BT-Drucksache 14/8552

Sozialbindung des Eigentums in beschäftigungspolitische Verantwortung umsetzen

Vom 14. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8552
14. Wahlperiode 14. 03. 2002

Antrag
der Abgeordneten Ursula Lötzer, Pia Maier, Dr. Christa Luft, Dr. Klaus Grehn,
Rolf Kutzmutz, Dr. Barbara Höll, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Sozialbindung des Eigentums in beschäftigungspolitische Verantwortung
umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu Grunde liegende Annahme,
dass durch steuerliche Entlastung der Unternehmen und Stärkung ihrer interna-
tionalen Wettbewerbsposition gestiegene Unternehmensgewinne in die Schaf-
fung neuer Arbeitsplätze investiert würden, ist durch den nicht nur konjunktu-
rell zu erklärenden Anstieg der Arbeitslosenzahlen widerlegt. Im Ergebnis hat
die Steuerreform zu drastischen Einnahmereduzierungen der öffentlichen
Haushalte geführt. Insbesondere in Bundesländern, in denen viele Konzerne
ihren Sitz haben, wie z. B. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern, ist die
Bilanz des Aufkommens sogar negativ. Parallel dazu haben Konzerne massi-
ven Personalabbau angekündigt. Alleine die 4 deutschen Großbanken haben
angesichts steigender Bilanzsummen, einer Gewinnausschüttung von 6 Mrd.
Euro in 2001 und einer Steuerreduzierung von 1 Mrd. Euro angekündigt, welt-
weit 30 000 Stellen, davon 17 000 bundesweit abzubauen.
Mit der vollständigen Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen aus Unter-
nehmensbeteiligungen von Kapitalgesellschaften formulierte Bundeskanzler
Gerhard Schröder die Erwartung, „dass die in den Depots befindlichen Beteili-
gungen nur auf diese Weise auf den Markt gebracht und produktiv so verwendet
werden, dass daraus ein Mehr an Arbeitsplätzen entsteht“. Das Gegenteil ist der
Fall. Sie führt dazu, dass Konzerne ihre Unternehmenspolitik auf die Verhin-
derung von Übernahmeversuchen durch die Steigerung des Aktienwerts kon-
zentrieren und jegliche soziale Verantwortung aufkündigen.
Bei der Neuformulierung des Betriebsverfassungsgesetzes hat die Bundesregie-
rung trotz massiver Kritik der Gewerkschaften darauf verzichtet, die wirtschaft-
lichen Mitbestimmungsrechte betrieblicher Interessenvertretungen mit dem
Ziel der Beschäftigungssicherung wirksam zu erweitern. Diese Unterlassung
verstärkt die arbeitsplatzvernichtende Tendenz der ausschließlichen Ausrich-
tung unternehmenspolitischer Entscheidungen in börsennotierten Unternehmen
an den Gewinnerwartungen der Aktienbesitzer zu Lasten einer nachhaltigen,
beschäftigungs- und qualifikationsorientierten und mitbestimmten Unterneh-
mensentwicklung und -kultur.
Auch der Verzicht der Bundesregierung auf wirksame Schritte zur Umsetzung
des im Bündnis für Arbeit verabredeten Abbaus von Überstunden hat zu der
negativen Bilanz ihrer Beschäftigungspolitik beigetragen, während sich in
europäischen Nachbarländern wie vor allem Frankreich eine politische Gestal-

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tung der Arbeitszeit und der innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen im Sinne
sozialer Demokratie auch beschäftigungspolitisch als erfolgreicher erwiesen
hat. Insofern hat die Politik der Bundesregierung zur Steigerung der Arbeits-
losigkeit beigetragen.
Zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit kann eine sozial gerechte Politik
nicht darauf verzichten, die grundgesetzlich festgeschriebene Sozialpflichtig-
keit des Eigentums durch verbindliche Schritte zur Sicherung der beschäfti-
gungspolitischen Verantwortung zu gestalten. Dazu ist eine wirksame Stärkung
der Rechte der Arbeitnehmervertretungen in den Unternehmen ebenso erforder-
lich wie die verbindliche Einbindung der Unternehmen in Maßnahmen zur
regionalen Beschäftigungssicherung und -entwicklung und die Beteiligung von
politischen Entscheidungsträgern an diesen Maßnahmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
1. die Unternehmen, z. B. durch die Einführung eines progressiven Körper-

schaftsteuertarifs, stärker entsprechend deren wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit zu besteuern sowie die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne
für Unternehmensbeteiligungen aus Kapitalgesellschaften rückgängig zu
machen;

