BT-Drucksache 14/6465

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS -14/6370- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"

Vom 27. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6465
14. Wahlperiode 27. 06. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
F.D.P. und PDS
– Drucksache 14/6370 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“

A. Problem

Die Frist für Anträge durch ehemalige NS-Zwangsarbeiter auf Leistungen nach
dem Gesetz endet am 12. August 2001. Mehrere der für die Antragsbearbeitung
zuständigen Partnerorganisationen weisen darauf hin, dass potentielle Antrag-
steller in erheblicher Zahl bisher keine Anträge gestellt haben, weil die Feststel-
lung ausreichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen durch den
Deutschen Bundestag gemäß § 17 Abs. 2 des Gesetzes und die daraus resultie-
rende Bereitstellung der Stiftungsmittel zur Auszahlung erst am 30. Mai 2001
erfolgte. Damit bestünde bei unveränderter Antragsfrist die Gefahr, dass eine
erhebliche Zahl von Leistungsberechtigten nicht die ihnen zustehende Leistung
erhielte.

B. Lösung

Verlängerung der Antragsfrist.

Verabschiedung einer Entschließung, in der Berichtsbitten an die Bundesregie-
rung gerichtet werden.

Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Novellierung nicht mit Kosten
belastet.

Drucksache 14/6465 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/6370 mit folgender Maßgabe:

,Artikel 1 Nr. 2 wird wie folgt geändert:

1. § 14 erhält die Überschrift: „Antrags- und Ausschlussfristen“.

2. In § 14 Abs. 2 wird der erste Satz gestrichen‘,

im Übrigen unverändert anzunehmen.

2. folgende Entschließung anzunehmen:

,In der Aussprache des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktionen
SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS ,Feststellung
ausreichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen nach § 17 Abs. 2
des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ ‘ wurde übereinstimmend festgehalten, dass ein erklärtes Interesse
des Deutschen Bundestages besteht, dass alle noch lebenden Opfer die ihnen
zustehenden Leistungen so schnell wie möglich erhalten und dass der dauer-
hafte und umfassende Rechtsfrieden für deutsche Unternehmen in den USA
im Sinne des deutsch-amerikanischen Regierungsabkommens und der Ge-
meinsamen Erklärung vom 17. Juli 2000 hergestellt wird.

Der Innenausschuss bittet daher die Bundesregierung, dem Deutschen
Bundestag regelmäßig, in den ersten zwei Jahren pro Quartal, in den darauf
folgenden Jahren bis zum Abschluss der Auszahlungen an die Anspruchs-
berechtigten halbjährlich, einen Bericht über den Stand der Auszahlungen und
die Zusammenarbeit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
mit den Partnerorganisationen vorzulegen.

Darüber hinaus bittet der Innenausschuss die Bundesregierung, den Deutschen
Bundestag halbjährlich über den Stand der Rechtssicherheit für deutsche
Unternehmen im Zusammenhang mit der Thematik der Stiftung vor allem in
den USA zu unterrichten. Dieser Bericht sollte auch auf administrative und
legislative Maßnahmen, vor allem in den Einzelstaaten der USA eingehen.
Maßstab ist daher der vom US-Präsidenten zugesagte dauerhafte und umfas-
sende Rechtsfrieden.‘

Berlin, den 27. Juni 2001

Der Innenausschuss

Ute Vogt (Pforzheim)
Vorsitzende

Bernd Reuter
Berichterstatter

Martin Hohmann
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6465

Bericht der Abgeordneten Bernd Reuter, Martin Hohmann, Volker Beck (Köln),
Dr. Max Stadler und Ulla Jelpke

I. Zum Verfahren

1. Der Gesetzentwurf wurde in der 177. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 22. Juni 2001 an den Innenaus-
schuss federführend sowie an den Rechtsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

2. Der Rechtsausschuss hat in seiner 90. Sitzung am
27. Juni 2001 mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS gegen
eine Stimme aus der Fraktion der CDU/CSU im Übrigen
empfohlen, den Gesetzentwurf mit folgender Maßgabe
anzunehmen:

In Artikel 1 des Gesetzes soll es heißen:

„1. § 9 Abs. 8 Satz 2 wird wie folgt neu gefasst:

