BT-Drucksache 14/6918

Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes

Vom 19. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6918
14. Wahlperiode 19. 09. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Dr. Ruth Fuchs, Ulla Jelpke, Sabine Jünger,
Gerhard Jüttemann, Heidemarie Lüth, Kersten Naumann, Christine Ostrowski,
Petra Pau, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Fast elf Jahre nach Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ist im
Beitrittsgebiet noch immer kein sozial gerechter, Rechtssicherheit und Rechts-
frieden stiftender Ausgleich zwischen den Interessen der Eigentümer und
Verpächter einerseits und denen der Nutzer und Pächter von Freizeit- und Erho-
lungsgrundstücken sowie Kleingärten andererseits hergestellt worden. Auch
der vorliegende Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Ände-
rung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG), Drucksache 14/
6884, wird diesem Anliegen nicht gerecht. Er setzt im Gegenteil die Benachtei-
ligung der Nutzer gegenüber den Grundstückseigentümern im Kündigungs-
recht fort. Er bietet keine sozialverträgliche Lösung im Sinne der vom Bundes-
verfassungsgericht verlangten „angemessenen“ Beteiligung der Nutzer an den
öffentlichen Lasten. Die für den Nutzer ungerechten, zu überhöhten Nutzungs-
entgelten führenden Regelungen in der Nutzungsentgeltverordnung bleiben be-
stehen. Der Entwurf beschränkt sich im Wesentlichen auf die Umsetzung der
dem Gesetzgeber durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli
1999 gemachten Vorgaben. Dabei werden zum Nachteil der Nutzer Regelungen
vorgeschlagen, die sich nicht zwingend aus dem Urteil ergeben. Der der Bun-
desregierung auch nach dem Urteil offen stehende politische Gestaltungsspiel-
raum für eine gerechte abschließende Regelung der aus DDR-Zeiten überkom-
menen Nutzungsverhältnisse wurde nicht wahrgenommen. Die Vorschläge der
Nutzerverbände blieben unbeachtet. Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf
die auf Interessenausgleich bedachten Positionen verlassen, die die jetzigen
Koalitionsfraktionen in ihrer Oppositionszeit eingenommen hatten.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Schuldrechtsanpas-

sungsgesetzes, Drucksache 14/6884, zurückzuziehen,
2. einen neuen Entwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Schuld-

rechtsanpassungsgesetzes vorzulegen, der folgende Regelungen enthält:
a) Gleichstellung von Eigentümern und Nutzern im Kündigungsrecht. Be-

seitigung der finanziellen Benachteiligung des Nutzers im Falle einer
durch ihn ausgesprochenen Kündigung, insbesondere Gewährleistung
eines Entschädigungsanspruchs zum Zeitwert im Zeitpunkt der Rückgabe

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des Grundstücks für das vom Nutzer errichtete Bauwerk und für ander-
weitige Werterhöhungen des Grundstücks, z. B. durch Anpflanzungen
und andere mit dem Grundstück verbundene Einrichtungen. Befreiung
von den hälftigen Abrisskosten für das Bauwerk.

b) Präzisierung der Regelung über die Beteiligung des Nutzers an öffent-
lichen Lasten dahingehend, dass eine Klarstellung erfolgt, welche ständig
wiederkehrenden öffentlichen Lasten bereits durch das festgelegte und
vereinbarte Nutzungsentgelt erstattet sind und welche zusätzlich erstattet
werden müssen. Festlegung einer Höchstgrenze von 25 % für die Beteili-
gung des Nutzers an einmalig erhobenen Beiträgen und Abgaben für die
Erschließung des Grundstücks. Verrechnung mit bereits erbrachten Er-
schließungskosten. Orientierung der Bundesländer auf die Schaffung
inhaltlich übereinstimmender Regelungen für die Stundung der Erschlie-
ßungsbeiträge für Kleingärten nach Bundeskleingartengesetz und für
Erholungsgrundstücke nach SchuldRAnpG. Gewährleistung eines Son-
derkündigungsrechts des Nutzers nach Zugang des Erstattungsverlangens
entsprechend § 8 der Nutzungsentgeltverordnung.