2. gesetzliche Schritte einzuleiten, um bei Unternehmensentscheidungen, die
Entlassungen oder einen relevanten Stellenabbau zur Folge haben, zu ge-
währleisten, dass die mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums verbundene
beschäftigungspolitische Verantwortung der Unternehmenseigner bereits bei
der innerbetrieblichen Entscheidungsfindung in angemessener Weise be-
rücksichtigt wird. Zu diesem Zweck ist die Anzeigepflicht von Entlassungen
nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 Kündigungsschutzgesetz für Unternehmen mit mehr
als 500 Beschäftigten so zu erweitern, dass der Anzeige eine die unterneh-
mensinterne Entscheidungsfindung begleitende Untersuchung der regio-
nalen bzw. branchenspezifischen Arbeitsmarktfolgen der beabsichtigten
Entlassungen beizufügen ist. Weiterhin ist diese Anzeigepflicht auf unter-
nehmerische Entscheidungen auszudehnen, die einen entsprechenden Abbau
der Zahl der Beschäftigten zur Folge haben, ohne dass es dabei zu Entlas-
sungen in der Rechtsform der betriebsbedingten Kündigung kommt, um den
Arbeitsämtern und sonstigen Akteuren die frühzeitige Einleitung beschäfti-
gungssichernder Maßnahmen zu ermöglichen;

3. das Initiativrecht des Betriebsrates für wirtschaftliche Vorschläge zur Be-
schäftigungssicherung nach § 92a BetrVerfG zu einem wirksamen Mitbe-
stimmungsrecht auszubauen. Dazu ist vorzusehen, dass dem Betriebsrat das
Recht eingeräumt wird, wirtschaftliche Alternativvorschläge einschließlich
einer eigenen Studie zu den regionalen Arbeitsmarktfolgen zu unterbreiten
und dazu externe Sachverständige hinzuzuziehen sowie im Falle eines fort-
bestehenden Dissenses ein Schlichtungsverfahren unter Beteiligung der
Bundesanstalt für Arbeit bzw. der zuständigen Arbeitsämter einzuleiten. Der
Nachweis über den Abschluss dieses Verfahrens vor der Einleitung von Ver-
handlungen über einen Sozialplan ist ebenfalls als zwingender Bestandteil
der Anzeige nach § 17 Kündigungsschutzgesetz vorzuschreiben;

4. die Zulässigkeit betriebsbedingter Kündigungen durch eine Ausweitung der
Anzeigepflicht an verbindliche Mindestbedingungen zu koppeln. Dazu ge-
hören der Nachweis der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Entlassung zur
unmittelbaren Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens bzw. Unter-
nehmenszweiges oder Betriebsteils zur Vermeidung künftiger Gefährdungen
seiner Existenz aufgrund
– aktueller oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteter wirtschaftlicher

Schwierigkeiten, die mit keinem anderen Mittel behoben werden können,

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– der Einführung technologischer Neuerungen, die für die Sicherung des
Fortbestands des Unternehmens bzw. Unternehmensteils dringend erfor-
derlich sind,

– der Notwendigkeit von Umstrukturierungen, die für die Aufrechterhal-
tung erforderlich sind.

Weiterhin ist nachzuweisen, dass innerhalb des Unternehmens Überstunden
so weit wie möglich abgebaut worden sind, bzw. in Verhandlungen mit dem
Betriebsrat Schritte zum Abbau von Überstunden beschlossen und deren
Umsetzung eingeleitet wurde;

5. den zuständigen Arbeitsämtern das Recht einzuräumen, bei Entlassungen,
die schwerwiegende Folgen für die Beschäftigungsentwicklung in der Kom-
mune bzw. Region bzw. einen sektoralen Arbeitsmarkt auf nationaler Ebene
haben, einen Runden Tisch zur Beschäftigungssicherung bzw. eine regionale
bzw. branchenspezifische Arbeitsmarktkonferenz unter Beteiligung der Be-
triebsparteien, der Wirtschaftsverbände, politischer Mandatsträger der be-
troffenen Region einzuberufen, der über geeignete Maßnahmen zur Beschäf-
tigungssicherung in dem betroffenen Unternehmen und zur Stützung des
regionalen Arbeitsmarktes wie Qualifizierungsmaßnahmen und Auffangge-
sellschaften berät und seine Ergebnisse in einem Maßnahmeplan festhält;

