BT-Drucksache 14/6444

Existenzminimum realitätsnah ermitteln

Vom 27. Juni 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

27. 06. 2001

Antrag

der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, Heidemarie Ehlert,
Dr. Christa Luft, Rosel Neuhäuser, Dr. Uwe Jens Rössel, Roland Claus
und der Fraktion der PDS

Existenzminimum realitätsnah ermitteln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung ist verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über die
Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vorzulegen. Die
Berechnung des so genannten sächlichen Existenzminimums hat das jeweils
aktuelle Durchschnittsniveau der Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz
zum Ausgangspunkt. Damit wird ignoriert, dass die Regelsätze seit 1993 nicht
entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten erhöht wurden. Wei-
tere Leistungen der Sozialhilfe – wie Mehrbedarfszuschläge für Alleinerzie-
hende und andere Personengruppen – werden bei der Berechnung des Existenz-
minimums überhaupt nicht berücksichtigt, Kosten der Unterkunft weit unter
dem wirklichen Mindestniveau angesetzt. Die im Bericht ermittelten Beträge
haben sich demzufolge vom wirklichen existentiellen Mindestbedarf entfernt.
So ermittelte die Bundesregierung bereits für Anfang 1994 das Existenzmini-
mum eines Kindes in Höhe von monatlich 613 DM. Eine von der Arbeits- und
Sozialministerkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe kam für das Jahresende zu
einem Betrag von 628 DM. Das durchschnittliche jährliche Existenzminimum
betrug in 1994 demnach 7 446 DM. Im letzten Bericht über das Existenz-
minimum von Erwachsenen und Kindern hatte die Bundesregierung für 2001
eine Existenzminimum von 6 768 DM pro Kind ermittelt, obgleich die Lebens-
haltungskosten von 1994 bis zum Jahr 2000 um 8,6 % gestiegen sind.

Der Bericht über das Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern ist
Grundlage für die Festsetzung des einkommensteuerlichen Grundfreibetrags,
der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes. Ein realitätsnaher Ausweis des
Existenzminimums ist daher von großer Bedeutung.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

vor Abschluss der Beratungen zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Fami-
lienförderung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Druck-
sache 14/6160) einen Bericht über das Existenzminimum von Erwachsenen
und Kindern für das Jahr 2003 vorzulegen, der das Existenzminimum realitäts-
nah und in Übereinstimmung sozial- und einkommensteuerlicher Vorschriften
ermittelt. Im Vergleich zu den bisherigen Berichten sind deshalb folgende
Änderungen zu berücksichtigen:
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1. Ausgangspunkt der Berechnung sind nicht die realen Regelsätze in 2001,
sondern das Regelsatzniveau, das sich in Anpassung an die seit 1993 gestie-
genen Lebenshaltungskosten ergeben hätte. Dieses Regelsatzniveau ist auf
das Jahr 2003 entsprechend der zu erwartenden Preissteigerungen fort-
zuschreiben.

2. Bei der Berechnung des Existenzminimums sind der erhöhte Regelsatz und
die Mehrbedarfszuschläge für Kinder Alleinerziehender, für Menschen nach
Vollendung des 65. Lebensjahres, für behinderte und kranke Menschen an-
gemessen zu berücksichtigen.

3. Die Berechnung des Existenzminimums von Kindern muss analog der ein-
kommensteuerlichen Entlastung von Familien auch die Regelsätze und die
einmaligen Leistungen von volljährigen Kindern einbeziehen.

4. Bei der Berechnung des Existenzminimums sind Aufwendungen für die
Kinderbetreuung im angemessenen Umfang zu berücksichtigen.

5. Den Kosten der Unterkunft sind die durchschnittlichen Mieten bzw. Be-
lastungen für alle Wohnungen der Empfängerinnen und Empfänger von
Tabellen- und pauschaliertem Wohngeld zugrunde zu legen.

6. Der Bericht hat ergänzend auszuweisen, wie hoch in verschiedenen Einkom-
mensgruppen der Anteil des Kindergeldes ist, der auf die Steuerfreistellung
des Existenzminimums entfällt und in welcher Höhe das Kindergeld eine
Sozialleistung darstellt.

