BT-Drucksache 14/8657

Sofortmaßnahmen des Bundes bei der Rüstungskonversion einleiten

Vom 21. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8657
14. Wahlperiode 21. 03. 2002

Antrag
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Petra Bläss, Maritta Böttcher, Wolfgang
Gehrcke, Uwe Hiksch, Dr. Barbara Höll, Carsten Hübner, Heidi Lippmann,
Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Winfried Wolf, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Sofortmaßnahmen des Bundes bei der Rüstungskonversion einleiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Gemäß Artikel 87a des Grundgesetzes stellt der Bund Streitkräfte zur Vertei-

digung auf. Die Veränderung des Umfangs der Streitkräfte, der Streitkräfte-
Strukturen und der Stationierung hat jedoch nachhaltige Auswirkungen auch
auf die Länder, Kreise und Gemeinden. Für die Bewältigung der Folgen
solcher Veränderungen sind nach bisheriger Gesetzeslage die Länder und
Kommunen, nicht aber der Bund zuständig. Diese Regelungslücke macht
sich besonders in Zeiten schnellen Wandels für die Betroffenen schmerzhaft
bemerkbar. Seit 1990 sind durch den Abzug bzw. die Reduzierung der
alliierten Streitkräfte und durch die Verkleinerung der Bundeswehr wirt-
schafts-, sozial-, beschäftigungs- und regionalpolitische Probleme entstanden,
die nur als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bewältigt werden
können. Der Bundesrat hat zuletzt im Februar 2001 an den Bund appelliert,
aktiv zu werden, die Ministerpräsidenten der Länder haben diesen Appell im
April 2001 bekräftigt. Fraktionen des Deutschen Bundestags und kommu-
nale Interessenvertretungen haben den Bund seit längerem zur Übernahme
von Verantwortung bei der Umsetzung der Rüstungskonversion gedrängt.
Diese Verantwortung darf nicht nach Kassenlage hin- und hergeschoben
werden. Um den durch Änderungen des Wehrumfangs aufgetretenen Struk-
turproblemen begegnen zu können, bedarf es eines gesetzlich geregelten Las-
tenausgleichs zwischen Bund und Ländern. Dies ist auch deshalb vonnöten,
weil auch künftig mit einschneidenden Veränderungen gerechnet werden
muss.
Die Schwierigkeiten bei der sozialverträglichen Gestaltung des Rüstungsab-
baus dürfen im Übrigen nicht länger als Vorwand zur Blockierung weiterer
Abrüstungsbemühungen herhalten.

2. Gegenwärtig stehen Länder, Städte und Gemeinden vor zahlreichen ungelös-
ten Problemen:
– Noch auf längere Zeit müssen Rüstungsaltlasten als Hinterlassenschaft

des Weltkrieges bzw. der Truppenstationierungen während des Kalten
Krieges beseitigt werden. Die Annahme der vom Bundesrat 1991, 1997
und 2001 vorgelegten Initiativen zur Regelung der ungenügend geregel-
ten Finanzierungsfragen ist überfällig.

Drucksache 14/8657 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Vor allem in Ostdeutschland müssen die von der gegenwärtigen Bundes-
wehrreform betroffenen Regionen durch die tatkräftige Unterstützung des
Bundes in die Lage versetzt werden, die Folgen der Reform zu bewälti-
gen. Dies ist umso dringlicher, als die diesbezüglichen Förderprogramme
der Europäischen Union im vergangenen Jahr (KONVER) ausgelaufen
sind.

– Von besonderem Interesse ist für die Länder und Gemeinden die zügige
Freigabe der Liegenschaften. Sie darf nicht durch den Versuch des Bun-
desministers der Verteidigung belastet werden, möglichst hohe Verkaufs-
erlöse zu erzielen. Stattdessen ist die Umwandlung militärischer Liegen-
schaften in zivile Nutzflächen durch kostengünstigste Lösungen zu
befördern.

– Schon heute ist absehbar, dass die im vorigen Jahr auf den Weg gebrachte
Bundeswehr-Reform nicht das letzte Wort sein wird. Wie die Debatte
über die Zukunft der Wehrpflicht zeigt, ist auch künftig mit gravierenden
Strukturveränderungen zu rechnen, die kommunal- und landespolitische
Folgen haben werden. Um diesen Strukturwandel gestalten zu können,
müssen heute die Instrumentarien einer sinnvollen Rüstungskonversion
entwickelt werden.

3. Konversion kann durchaus eine Chance für die Entwicklung der Regionen
bieten. Dies setzt voraus, dass der Umwandlungsprozess zielgerichtet und
vorausschauend gestaltet wird. Dies wiederum setzt das Zusammenwirken
von Bund, Ländern, Gemeinden, den Streitkräften und möglichen zivilen
Anschlussnutzern voraus. Diese Kooperation bedarf der institutionellen Ver-
ankerung. Aber auch für Teile der Wirtschaft bietet die Rüstungskonversion
neue Chancen. Deutsche Firmen sind bei der Beseitigung der Rüstungsalt-
lasten und bei der Umwandlung militärischer Produktion in Osteuropa und
in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) engagiert. Ihr Know-how
kann noch intensiver und auch andernorts nutzbar gemacht werden. Die hie-
sige Konversionswirtschaft, die ein nicht unwichtiger Exportfaktor ist, sollte
durch die deutsche Außenwirtschaftspolitik mehr als bisher gestützt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– die Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung

und dem Bundesminister der Finanzen vom 14. Juni 2000, die vorsieht, dass
Erlöse aus dem Liegenschaftsverkauf zu 80 Prozent dem Bundesministe-
rium der Verteidigung für militärische Beschaffungen zur Verfügung stehen,
aufzuheben. Stattdessen sollte festgelegt werden, dass den Städten und
Gemeinden die Liegenschaften des Bundes in aller Regel unentgeltlich über-
lassen werden;

– unmittelbar eine Beauftragte/einen Beauftragten des Bundes für Konversion
zu ernennen, damit die Koordination dieser Querschnittsaufgabe zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden angegangen werden kann. Gerade die mit
Konversionsproblemen befassten Städte und Gemeinden haben nachdrück-
lich einen Ansprechpartner/eine Ansprechpartnerin der Bundesregierung ge-
fordert. Dieses Amt sollte die Keimzelle eines künftig zu schaffenden Amtes
für Abrüstung und Rüstungskonversion bilden. Da der Konversionsprozess
mit den Streitkräften zusammen organisiert werden sollte, könnte wegen der
dort vorhandenen Infrastruktur (u. a. Sozialwissenschaftliches Institut der
Bundeswehr) die Stadt Strausberg (Brandenburg) ein geeigneter Standort für
die Ansiedelung dieser Behörde sein. Die Stelle des/der Konversionsbeauf-
tragten ist aus Mitteln des Einzelplans 14 zu erwirtschaften;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8657

– diese Einrichtung auch mit der Aufgabe zu betrauen, in Verbindung mit den
Ländern und Kommunen, ein längerfristiges Bundeskonversionsprogramm
zu erarbeiten. Ferner sollte dieser/diese Beauftragte des Bundes dem Deut-
schen Bundestag Überlegungen zur Vorlage eines Konversionsgesetzes un-
terbreiten. Ziel eines solchen Gesetzes sollte es sein, einen fairen und dauer-
haften Lastenausgleich zwischen Bund und Ländern bei der Bewältigung des
militärisch bedingten Strukturwandels sicherzustellen.

Berlin, den 21. März 2002
Rolf Kutzmutz
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Wolfgang Gehrcke
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Heidi Lippmann
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

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