BT-Drucksache 14/8093

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -14/3611, 14/3857 Nr. 1, 14/5216- Bericht zum "Girokonto für jedermann"

Vom 29. Januar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8093
14. Wahlperiode 29. 01. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, Heidemarie Ehlert,
Rosel Neuhäuser, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, Roland Claus
und der Fraktion der PDS

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksachen 14/3611, 14/3857 Nr. 1, 14/5216 –

Bericht zum „Girokonto für jedermann“

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich das
Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers auf ein Privatgirokonto gesetzlich zu
verankern, um sicherzustellen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger über ein
Privatgirokonto verfügen kann.

Berlin, den 29. Januar 2002
Dr. Barbara Höll
Dr. Christa Luft
Heidemarie Ehlert
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Dietmar Bartsch
Roland Claus und Fraktion

Begründung
Die seit dem Jahr 1995 bestehende freiwillige Selbstverpflichtung der Kredit-
institute hat ihr Ziel, jedem Bürger und jeder Bürgerin auf Wunsch, unabhängig
von Art und Höhe der Einkünfte, Zugang zu einem Girokonto zu ermöglichen,
nicht erreicht. Dies geht aus den Stellungnahmen der Bundesanstalt für Arbeit
und der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände im Bericht zum
„Girokonto für jedermann“ als auch aus den Stellungnahmen einzelner Wohl-
fahrts- und Verbraucherverbände eindeutig hervor. Zwar schätzen die Bundes-
regierung, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und die Kreditwirt-
schaft anhand der gestiegenen Zahl der „Girokonten für jedermann“ die
Entwicklung seit 1996 als positiv ein.

Drucksache 14/8093 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Allein der Bundesanstalt für Arbeit ist aber laut ihrer Stellungnahme eine Viel-
zahl von Fällen bekannt, in denen Leistungsberechtigten die Kontoführung
wegen einer Schufa-Eintragung verweigert wurde. Zahlreichen Bürgerinnen
und Bürgern ist durch die Institute auch eine Begründung für die Kontover-
weigerung vorenthalten worden. Ohne Kontoverbindung sind derzeit rund
90 000 Arbeitslosengeld- bzw. Arbeitslosenhilfeberechtigte und 70 000 Emp-
fängerinnen und Empfänger von Kindergeld. Verantwortlich dafür sind alle
Institute der Verbände der Kreditwirtschaft, einschließlich die Sparkassen. Ein
negatives Bild der Erfahrungen mit der Umsetzung der Empfehlung durch die
Kreditwirtschaft zeichnet auch die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der
Verbände. So werden den Mitgliedsverbänden immer wieder Beispiele bekannt,
bei denen die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) den jewei-
ligen Bürgerinnen und Bürgern nicht zur Einrichtung eines Girokontos verhilft.
Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hessen e. V. verweist auf eine
Umfrage in Hessen und Baden-Württemberg aus den Jahren 1997/1998, aus der
hervorgeht, dass sich einzelne Institute in zahlreichen Fällen nicht an die Emp-
fehlung gehalten haben.
Im Ergebnis werden die Betroffenen durch die Verweigerung der Kontofüh-
rung bzw. Kontokündigung vom wirtschaftlichen und sozialen Leben abgekop-
pelt. Es ist ihnen nicht mehr möglich, Zahlungen zu leisten oder zu empfangen.
Überweisungen für Miete, Telefon oder Versicherungsbeiträge können nicht
mehr oder nur noch mit erheblichen Mehrkosten getätigt werden. Schließlich
werden sie gegenüber ihren Arbeitgebern stigmatisiert, da Lohn und Gehalt fast
ausnahmslos nicht bar gezahlt werden. Arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern
ohne Konto wird durch das Verhalten der Bankinstitute die Chance auf eine
neue Stelle erschwert oder gänzlich verwehrt. Die Zahl der Fälle erhöht sich
durch die Tatsache, dass bei Eröffnung des seit 1999 möglichen Verbraucher-
insolvenzverfahrens die Banken berechtigt sind, alle Kontoverbindungen zu
kündigen. Auf diese Probleme geht die Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung in keinem Punkt ein.
Zu den sozialen Folgen der Verweigerung eines Privatgirokontos kommt, dass
Banken und Sparkassen den unbaren Zahlungsverkehr erst zu einem unver-
zichtbaren Lebensbestandteil werden ließen. Deshalb darf ihnen auch nicht die
Ausgrenzung einzelner Bürgerinnen und Bürger freigestellt werden. Mit der
weitgehenden Abschaffung der Barzahlungsmöglichkeiten müssen Kredit-
institute ihre Verpflichtung akzeptieren, jeder Bürgerin/jedem Bürger den bar-
geldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen. Dies bedeutet die Einrichtung
eines Girokontos als Zahlungsadresse für alle.
Seit Formulierung der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“ sind in-
zwischen nahezu sechs Jahre vergangen, in denen diese durch die Kreditwirt-
schaft nicht hinreichend umgesetzt wurde. Deshalb ist davon auszugehen, dass
die freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft und eine zweijährige
Berichterstattung durch die Bundesregierung auch zukünftig nicht ausreichen,
um die Problematik zu lösen. Das Recht auf ein Girokonto bedarf demzufolge
einer Regelung durch den Gesetzgeber.

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