Berlin, den 27. Juni 2001

Dr. Barbara Höll
Dr. Dietmar Bartsch
Heidemarie Ehlert
Dr. Christa Luft
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe Jens Rössel
Roland Claus und Fraktion

Begründung

Zu 1. „Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung
eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht“ (§ 2
Bundessozialhilfegesetz). Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt voraus, dass die
Leistungen der Sozialhilfe entsprechend dem wirklichen Bedarf gewährt wer-
den. Jedoch erfolgte von 1993 bis 1999 die Erhöhung der Regelsätze aufgrund
gesetzlicher Vorgaben, die keinerlei Bezug zur Entwicklung der Lebens-
haltungskosten erkennen lassen. Nur zum 1. Juli 2000 wurden die Regelsätze
gemäß der Preissteigerung erhöht. Allerdings wurde dieser Anpassung die
Preisentwicklung des Vorjahres im früheren Bundesgebiet (0,7 %) zugrunde
gelegt. Dagegen erhöhten sich hier die Preise im zweiten Halbjahr 1999 um
1,3 % und im ersten Halbjahr 2000 um 1,7 %. Da die Fortschreibung der
Regelsätze ab dem 1. Juli 2001 wieder aufgrund der Lohnentwicklung erfolgen
soll, ist auch in Zukunft mit einem weiteren Zurückbleiben der Regelsätze hin-
ter den Lebenshaltungskosten zu rechnen. So ist nach vorläufigen Angaben der
Bundesregierung (Drucksache 14/5255) zum 1. Juli 2001 mit einer Anpassung
von rund 2 % zu rechnen. Dagegen erhöhten sich die Lebenshaltungskosten in
den ersten fünf Monaten des Jahres bereits um rund 3 %.
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Da die Regelsätze hinter der Entwicklung der Lebenshaltungskosten zurück-
geblieben sind, wird durch die Sozialhilfe nicht mehr der existentielle Mindest-
bedarf und schon gar nicht ein Bedarf abgedeckt, der der „Würde des Men-
schen entspricht“. Der Bericht der Bundesregierung über das Existenz-
minimum nimmt jedoch diese Sozialhilfe-Regelsätze zum Ausgangspunkt der
Berechnungen. Somit wird auch das Existenzminimum von Erwachsenen und
Kindern nicht bedarfsgerecht ausgewiesen. Infolgedessen sind Grund- und
Kinderfreibetrag sowie Kindergeld zu niedrig festgesetzt.

Zu 2. Die Sozialhilfe anerkennt für bestimmte Personengruppen aufgrund ih-
rer besonderen Lebensumstände einen Mehrbedarf, der durch einen entspre-
chenden Zuschlag abgegolten wird. Am Jahresende 1998 erhielten 17,5 % aller
Empfängerinnen und Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außer-
halb von Einrichtungen solche Mehrbedarfszuschläge. Dies entspricht rund
505 000 Personen. Davon wurde bei 252 000 Alleinerziehenden ein Mehr-
bedarf anerkannt. 118 000 Personen erhielten einen Mehrbedarfszuschlag
wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Neben den Mehrbedarfszuschlägen
wird Kindern unter sieben Jahren bei Alleinerziehenden ein erhöhter Regelsatz
gewährt. 1999 bezogen 4,8 % von allen in der Bundesrepublik Deutschland le-
benden Kindern unter 7 Jahren bzw. 56,7 % von allen Kindern unter 7 Jahren,
die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhielten, den erhöhten Regelsatz. Im
Bericht über das Existenzminimum bleiben diese sozialhilferechtlich anerkann-
ten Bedarfe dagegen regelmäßig unberücksichtigt. Die im Bericht ermittelten
Beträge sollen jedoch den durchschnittlichen im Sozialhilferecht anerkannten
Mindestbedarf abbilden. Folglich wird das Existenzminimum zu niedrig be-
rechnet.