c) Gleichstellung des Nutzers mit dem Grundstückseigentümer bei der Kün-
digung hinsichtlich einer Teilfäche des Grundstücks dahingehend, dass
der Nutzer das Recht zur Teilkündigung ohne einschränkende Bedingun-
gen erhält.

d) Ermöglichung der Vertragsübernahme durch einen vom Nutzer benann-
ten Dritten, soweit dem nicht in der Person des Dritten ein wichtiger
Grund entgegen steht.

e) Berücksichtigung des Zustandes des Gründstücks und seines Zeitwerts zu
Beginn des Nutzungsverhältnisses bei der Festlegung des Nutzungsent-
gelts dahingehend, dass sich die vom Nutzer selbst vorgenommenen Wer-
terhöhungen mindernd auf die Höhe des Nutzungsentgelts auswirken.

Berlin, den 19. September 2001
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Ruth Fuchs
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Heidemarie Lüth
Kersten Naumann
Petra Pau
Christine Ostrowski
Roland Claus und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6918

Begründung
Zu Nummer 1
Der Entwurf der Bundesregierung ist nicht geeignet, die seit langem erforder-
liche, einen gerechten Interessenausgleich, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden
schaffende abschließende Regelung der nach wie vor offenen Probleme im Be-
reich der aus der ehemaligen DDR überkommenen Nutzungsverhältnisse her-
beizuführen. Er hält die Benachteiligung der Nutzer und Pächter zugunsten der
Grundstückseigentümer und Verpächter, insbesondere im Kündigungsrecht und
bei der Berechnung der Nutzungsentgelte aufrecht. Er führt zu ungerechtfertig-
ten Belastungen der Nutzer bei der Beteiligung an den öffentlichen Lasten. Der
Entwurf sollte deshalb zurückgezogen und umgehend durch einen neuen Ent-
wurf ersetzt werden.

Zu Nummer 2 Buchstabe a
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz begünstigt im Kündigungsrecht des § 12
den Grundstückseigentümer und benachteiligt den Nutzer. Mit dem Regie-
rungsentwurf wird diese Regelung beibehalten. Es soll also dabei bleiben, dass
die Entschädigung für das vom Nutzer errichtete Bauwerk im Falle der Kündi-
gung durch den Nutzer geringer bemessen wird als im Falle der Kündigung
durch den Grundstückseigentümer. Diese Regelung ist unbillig und nicht sach-
gerecht. Grundstückseigentümer und Nutzer sollten insoweit gleichgestellt
werden, als bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Entschädigung nach
dem Zeitwert zum Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks bemessen wird. In
die Entschädigung sind nicht nur das Bauwerk, sondern auch anderweitige
Werterhöhungen, wie Anpflanzungen und andere mit dem Grundstück verbun-
dene Einrichtungen einzubeziehen.
Nach der Regelung in § 15 SchuldRAnpG muss der Nutzer unter bestimmten
Bedingungen, insbesondere bei eigener Kündigung, z. B. aus gesundheitlichen
Gründen, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses darüber hinaus die Hälfte
der Kosten für den Abbruch des Bauwerks bezahlen. Von dieser Verpflichtung
sollten sie aus sozialen Gründen befreit werden. Die Nutzer befinden sich oft in
der Zwangslage, dass sie sich einerseits wegen hoher Nutzungsentgelte oder
aus Alters- und Gesundheitsgründen von ihrem Grundstück trennen müssen,
andererseits eine Kündigung nicht riskieren können, weil sie die Beteiligung an
den Abbruchkosten fürchten.

