BT-Drucksache 14/8816

Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung

Vom 16. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8816
14. Wahlperiode 16. 04. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Gerda Hasselfeldt, Norbert Barthle,
Brigitte Baumeister, Otto Bernhardt, Dr. Maria Böhmer, Leo Dautzenberg, Rainer
Eppelmann, Ingrid Fischbach, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Jochen-Konrad
Fromme, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Julius Louven, Wolfgang
Meckelburg, Hans Michelbach, Claudia Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz-Xaver
Romer, Heinz Schemken, Norbert Schindler, Diethard Schütze (Berlin), Wolfgang
Schulhoff, Gerhard Schulz, Heinz Seiffert, Johannes Singhammer, Dorothea
Störr-Ritter, Andreas Storm, Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Peter
Weiß (Emmendingen), Klaus-Peter Willsch, Elke Wülfing und der Fraktion
der CDU/CSU

Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung

Am 6. März 2002 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die un-
terschiedliche Besteuerung von Renten und Pensionen mit dem Gleichheits-
grundsatz unvereinbar und damit verfassungswidrig ist. Das Urteil beruht auf
einem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Münster von
Mitte Oktober 1999. Als die Bundesregierung im Januar 2000 der Öffentlich-
keit ihre Eckpunkte für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vor-
stellte, war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbe-
steuerung absehbar. In der Folgezeit bis zur Verkündung der Rentenreform im
Sommer 2001 wurde wiederholt die Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts erwartet. Die Fraktion der CDU/CSU hatte im Gesetzgebungsverfahren
zur Rentenreform gefordert, die Frage der Rentenbesteuerung in die Reform
einzubeziehen. Die Bundesregierung hat dies abgelehnt. Nicht zuletzt aus die-
sem Grund hat die Fraktion der CDU/CSU die Rentenreform angelehnt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Rentner beziehen neben ihrer Altersrente zusätzliche Einkünfte?

Wie hoch ist der Anteil der Rentner mit zusätzlichen Einkünften und wie hat
sich dieser in den letzten Jahren entwickelt?

2. Wie hoch ist der Anteil der zusätzlichen Einkünfte der Rentenbezieher, wie
gliedert er sich und wie hat er sich in den letzten Jahren entwickelt?

3. Wie wird sich voraussichtlich der Anteil der Rentenbezieher mit zusätz-
lichen Einkünften in den nächsten Jahren entwickeln?
Wie hoch wird dieser Anteil voraussichtlich im Jahr 2030 sein?

4. Wie hoch wird nach Schätzung der Bundesregierung langfristig der Anteil
der Rentenbezieher sein, die neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Renten-
versicherung Einkünfte aus der geförderten privaten Altersvorsorge bezie-
hen?

Drucksache 14/8816 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

5. Wie hoch werden langfristig voraussichtlich die Einkünfte der Renten-
bezieher aus der geförderten privaten Altersvorsorge sein?

6. Welchen Anteil an den Einkünften von Rentnern werden langfristig Zah-
lungen aus der betrieblichen Altersversorgung haben?

7. Wie hoch wird die steuerliche Belastung der Einkünfte aus der geförderten
privaten Altersvorsorge sein, wenn man davon ausgeht, dass die Steuer-
freibeträge bereits durch die gesetzliche Rente und durch die betriebliche
Altersversorgung ausgeschöpft werden?

8. In welchem Umfang mindert sich die Nettorendite der Einkünfte aus der
geförderten privaten Altersvorsorge durch ihre steuerliche Belastung?

9. Wie stellt sich die Besteuerung eines alleinstehenden Eckrentners ohne
zusätzliche Einkünfte (getrennt nach Gesamtdeutschland, West und Ost)
a) unter den gegenwärtigen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen,
b) unter den gegenwärtigen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen und ab-

weichend dazu unter der Voraussetzung, dass 65 % seiner Rente be-
steuert werden und ihm entsprechende Freibeträge wie bei Pensionären
eingeräumt werden,

c) unter den gegenwärtigen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen und ab-
weichend dazu unter der Voraussetzung, dass 100 % seiner Rente be-
steuert werden und ihm entsprechende Freibeträge wie bei Pensionären
eingeräumt werden,

dar?
10. Wie stellt sich die Besteuerung in den oben genannten Fällen dar, wenn

man zusätzlich annimmt, dass der Rentenbezieher über zusätzliche Ein-
künfte in Höhe von 2 500 Euro verfügt?

