Bundesregierung löst diese Erwartung bei weitem nicht ein. Darüber hi-
naus besteht die Gefahr, dass mit der Annahme des Gesetzentwurfs die
Transparenzproblematik aus der öffentlichen Debatte verschwindet.

3. Die Notwendigkeit, das Stiftungswesen vor allem für die Bürgerinnen und
Bürger transparenter auszugestalten, zeigt sich unter anderem an folgenden
Sachverhalten: Mit der Stiftungssteuerrechtsreform hat sich die Zahl der
jährlichen Stiftungsgründungen mehr als verdoppelt und damit auf ca. 1 000
erhöht. Maximal 10 % der bekannten Stiftungen veröffentlichen Jahres-, Tä-
tigkeits- oder Geschäftsberichte. Qualitativ ist davon nur ein sehr kleiner
Teil geeignet, eine realistische Vorstellung davon zu geben, mit welchen
Mitteln eine Stiftung welche Maßnahmen und Ziele verfolgt. Bei den vom
Bundesverband Deutscher Stiftungen alle drei Jahre durchgeführten Ge-
samtbefragungen der bei ihm erfassten Stiftungen sank die Rücklaufquote
von 71,6 % in 1994 über 68,9 % in 1997 auf 66,9 % in 2000. Der Anteil der
Stiftungen, die ausdrücklich keine Veröffentlichung im Verzeichnis Deut-
scher Stiftungen wünschen, stieg im gleichen Zeitraum von 5,77 % auf

Drucksache 14/8923 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
9,30 %. Die Auskunftsfreudigkeit der Stiftungen sinkt weiter rapide, wenn
es um Fragen nach Vermögen, Einnahmen oder Ausgaben geht.

4. Der vorliegende Gesetzentwurf bringt einen gewissen Zuwachs an Transpa-
renz für die zuständigen staatlichen Behörden. Adressaten der Transparenz
müssen aber in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger sein. Sie sind es, die
einen Anspruch darauf haben, bei gemeinnützigen Stiftungen zu erfahren,
was diese wie tun – sei es als Bürgerinnen und Bürger, die sich für das Ge-
meinwesen engagieren, sei es als mögliche Destinatäre, sei es als Mitinitia-
toren von Projekten, die mit Stiftungen kooperieren wollen, oder schließlich
als Wählerinnen und Wähler, um zu entscheiden, ob steuerliche Priviligie-
rungen fortdauern sollen oder nicht.

5. Die Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vom
20. März 2002 hat deutlich gemacht, dass die Herstellung der notwendigen
Transparenz und Publizität auf dem Wege der Selbstregulierung des Stif-
tungswesens nicht zu erwarten ist. Die deshalb notwendige gesetzliche Re-
gelung der Transparenzproblematik bedarf einer vorbereitenden, sachver-
ständigen und öffentlich-politischen Debatte.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf:
1. eine international zusammengesetzte sachverständige Kommission einzu-

richten, die Vorschläge zur Herstellung von Transparenz im Stiftungswesen
entwickelt;

2. die Kommission sollte beim Bundespräsidenten angesiedelt sein und vor al-
lem die Erfahrungen aus den Ländern einbeziehen, in denen die Transparenz
im Stiftungswesen wesentlich weiter als in Deutschland entwickelt ist;

3. die Kommission könnte zwölf Mitglieder in folgender Zusammensetzung
umfassen: Sieben Mitglieder werden vom Bundespräsidenten vorgeschla-
gen, fünf Mitglieder von den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Maximal zwei Mitglieder dürfen der staatlichen Verwaltung angehören.
Mindestens acht Mitglieder sollen einschlägig ausgewiesenen zivilgesell-
schaftlichen Organisationen (z. B. International Center for Not-for-Profit
Law/ICNL, European Foundation Centre, Transparency International oder
Corporate Social Responsibility Europe) angehören. Von diesen Organisa-
tionen sollen mindestens die Hälfte im Ausland beheimatet sein;

4. die Kommission legt im Herbst 2004 ihre Ergebnisse vor. Für ein Mehrheits-
votum im Abschlussbericht sollen mindestens acht Stimmen notwendig
sein;

5. die Kommission wird mit einem angemessenen Budget ausgestattet, das es
ihr ermöglicht, noch weiteren externen Sachverstand hinzuzuziehen.

Berlin, den 23. April 2002
Dr. Heinrich Fink
Maritta Böttcher
Dr. Barbara Höll
Dr. Evelyn Kenzler
Angela Marquardt
Gustav-Adolf Schur
Roland Claus und Fraktion

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