,Dies gilt auch für die Leitungsberechtigung von Sonder-
rechtsnachfolgern.‘“

3. Annahme des Gesetzentwurfs und der Entschließung
empfohlen.

4. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 63.
Sitzung am 27. Juni 2001 abschließend beraten und ihm
in der Fassung der Beschlussempfehlung einstimmig zu-
gestimmt. Zuvor hat er den Änderungsantrag der Frak-
tion der F.D.P. vom 26. Juni 2001 (Ausschussdrucksache
Nr. 510) mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktionen der F.D.P. und der PDS abgelehnt.
Der Änderungsantrag hatte folgenden Wortlaut:

Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P.

zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes

zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor-
tung und Zukunft“ – Drucksache 14/6370 –

1. In Artikel 1 des Gesetzentwurfs wird folgende
Nummer 2 eingefügt:

Paragraph 13 Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt neu ge-
fasst:

„Ist der Leistungsberechtigte nach dem 15. Februar
1999 verstorben oder werden Leistungen nach § 11
Absatz 1 Nr. 3 oder Satz 4 beantragt, sind die Erben
leistungsberechtigt.“

Paragraph 13 Absatz 1 Satz 3 und Satz 4 entfallen.

Paragraph 13 Absatz 1 Satz 5 wird zu Satz 3,

Paragraph 13 Absatz 1 Satz 6 wird zu Satz 4.

2. Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzentwurf wird zu Artikel 1
Nr. 3; Paragraph 14 Absatz 3 entfällt.

Begründung

Der im Gesetzentwurf vorgeschlagene Wegfall der Leis-
tungsberechtigung wegen einer Fristversäumnis erscheint
rechtsstaatlich nicht hinnehmbar.

Zudem sind von Vertretern der Partnerorganisationen in der
Sitzung des Kuratoriums der Stiftung „Erinnerung, Verant-
wortung und Zukunft“ am 21. Juni 2001 erhebliche Beden-
ken gegen die geltende Fassung des Paragraphen 13 des
Stiftungsgesetzes vorgetragen worden. Derzeit geht der An-
spruch eines verstorbenen Leistungsberechtigten nur subsi-
diär auf die Erben über, vorrangig jedoch im Wege der Son-
derrechtsnachfolge an Ehegatten und Verwandte.

Damit wird – ausschließlich aus Gründen der Verfahrens-
vereinfachung – der Wille des Anspruchsberechtigten, wie
er z. B. in einem Testament zum Ausdruck gebracht wird,
nicht hinreichend beachtet. Aus diesem Grund sollte der von
Partnerorganisationen geäußerten Kritik gefolgt werden.

Einem weiteren, im Zuge der Beratungen gestellten Ände-
rungsantrag der Fraktion der PDS, der Überschrift in § 14
an Stelle von „Ausschlussfristen“ die Fassung „Antrags-
und Anschlussfristen“ zu geben, hat der Innenausschuss mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU zugestimmt.

II. Begründung

Auf die Begründung auf Drucksache 14/6370 wird hinge-
wiesen.

In der Ausschussberatung haben die Fraktionen, trotz eini-
ger Bedenken bei der Ausschlussfrist, dem Gesetzentwurf in
der Fassung der Beschlussempfehlung zugestimmt. Der
Ausschlussfrist für die Anzeige der Sonderrechtsnachfolger
haben sie zugestimmt, damit sich die zweite Rate für die
schon sehr alten Zwangsarbeiter nicht weiter verzögert. Der
Ausschuss hat in diesem Zusammenhang aber darauf hinge-
wiesen, dass der Fall, in dem der Sonderrechtsnachfolger
die Ausschlussfrist von 6 Monaten schuldlos versäumt, von
den Partnerorganisationen nach dem Grundsatz der Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand behandelt werden soll,
wenn er sich umgehend bei der Partnerorganisation meldet,
nachdem er von seiner Stellung als Sonderrechtsnachfolger
erfahren hat.

Die Fraktion der F.D.P., die ebenfalls zugestimmt hat, hatte
ihren Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 510 ge-
stellt, weil nach ihrer Auffassung der Gesetzentwurf die
Praktikabilität gegenüber der materiellen Gerechtigkeit
überbewertet. Der Innenausschuss ist dem nicht gefolgt,
weil auch seitens der Leitung der Stiftung „Erinnerung, Ver-
antwortung und Zukunft“ bestätigt wurde, dass eine Geset-
zesänderung, wie sie seitens der Fraktion der F.D.P. ge-
wünscht wird und wie sie von der Fraktion der PDS geteilt
wird, nach dem Regierungsabkommen USA-Deutschland
nicht ohne Einverständnis der Regierung der USA möglich
ist. Zu einer solchen Änderung liegt eine Zustimmung der
USA jedoch nicht vor.

