BT-Drucksache 14/7109

Erbschaftsbesteuerung sofort reformieren

Vom 11. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7109
14. Wahlperiode 11. 10. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, Dr. Christa Luft,
Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Uwe-Jens Rössel, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Erbschaftsbesteuerung sofort reformieren

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
bis zum 30. November 2001 einen Gesetzentwurf zur Reform der Erbschafts-
besteuerung vorzulegen, der eine sozial gerechte und verfassungsfeste Aus-
gestaltung der Erbschaftsteuer beinhaltet.

Berlin, den 11. Oktober 2001
Dr. Barbara Höll
Heidemarie Ehlert
Dr. Christa Luft
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Uwe-Jens Rössel
Roland Claus und Fraktion

Begründung
Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 die Unterschiede bei der Bewertung
von Grundbesitz und des sonstigen Vermögens im Rahmen der Erbschafts-
besteuerung als verfassungswidrig bezeichnet. Gleichzeitig schrieb das Gericht
dem Gesetzgeber vor, dass alle Vermögensarten, einschließlich des Grundbesit-
zes, realitätsnah bewertet werden sollen. In der Folge beschloss der Deutsche
Bundestag 1996 das Einheitswertverfahren durch eine Bedarfsbewertung zu er-
setzen. Die entsprechende gesetzliche Regelung wurde bis zum 31. Dezember
2001 begrenzt.
Zum Zwecke der Erbschaftsbesteuerung werden derzeit bebaute Grundstücke
nur im Falle von Erbschaften nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Dieses
Verfahren erreicht aber im Durchschnitt gerade 50 Prozent des Kaufpreises.
Dies belegen bundesweite Untersuchungen durch die Finanzverwaltung, in de-
nen das Verhältnis der steuerlichen Grundstückswerte zu den tatsächlichen er-
zielten Kaufpreisen (Verkehrswerten) beleuchtet wird. Ausgewertet wurden
Fälle, in denen das bewertete Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach
einer Erbschaft oder Schenkung veräußert wurde. Die durch das Ertragswert-
verfahren für bebaute Grundstücke ermittelten Grundstückswerte erreichten 51
Prozent der Verkehrswerte. Die festgelegten Werte für unbebaute Grundstücke
lagen bei 72 Prozent des Verkehrswertes. Damit wird eine erhebliche steuerli-

Drucksache 14/7109 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
che Ungleichbehandlung innerhalb des Grundvermögens offensichtlich. Darü-
ber hinaus wird aber auch deutlich, dass – insbesondere bei der Bewertung von
bebautem Grundbesitz – eine Realitätsnähe nicht gegeben ist. Dies zieht wie-
derum eine steuerliche Privilegierung von Grundbesitz gegenüber den übrigen
Vermögensarten im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung nach sich. Damit wird
dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht
annähernd Rechnung getragen.
Aufgrund dessen und der Befristung der aktuellen Vorschriften zur Bewertung
von Grundbesitz bis zum 31. Dezember 2001 ist ihre zeitnahe Neuregelung
dringend erforderlich. Mit der Entscheidung, diese um 2 Jahre zu verschieben,
verletzt die Bundesregierung die Verfassung.
Zugleich lässt sie die Chance für eine umfassende Reform der Erbschaftsbe-
steuerung verstreichen, die sich nicht nur auf eine Veränderung von Bewer-
tungsvorschriften beschränken kann, sondern auch strukturelle Eingriffe zur
Beseitigung zahlreicher Ungerechtigkeiten beinhalten muss. So ist es ange-
sichts der sich rapide verändernden Lebensweisen nicht nachvollziehbar, dass
die Höhe der Erbschaftsteuer noch immer davon abhängt, in welcher Bezie-
hung die Erblasser und Erblasserinnen sowie Erben und Erbinnen zueinander
standen. Nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz der Bundesregierung sollen zu-
künftig zwar die überlebenden Partner und Partnerinnen homosexueller Le-
benspartnerschaften weitgehend den Ehen gleichgestellt werden. Dies hebt aber
die massive erbschaftsteuerliche Diskriminierung von z. B. unverheirateten he-
terosexuellen Paaren nicht auf.
In ihrem Koalitionsvertrag sicherte die Bundesregierung zu, einem Auseinan-
derdriften der Gesellschaft in Arm und Reich durch eine gerechte Verteilung
der Lasten entgegenzuwirken und Chancengleichheit herzustellen. Durch die
Entscheidung, die Erbschaftsteuerreform zu verschieben, wird jedoch deutlich,
dass sie die Bedeutung von Erbschaften für die Vermögenspolarisierung in der
Bundesrepublik Deutschland ignoriert. Nach Auswertung des Alters-Surveys
von 1996 kann davon ausgegangen werden, dass Erbschaften die sozialen Ge-
gensätze in der Gesellschaft vergrößern. So geht aus dem Alters-Survey hervor,
dass Vererbungen Personen aus höheren sozialen Schichten, mit einer per Ge-
burt höheren Vermögensausstattung bevorteilen und gerade diejenigen benach-
teilen, die es ohnehin schwer haben, ihre soziale Position zu verbessern. Dieser
Trend wird sich zukünftig noch verstärken, da – aufgrund des Rückgangs der
Geburtenhäufigkeit und der Zunahme von kinderlosen Paaren – Erben und Er-
binnen Vermögen nicht mehr nur von den Eltern, sondern auch von anderen
Verwandten sowie immer weniger Erbinnen und Erben immer höhere Summen
erhalten. Vererbung wird damit zu einem noch wichtigeren Faktor sozialer Un-
gleichheit – ein wesentlicher Aspekt, der sich in der geforderten Reform der
Erbschaftsbesteuerung niedeschlagen muss.
Die Erbschaftsteuer stellt eine eigenständige Finanzierungsquelle der Länder
dar. Sie hält aktuell mit einem Einahmevolumen von zuletzt rund 5,8 Mrd. DM
im Rahmen des gesamten Steueraufkommens noch eine unbedeutende Position.
Vor dem Hintergrund dessen, dass in der Bundesrepublik Deutschland mindes-
tens 1,5 Millionen Vermögensmillionäre leben und jährlich rund 100 bis 200
Mrd. DM an Geld- und Sachvermögen vererbt werden, existieren jedoch erheb-
liche Reserven in Bezug auf die Erzielung von Mehreinnahmen. Aufgrund der
erheblichen Schieflage bei der Verteilung von Erbschaften ist durch eine Verän-
derung von Freibeträgen und Steuersätzen eine stärkere Belastung von hohen
Privatvermögen möglich, ohne gleichzeitig geringe Vermögen höher zu besteu-
ern. Die entsprechenden Steuermehreinnahmen können die Bundesländer für In-
vestitionen z. B. in Bildung und für den Ausbau der Kinderbetreuung nutzen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.