BT-Drucksache 14/7782

Arbeit nicht durch übermäßige Sozialversicherungsbeiträge teurer machen

Vom 11. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7782
14. Wahlperiode 11. 12. 2001

Antrag
der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, Karl-Josef Laumann,Wolfgang
Meckelburg, Horst Seehofer, Peter Rauen, Norbert Barthle, Brigitte Baumeister, Otto
Bernhardt, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Leo Dautzenberg, Dr. Hansjürgen Doss,
Rainer Eppelmann, Klaus Francke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz,
Jochen-Konrad Fromme, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Ulrich Klinkert,
Julius Louven, Hans Michelbach, Elmar Müller (Kirchheim), Claudia Nolte,
Friedhelm Ost, Dr. Bernd Protzner, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber,
Franz-Xaver Romer, Hartmut Schauerte, Heinz Schemken, Karl-Heinz Scherhag,
Norbert Schindler, Diethard Schütze (Berlin), Wolfgang Schulhoff, Gerhard Schulz,
Johannes Singhammer, Dorothea Störr-Ritter, Andreas Storm, Max Straubinger,
Matthäus Strebl, Peter Weiß (Emmendingen), Gerald Weiß (Groß-Gerau),
Annette Widmann-Mauz, Klaus-Peter Willsch, Matthias Wissmann, Dagmar Wöhrl,
Elke Wülfing und der Fraktion der CDU/CSU

Arbeit nicht durch übermäßige Sozialversicherungsbeiträge teuerer machen

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Während im Steuerrecht nur das Arbeitsentgelt besteuert wird, was dem Arbeit-
nehmer auch tatsächlich zufließt (sog. Zuflussprinzip), werden im Sozialver-
sicherungsrecht auch Beiträge für solche Arbeitsentgelte erhoben, die dem Ar-
beitnehmer nicht zugeflossen sind, auf die er jedoch einen Anspruch hat, sei es
durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag (sog. Entstehungsprinzip). Diese Abga-
benbelastung soll selbst dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer im Nachhinein
auf etwaige Entgeltansprüche freiwillig verzichtet.
Auch wenn im konkreten Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh-
mer nicht auf den Tarifvertrag Bezug genommen wurde, wird die Höhe des Ta-
riflohns als Berechnungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge heran-
gezogen. Dies kann Arbeitgeber und Arbeitnehmer übermäßig belasten.
Besonders problematisch wirkt sich die sozialversicherungsrechtliche Regelung
bei „630-DM-Jobs“ aus. Kommt es im Nachhinein zur fiktiven Hinzurechnung
auch nur geringer tariflich zustehender Vergütungsbestanteile (z. B. Weih-
nachtsgeld, Urlaubsgeld) und wird dadurch die Geringfügigkeitsgrenze von
630 DM überschritten, geht die Sozialversicherungsfreiheit bzw. die sozialver-
sicherungsrechtliche Pauschalierungsmöglichkeit verloren. Für den Unterneh-
mer bedeutet dies eine erhebliche Belastung, da Beitragsnachforderungen in
erster Linie zu seinen Lasten gehen. Denn gegenüber dem Arbeitnehmer kann
ein unterbliebener Beitragsabzug nach § 28g SGB IV grundsätzlich nur bei den
nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen nachgeholt werden.
Insbesondere in den neuen Bundesländern und in Branchen, die sich nicht zu-
letzt durch die verfehlte Politik der rot-grünen Bundesregierung in wirtschaft-

Drucksache 14/7782 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
lich schwieriger Situation befinden, führt die strikte Anwendung des Entste-
hungsprinzips im Sozialversicherungsrecht zu einer in erster Linie für kleine
und mittlere Betriebe kaum noch zu bewältigenden finanziellen Belastung. Ist
aber eine Entlohnung nach Tarif aufgrund der örtlichen Marktsituation nicht
möglich, darf es nicht das Sozialversicherungsrecht sein, das trotzdem eine Er-
hebung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Tariflohn fordert und damit be-
stehende Beschäftigungsverhältnisse gefährdet, wenn von den Arbeitgebern
zum Teil erhebliche Nachzahlungssummen gefordert werden.
Die Bundesregierung hat bislang keinerlei Maßnahmen ergriffen, um eine Lö-
sung dieser regionalen und sektoralen Schwierigkeit bereitzustellen. Im Gegen-
teil: Die gegenwärtige Prüfungspraxis der Rentenversicherungsträger bei Ar-
beitgebern von geringfügig Beschäftigten führt dazu, dass bei den geprüften
Arbeitgebern Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend für den gesamten vier-
jährigen Verjährungszeitraum nacherhoben werden. Für kleine und mittelstän-
dische Unternehmen kann diese gegenüber früher sehr viel schärfere Prüfungs-
praxis der Sozialversicherungsträger existenzbedrohende Wirkung haben.
Selbst die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat mittlerweile Handlungsbedarf
gesehen. Mit Urteil vom 2. November 2001 hat das Sozialgericht Gelsenkir-
chen entschieden, dass Arbeitgeber bei der Nacherhebung von Sozialversiche-
rungsbeiträgen bei geringfügig Beschäftigten Vertrauensschutz genießen. Die
unbegrenzte Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen sei nicht mög-
lich. Die Probleme liegen also offenkundig auf dem Tisch.
II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
das Sozialversicherungsrecht dahingehend zu ändern, dass Sozialversiche-
rungsbeiträge wie im Steuerrecht entsprechend dem tatsächlich zugeflossenen
Arbeitsentgelt zu entrichten sind.

Berlin, den 11. Dezember 2001
Gerda Hasselfeldt
Heinz Seiffert
Karl-Josef Laumann
Wolfgang Meckelburg
Horst Seehofer
Peter Rauen
Norbert Barthle
Brigitte Baumeister
Otto Bernhardt
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Leo Dautzenberg
Dr. Hansjürgen Doss
Rainer Eppelmann
Klaus Francke
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Ulrich Klinkert
Julius Louven
Hans Michelbach
Elmar Müller (Kirchheim)
Claudia Nolte
Friedhelm Ost

Dr. Bernd Protzner
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz-Xaver Romer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Norbert Schindler
Diethard Schütze (Berlin)
Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.