11. Wie stellt sich die Besteuerung in den oben genannten Fällen dar, wenn
man annimmt, dass der Rentenbezieher verheiratet ist und über zusätzliche
Einkünfte in Höhe von 2 500 Euro verfügt?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die oben dargestellten Beispiele vor dem
Hintergrund, dass Zusatzeinkommen im Alter von der Politik gewollt sind
und der Lebensstandard von Rentenbeziehern zukünftig in der Regel über-
wiegend nur noch mit privater Vorsorge sichergestellt werden kann?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des Urteils des Bun-
desverfassungsgerichts auf Witwenrenten mit und ohne eigenem Einkom-
men?
Wie viele Witwen werden nach Einschätzung der Bundesregierung von
einer Besteuerung ihrer Renten betroffen sein?

14. Auf welcher Grundlage beruhen die Aussagen der Parlamentarischen
Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Barbara Hendricks,
laut „dpa“ vom 6. März 2002, wonach alleinstehende Rentner mit einer
Rente bis 1 500 Euro im Monat und Ehepaare bis 2 500 Euro im Monat
keine Steuern zahlen sollen?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Vorstandsvorsitzenden der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Christian Zahn, laut „HAN-
DELSBLATT“ vom 8. März 2002, dass die Neuregelung der Besteuerung
von Renten auch die aus privater und betrieblicher Altersvorsorge umfas-
sen muss?
Wenn ja, beabsichtigt die Bundesregierung eine Abschaffung der Steuer-
befreiung für Kapitallebensversicherungen und der Pauschalversteuerungs-
möglichkeit nach § 40b Einkommensteuergesetz (EStG)?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8816

16. Plant die Bundesregierung im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht
geforderten Neuregelung eine umfassende Reform der Besteuerung aller
Alterseinkünfte?

17. Ist es richtig, dass bei Einführung einer nachgelagerten Besteuerung der
Renten die damit verbundene steuerliche Freistellung der Rentenbeiträge
zu einem höheren Nettoeinkommen der Aktiven führt, die Nettorenten aber
nicht entsprechend steigen, weil steuerliche Änderungen sich seit 1. Juli
2001 nicht mehr auf die Höhe der Rentenanpassung auswirken?
Hat dieser Effekt Auswirkungen auf das Nettorentenniveau?

18. Hat die veränderte Erfassung der geringfügig Beschäftigten in der Erwerbs-
tätigenstatistik in irgendeiner Weise Auswirkungen auf das Rentenniveau?
Wenn ja, wie sind diese Auswirkungen zu erklären, in welchem Umfang
(ausgedrückt in Prozentpunkten) haben sich diese bislang auf das Renten-
niveau ausgewirkt und wie groß wird diese Wirkung voraussichtlich im
Jahr 2030 sein?

19. Welche Auswirkungen (ausgedrückt in Prozentpunkten) hätte eine volle
nachgelagerte Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenver-
sicherung auf das Rentenniveau unter der Voraussetzung, dass bei einer
Umstellung für Rentenbezieher die Freibeträge eingeräumt werden, die
auch für Pensionäre gelten?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage von Prof. Bert Rürup laut
„HANDELSBLATT“ vom 7. März 2002, dass langfristig, etwa 2020 bis
2030, das garantierte Rentenniveau von 67 % zu einem Problem werden
könnte?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Aussage vor dem Hintergrund,
dass die Rentenreform vor allem langfristig ein angemessenes Renten-
niveau sicherstellen soll und „der breite gesellschaftliche Konsens für die
Rentenreform“ laut Entschließungsantrag der Regierungskoalition vom
25. Januar 2001 (Bundestagsdrucksache 14/5164) u. a. damit begründet
wurde, dass ein Rentenniveau von 67 % bis zum Jahr 2030 nicht unter-
schritten werden darf?

22. Ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass
sich Auswirkungen auf das Rentenniveau durch das Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts nicht ergeben, wie vom stellvertretenden Vorsitzenden der
Fraktion der SPD, Franz Thönnes, und vom sozialpolitischen Sprecher der
Fraktion der SPD, Klaus Brandner, in der Pressemitteilung der Fraktion der
SPD vom 6. März 2002 geäußert?

23. Wird nach Ansicht der Bundesregierung langfristig die so genannte
Niveausicherungsklausel verletzt, wonach die Bundesregierung verpflichtet
ist, geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, wenn das Rentenniveau 67 %
unterschreitet?

24. Wenn ja, gedenkt die Bundesregierung Vorschläge noch vor der Bundes-
tagswahl zu unterbreiten, die geeignet sind, das Rentenniveau auf einem
angemessenen Niveau zu halten?

25. Wenn nein, wie beurteilt die Bundesregierung das Problem, dass Arbeit-
nehmer in diesem Jahr einen privaten Altersvorsorgevertrag abschließen
müssen, um in den Genuss der Förderung zu kommen, gleichzeitig aber
über das sich im Alter ergebende Niveau der Leistungen aus der
Rentenversicherung im Unklaren sind?

26. Hält die Bundesregierung die Zeit zwischen Vorlage der Pläne der Bundes-
regierung zur Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversi-
cherung voraussichtlich Ende 2002 und der Frist für den Abschluss eines

Drucksache 14/8816 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Altersvorsorgevertrages, die eingehalten werden muss, um in den Genuss
der vollen Förderung zu kommen, für ausreichend, damit sich die Förder-
berechtigten hinreichend über die Höhe ihrer zukünftigen Rente informie-
ren können?

27. Ist die Aussage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Walter
Riester, in einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom
15. März 2002 zutreffend, es gebe bei der Rente keinen Korrekturbedarf,
obwohl die Frage der Rentenbesteuerung und die damit verbundenen Aus-
wirkungen auf das Rentenniveau bei der Rentenreform nicht berücksichtigt
wurden?

28. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Absinken des Renten-
niveaus eine Erhöhung des Anteils für die ergänzende Altersvorsorge auf
6 % bis 8 % erforderlich macht, wie dies der haushaltspolitische Sprecher
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Oswald Metzger, laut „dpa“
vom 7. März 2002 geäußert hat?

29. Welche Gesichtspunkte waren bei der Auswahl der Mitglieder der Kom-
mission zur Neuordnung der Rentenbesteuerung maßgebend?
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass für die gesetzliche
Rentenversicherung der Präsident der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA), Herbert Rische, der Kommission angehört, die Landes-
versicherungsanstalten als Träger der Arbeiterrentenversicherung aber
nicht vertreten sind?
Wäre es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, neben oder anstelle der
BfA den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger an der Kommis-
sion zu beteiligen?

30. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die vom Bundesverfassungsgericht
im Rentenurteil aufgestellten Grundsätze auch auf das Arbeitslosengeld
übertragbar?
Plant die Bundesregierung eine Änderung der Besteuerung des Arbeits-
losengeldes?

Berlin, den 11. April 2002
Karl-Josef Laumann
Gerda Hasselfeldt
Norbert Barthle
Brigitte Baumeister
Otto Bernhardt
Dr. Maria Böhmer
Leo Dautzenberg
Rainer Eppelmann
Ingrid Fischbach
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Jochen-Konrad Fromme
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Hans Michelbach
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik

Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Norbert Schindler
Diethard Schütze (Berlin)
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Heinz Seiffert
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Peter Weiß (Emmendingen)
Klaus-Peter Willsch
Elke Wülfing
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.