6. bei Betrieben mit mindestens 500 Arbeitnehmern gesetzlich sicherzustellen,
dass sich die Betriebe an der Finanzierung von Maßnahmen der präventiven
Arbeitsmarktpolitik in Anlehnung an das Job-AQTIV-Gesetz beteiligen.
Dazu ist vorzusehen, dass die Betriebe unbeschadet der aus dem Sozialplan
folgenden Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer diesen ein mindestens
einjähriges Qualifizierungsangebot unterbreiten sowie sich mit einem vom
Arbeitsamt festzulegenden Betrag zwischen dem Doppelten und dem Vier-
fachen des Durchschnittsbruttolohns je Betrieb an der Finanzierung der am
Runden Tisch vereinbarten Qualifizierungsmaßnahmen und Auffanggesell-
schaften oder adäquaten Übergangsgeldern an die Beschäftigten zu beteili-
gen;

7. eine wirksame Kontrolle der vereinbarten Maßnahmen durch die Beteiligten
des Runden Tisches zur Beschäftigungssicherung einschließlich der finan-
ziellen Beteiligung des entlassenden Unternehmens zu gewährleisten und
mit der Möglichkeit zur Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen deren
Einhaltung durchzusetzen;

8. gesetzliche Regelungen zu schaffen, damit Unternehmen, die Entlassungen
in anzeigepflichtigem Umfang vornehmen, ohne den in Nummer 3 geforder-
ten Nachweis der wirtschaftlichen Notwendigkeit erbracht zu haben, künftig
von Maßnahmen der Wirtschaftsförderung ausgeschlossen werden können.

Berlin, den 13. März 2002
Ursula Lötzer
Pia Maier
Dr. Christa Luft
Dr. Klaus Grehn
Rolf Kutzmutz
Dr. Barbara Höll
Roland Claus und Fraktion