Zur Frage der Sonderrechtsnachfolge in die Leistungsbe-
rechtigung nach dem Stiftungsgesetz stellt der Innenaus-
schuss Folgendes klar:

Drucksache 14/6465 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

1. Das Stiftungsgesetz schreibt in § 13 Abs. 1 vor, dass
nach dem Tod des Opfers die Leistungsberechtigung auf
bestimmte Personen übergeht. Die Leistungsberechti-
gung ist höchstpersönlich und daher nicht vererblich;
eine Leistungsberechtigung von natürlichen Personen,
die nicht selbst Opfer der nationalsozialistischen Verfol-
gung waren, ist ausschließlich aufgrund von § 13 Abs. 1
möglich (Sonderrechtsnachfolge). Nationales Erbrecht
ist nur dann anwendbar, wenn die Zahlung an das Opfer
bereits erfolgt ist und dieses danach verstirbt.

2. Die fristgerechte Antragstellung bzw. Anzeige der
Rechtsnachfolge wirkt für alle als Sonderrechtsnachfol-
ger i. S. v. Satz 2 bis 4 berechtigten Personen.

3. Die Partnerorganisationen trifft keine Pflicht, von sich
aus nach möglichen Sonderrechtsnachfolgern zu suchen,
wenn ihr diese auch nach ohne größeren Aufwand
durchführbaren Ermittlungen nicht bekannt sind.

4. Sonderrechtsnachfolger erklären vor Erhalt einer Leis-
tung gegenüber der Partnerorganisation rechtsverbind-
lich nach bestem Wissen, welche sonstigen Sonder-
rechtsnachfolger existieren. Für bewusst oder unbewusst
falsche Angaben, die dazu führen, dass weitere berech-
tigte Sonderrechtsnachfolger bei Auszahlung der Leis-
tung nicht berücksichtigt werden, erfolgt ein Ausgleich
ausschließlich im Innenverhältnis zwischen den berech-
tigten Sonderrechtsnachfolgern.

5. Die Leistung erfolgt als Gesamtbetrag an einen der Son-
derrechtsnachfolger im Auftrag der übrigen Sonder-

rechtsnachfolger oder als Teilbetrag an jeden Sonder-
rechtsnachfolger gesondert.

Diese Klarstellung hat ihren Grund darin, dass die Regelun-
gen zur Sonderrechtsnachfolge in Leistungsberechtigungen
in der Praxís einen der schwierigsten Bereiche der Ausle-
gung und Handhabung des Stiftungsgesetzes darstellen. Es
ist notwendig, im Interesse der Partnerorganisationen wie
auch des gesamten Projektes Planungs- und Rechtssicher-
heit zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist eine Gesetzes-
änderung vorgeschlagen worden, mit der für die Anzeige
der Sonderrechtsnachfolge eine bestimmte Frist gesetzt
wird.

Weiter bleiben nach der geltenden Gesetzeslage Unklarhei-
ten bei den Partnerorganisationen über die Auslegung ihrer
Verpflichtungen bei der Behandlung von Leistungen an
Sonderrechtsnachfolger. Ist das eigentliche Opfer und damit
der ursprünglich Leistungsberechtigte verstorben, entsteht
eine komplexe Situation, in der nach § 13 Abs. 1 ein variab-
ler und schwer festzustellender Personenkreis für die Leis-
tung in Betracht kommt. Die Partnerorganisationen müssen
ohne weitere Klarstellungen in diesem Bereich befürchten,
mit einer größeren Zahl von Prozessen konfrontiert zu wer-
den. Angesichts des hohen Alters der meisten Opfer ist mit
einer ständig wachsenden Zahl von Fällen dieser Art zu
rechnen, zumal diese Situation auch nach Auszahlung der
ersten Rate im Hinblick auf die zweite Rate entstehen kann.
Die vorliegende Stellungnahme dient der Konkretisierung
der Pflichten der Partnerorganisationen und einer Begren-
zung des Haftungsrisikos auf das Innenverhältnis zwischen
den Sonderrechtsnachfolgern.

Berlin, den 27. Juni 2001

Bernd Reuter
Berichterstatter

Martin Hohmann
Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

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