Zu Nummer 2 Buchstabe b
Im Regierungsentwurf werden die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts
über die „angemessene Beteiligung“ des Nutzers an den öffentlichen Lasten in
unzulässiger Weise überdehnt. In Bezug auf die einmaligen Beiträge und Abga-
ben ist zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht die Angemessenheit
nicht auf 50 % festgesetzt hat, dass bei Mietverhältnissen eine Umlegung auf
den Mieter nicht möglich ist und dass derartige Aufwendungen den Wert des
Grundstücks erhöhen. Die Festlegung einer Höchstgrenze von 25 % erscheint
deshalb als angemessen. In Bezug auf die ständig wiederkehrenden Lasten ist
klarzustellen, dass eine Beteiligung des Nutzers nur insoweit infrage kommt,
als die Erstattung der Kosten für solche Leistungen nicht schon im festgelegten
und vereinbarten Nutzungsentgelt enthalten ist. Das erfordert die Überprüfung
des Einzelfalles. Da auch die hier vorgeschlagene Regelung für Nutzer zu fi-
nanziellen Belastungen führen kann, die diese nicht tragen wollen oder können,
sollte ein Sonderkündigungsrecht nach dem Vorbild des § 8 Nutzungsentgelt-
verordnung (Kündigung nach Zugang der Erklärung über die Entgelterhöhung)
eingeräumt werden, allerdings ohne einschränkende Bedingungen im Vergleich
zur Kündigung durch den Grundstückseigentümer.

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Zu Nummer 2 Buchstabe c
Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Regelung des neuen § 23a gewährt
– neben dem Grundstückseigentümer, dem ein solches Recht nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts zustehen sollte – auch dem Nutzer ein (sub-
sidiäres) Teilkündigungsrecht. Die Regelung enthält jedoch Elemente der
Ungleichbehandlung, die nicht akzeptiert werden können. Das Teilkündigungs-
recht des Nutzers wird im Vergleich zum Teilkündigungsrecht des Grund-
stückseigentümers an unangemessen hohe subjektive und schwer nachweisbare
Voraussetzungen gebunden. Nicht akzeptabel ist, insbesondere die Voraus-
setzung des Vorliegens einer unzumutbaren Härte für den Nutzer, wenn das
Vertragsverhältnis ohne Teilkündigung fortgesetzt wird. Aufgrund der Unbe-
stimmtheit des Begriffs der unzumutbaren Härte sind zahlreiche Rechtsstreite
über die Auslegung dieses Begriffs zu befürchten. Diese Ungleichbehandlung
des Nutzers gegenüber dem Grundstückseigentümer muss deshalb beseitigt
werden.

Zu Nummer 2 Buchstabe d
Es besteht ein berechtigtes Interesse von Nutzern, Grundstück und Bauwerk
Verwandten oder anderen Personen zu überlassen. Dem war der Vorschlag der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus dem Diskussionsteilentwurf „Schuldrechtsan-
passung und Nutzungsentgeltverordnung“ A. Nr. 4 (Stand: 13. Juli 1999) nach-
gekommen. Er sah vor, dass der Nutzer vom Grundstückseigentümer die Zu-
stimmung zu einer Vereinbarung verlangen kann, die den Eintritt eines vom
Nutzer benannten Dritten anstelle des Nutzers in das bestehende Nutzungsver-
hältnis und zugleich die Übereignung etwaiger auf dem Grundstück vorhande-
nener, im Eigentum des Nutzers stehender Baulichkeiten auf den Dritten zum
Inhalt hat. Dieser Vorschlag sollte wieder aufgegriffen werden. Auf die dies-
bezügliche Begründung in dem Diskussionsentwurf wird verwiesen.

Zu Nummer 2 Buchstabe e
Es ist nicht mehr als recht und billig, bei der Festlegung des Nutzungsentgelts
den Zustand des Grundstücks zu Beginn des Nutzungsverhältnisses zu berück-
sichtigen (bebaut oder unbebaut, erschlossen oder nicht erschlossen, verödet
oder kultiviert). Die vom Nutzer selbst mit hohem Arbeits- und Finanzaufwand
erbrachten Leistungen dürfen nicht dazu führen, dass der Nutzer hierfür auch
noch ein höheres Nutzungsentgelt bezahlen muss und der Grundstückseigen-
tümer Entgelte für Leistungen erzielt, die er nicht erbracht hat. Die vorgeschla-
gene Regelung ist im Zusammenhang mit der Regelung über die Beteiligung
des Nutzers an den öffentlichen Lasten zu gestalten.

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