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Begründung
Mit der Steuerreform einher geht eine massive Senkung des Aufkommens aus
der Körperschaftsteuer, die in einigen Bundesländern, in denen die Konzerne
überwiegend ihren Sitz haben dramatische Formen angenommen hat und sogar
zu einem Negativsaldo geführt hat. Allein in NRW zahlten die Finanzämter
2001 rund 1,5 Mrd. Euro mehr zurück, als sie aus dieser Quelle eingenommen
haben. Im Jahr 2000 habe NRW noch 3 Mrd. Euro aus dieser Quelle eingenom-
men, erklärte der Sprecher des Finanzministeriums kürzlich. Auch Bayern und
Hessen weisen einen Negativsaldo aus.
Die Begründung der Bundesregierung, dass diese Senkung in Arbeitsplätze um-
gesetzt würde, hat sich nicht bestätigt, im Gegenteil. Kontinuierliche Umvertei-
lung in der Besteuerung hat zum Ergebnis, dass Deutschland zu den Niedrig-
steuerländern für Vermögende und Konzerne gehört. Mit einer Steuerquote aus
Einkommen- und Körperschaftsteuern lag Deutschland nach Angaben der
OECD bereits vor der Wirksamkeit der Unternehmenssteuerreform mit 10,5 %
des Bruttoinlandprodukts (BIP) unter dem OECD-Durchschnitt von 15,8 %,
aber auch in der Beschäftigungsquote Gesamt (Anteil der tatsächlich Beschäf-
tigten an der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren)
mit 60,5 % unter dem OECD-Durchschnitt von 66,5 %. Ein Land wie Däne-
mark mit einer extrem hohen Steuerquote aus Einkommen- und Körperschaft-
steuer von 31,4 % des BIP weist dagegen eine Beschäftigungsquote von 75,8 %
auf. Trotz kontinuierlich sinkender Einkommen- und Körperschaftsteuer hat
sich nach Angaben der OECD im Durchschnitt der hochentwickelten Industrie-
länder die Beschäftigungsquote in den Branchen, die insbesondere dem interna-
tionalen Wettbewerbsdruck unterliegen von 41 % 1970 auf 33 % Ende der
neunziger Jahre reduziert. Aber selbst in diesem Bereich liegt die Beschäfti-
gungsquote Deutschlands mit 35,3 % unter der Dänemarks mit 36,1 %.
Während die Bundesregierung mit der Reduzierung der Steuern und Abgaben
die Einnahmen der öffentlichen Haushalte drastisch reduziert hat und sich da-
mit in der Möglichkeit eingeschränkt hat mit öffentlichen Investitionsprogram-
men, öffentlicher Daseinsvorsorge und Verbesserungen der Bildungssituation
beschäftigungspolitisch zu wirken, haben Länder wie Dänemark und Schweden
diesen Bereich mit Hilfe hoher Steuern und Abgaben ausgeweitet und damit die
Bereitstellung öffentlicher Dienste und die Leistungen der öffentlichen Da-
seinsvorsorge erhöht, wie auch Beschäftigung geschaffen. Der Anteil der
öffentlichen und privaten Beschäftigung in Bereichen, die dem internationalen
Wettbewerb nicht ausgesetzt sind, also insbesondere bei Dienstleistungen, die
lokal anfallen, beträgt in Dänemark 38,4 % und in Deutschland nur 28,1 %.
Deutschland liegt auch hier unter dem Schnitt der OECD von 33,6 %.
Mit der Steuerfreistellung von rund 500 Mrd. Euro zu erwartenden Veräuße-
rungsgewinnen, die allein bei der Gewerbesteuer zu Ausfällen in einer Größen-
ordnung von 75 Mrd. Euro führen wird, hat Rot-Grün zusätzlich noch einen
„Brandbeschleuniger“ für Entlassungen geschaffen: Diese Maßnahmen ver-
stärken eine alleinige Orientierung an der Börsenwertsteigerung des Unterneh-
mens zu Lasten sozialpolitischer Verantwortung. Selbst die Großbanken wer-
den zu Übernahmekandidaten, die sich mit Maßnahmen zur Steigerung des
Aktienwertes davor schützen. Es besteht die Gefahr, dass sich hier ein eigen-
ständiger Markt für Unternehmenshandel entwickelt, der Auf- und Verkäufe
von Unternehmen allein aus der Erwartung der Realisierung von Gewinnen aus
Aktienwertsteigerung entwickelt, in dem nur noch Renditesteigerung zählt,
während regionale und sozialpolitische Verantwortung Hindernisse in der Rea-
lisierung der maximalen Rendite darstellen.
Durch diese Politik werden Konzerne mit dieser wirtschaftspolitischen Orien-
tierung auf mehrfache Weise aus der Verantwortung entlassen. Zum einen, weil
sie sich nicht mehr an den Sozialkosten der Gesellschaft beteiligen, zum zwei-

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ten, weil sie auch direkt ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung immer
weniger nachkommen müssen. Politik und insbesondere die Regierung werden
damit auch dem Verfassungsauftrag zur Sozialbindung des Eigentums nicht ge-
recht. Im Gegenteil.
Deutlich wird diese Entwicklung bei den Großbanken, die in Verhandlungen
über Stellenabbau an vorderster Stelle stehen. Von 1996 bis in das Jahr 2000
sind die Bilanzsummen der Großbanken um jährlich mehr als 20 % gewachsen,
während die Anzahl der Beschäftigten in etwa konstant geblieben ist. Auch im
Jahr 2001 erfolgten beträchtliche Gewinnausschüttungen in Milliardenhöhe, die
allerdings konjunkturbedingt geringer ausfielen als die des Vorjahres. Stellt man
zusätzlich in Rechnung, dass im gleichen Zeitraum der Anteil des Personalauf-
wandes am gesamten Verwaltungsaufwand von knapp 60 % in 1995 auf 54,1 %
im Jahr 2000 zurückgegangen ist, so wird deutlich, dass von ernsthaften oder zu
erwartenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Geschäftstätigkeit Motiva-
tion für den angekündigten Beschäftigungsabbau nicht die Rede sein kann.
Bei der Umsetzung des angekündigten Beschäftigungsabbaus verweigern sich
die Großbanken den von der Gewerkschaft ver.di und betrieblichen Interessen-
vertretungen, wie um nur ein Beispiel zu nennen, dem Betriebsrat des Duis-
burger Call-Centers der Deutsche Bank-Tochter TSG, durch dessen Schließung
in einer strukturschwachen Region allein 210 Arbeitsplätze betroffen sein wer-
den, geforderten Gesprächen über Arbeitsplatz erhaltende und Qualifizierung
sichernde Maßnahmen. Diese Verweigerungshaltung des Unternehmens steht
nicht nur im Widerspruch zu der von der Bundesregierung wie auch zuletzt der
Europäischen Kommission bei der Vorlage ihres Jahresbeschäftigungsberichtes
2002 betonten überragenden Bedeutung von Qualifizierung für die gesamtwirt-
schaftliche Beschäftigungsentwicklung. Sie steht auch im völligen Wider-
spruch zu dem „positiven Zusammenhang zwischen Mitarbeiterbeteiligung
und erfolgreichen betrieblichen Strukturwandel“, den das „Forum Mitbestim-
mung und Unternehmen“, ein Gemeinschaftsprojekt von Hans-Böckler- und
Bertelsmann-Stiftung, im Ergebnis der Studie „Lernende Unternehmen setzen
auf Kooperation“ festgestellt hat. Im Duisburger Fall setzt sich die Deutsche
Bank zudem über ihre bei der Einrichtung des Call-Centers ausdrücklich über-
nommene Mitverantwortung für die beschäftigungspolitische Bewältigung
regionalen Strukturwandels hinweg, wie auch Staatssekretär Dr. Josef Fischer
vom Arbeitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nach einem Ge-
spräch mit Verantwortlichen der Bank öffentlich erklärte.
Die Entwicklung verdeutlicht auch, dass die Reform des Betriebsverfassungs-
gesetzes Beschäftigte nicht ausreichend dagegen geschützt hat. Schon in der
Diskussion um die Reform wurde von den DGB Gewerkschaften und uns das
Fehlen erzwingbarer Mitbestimmungsrechte bei Qualifizierungsmaßnahmen
und Maßnahmen der Beschäftigungssicherung kritisiert. Insofern ist gerade hier
dringend nachzubessern.
Die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen tragen dazu bei, die Sozialbin-
dung des Eigentums wiederherzustellen. Zum einen bedeuten sie einen drin-
gend notwendigen Schritt in der Haushaltskonsolidierung und der Befähigung
der Regierungen im Bund und den Ländern, Spielräume für Beschäftigungs-
politik zu eröffnen, mit denen der Massenarbeitslosigkeit wirksam entgegen ge-
wirkt werden kann. Zum anderen binden sie die Unternehmen direkt wieder in
ihre soziale Verantwortung ein und modernisieren die Betriebsverfassung in
diesem Sinne. Darüber hinaus eröffnen sie auf regionaler Ebene mit den Run-
den Tischen eine Einflussnahme von Politik und Arbeitsämtern, wie auch
Gewerkschaften, Betriebsräten und Verbänden. Die Verknüpfung mit einem
Ausschluss von öffentlicher Wirtschaftsförderung folgt dem Grundsatz, dass
öffentliche Wirtschaftsförderung an die Bedingung beschäftigungspolitischer
Wirksamkeit gebunden werden soll.

Drucksache 14/8552 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die im Job-AQTIV-Gesetz eingeführte Möglichkeit des Arbeitsamtes präventiv
wirksam zu werden, kann sich dann auf kleine Unternehmen und geringe Ent-
lassungszahlen beschränken. Die Mittel für präventive Arbeitsmarktpolitik soll-
ten ohnehin sparsam ausgegeben werden, solange die Arbeitslosigkeit unverän-
dert hoch ist und die Mittel für die Qualifizierung und Versorgung bereits
Arbeitsloser genutzt werden müssten.
Im Gegensatz zur Bundesregierung hat die französische Regierung bereits ent-
sprechende Gesetze erlassen. Insofern stellt eine solche bundespolitische Maß-
nahme auch einen Schritt in Richtung europäischer Kooperation im Sinne
sozialer Nachhaltigkeit und gemeinsamer Stärkung sozialer Grundrechte in
Europa dar. Insbesondere nach der Euro-Einführung sind gemeinsame Schritte
in diese Richtung dringend erforderlich und als europäische Initiative im Rah-
men der Beratung des Gipfels in Barcelona anzustreben.

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