Zu 3. Im Rahmen der Sozialhilfe können die mit der Erzielung von eigenem
Einkommen verbundenen notwendigen Ausgaben abgesetzt werden (§ 76
Abs. 2 Nr. 4 BSHG). Dazu können auch Kosten der Kinderbetreuung zählen.
Eine solche Abzugsmöglichkeit ist im Einkommensteuerrecht nicht gegeben.
Lediglich ein in der Höhe völlig willkürlich festgesetzter Betreuungsfreibetrag,
der sich zudem bei Eltern mit niedrigem und mittleren Einkommen überhaupt
nicht auswirkt, soll entsprechende „Bedarfe“ der Kinder abdecken. Doch ohne
Kinderbetreuung ist die Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit
nicht möglich. Die Kosten für Kinderbetreuung gehören daher genauso zum
sächlichen Existenzminimum wie die Aufwendungen für Kleidung, Wohnen
und Verpflegung und sind demzufolge beim Kinderfreibetrag und nicht erst im
Rahmen des Betreuungsfreibetrags zu berücksichtigen.

Zu 4. Bei der Berechnung des Existenzminimums von Kindern wird von dem
durchschnittlichen Regelsatz in Höhe von 64,72 % des Regelsatzes eines
„Haushaltsvorstandes“ ausgegangen. Dieser Anteil wurde als gewichteter
Durchschnitt der nach Alter gestaffelten Regelsätze für Kinder bis unter 18 Jah-
ren errechnet, d. h. es wurde ein Durchschnitt von 18 Kindern gebildet, die je
einem Jahrgang von unter 1 Jahr bis unter 18 Jahren angehören. Die durch die
Sozialhilfe gewährten einmaligen Leistungen wurden pauschal mit 20 % des
durchschnittlichen Regelsatzes angenommen.

Im Einkommensteuerrecht soll mit dem Kindergeld bzw. dem Kinderfreibetrag
auch das Existenzminimum volljähriger Kinder abgedeckt werden. Nach Anga-
ben der Bundesregierung erhalten rund 2,7 Millionen Jugendliche, die älter als
18 Jahre sind, Kindergeld. Das sind 15 % der Kinder und Jugendlichen, für die
Kindergeld gezahlt wird. Da den im Haushalt lebenden volljährigen Kindern
ein höherer Regelsatz gewährt wird, ist der durchschnittliche Regelsatz der
Kinder zu niedrig berechnet. Würden z. B. Kinder bis zur Vollendung des
20. Lebensjahres in die Berechnung einbezogen werden, ergäbe sich folgender
gewichteter Durchschnitt:
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Kinder unter 7 Jahren 7 Kinder





50 % = 350 %

Kinder unter 14 Jahren 7 Kinder





65 % = 455 %

Kinder unter 18 Jahren 4 Kinder





90 % = 360 %

Kinder unter 21 Jahren 3 Kinder





80 % = 240 %

zusammen 21 Kinder 1 405 %

Durchschnitt je Kind 66,9 %

Allein aus dieser Korrektur würde sich für 2001 ein durchschnittlicher Regel-
satz von rund 371,30 DM pro Monat ergeben. Von der Bundesregierung wurde
dagegen für 2001 ein durchschnittlicher Regelsatz von 359 DM pro Monat er-
mittelt.

Werden analog auch die höheren einmaligen Leistungen der Sozialhilfe für
Kinder bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres berücksichtigt, so sind dafür
26,23 % des Durchschnittsregelsatzes der Berechnung zugrunde zu legen (vgl.
Kaltenborn/Buslei, Berechnungen des Existenzminimums für die Einkom-
mensbesteuerung 1996, in Discussion Paper No. 95-08 des Zentrums für euro-
päische Wirtschaftsforschung, S. 11 ff.). Daraus ergäbe sich in 2001 ein Betrag
von 97,40 DM pro Monat. Im Bericht der Bundesregierung wurden die ein-
maligen Leistungen lediglich mit 72 DM pro Monat berücksichtigt.

Zu 5. Die Berechnung der Unterkunftskosten im Bericht über das Existenz-
minimum geht von den Quadratmetermieten für Wohnungen mit einfacher
Ausstattung – also von Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad –
aus. Aufgrund dieser Ausstattung sind die Quadratmetermieten vergleichs-
weise geringer als von anderen Wohnungen. Berücksichtigt werden weiterhin
nur die Wohnungen der Empfängerinnen und Empfänger von Tabellenwohn-
geld, nicht aber die Wohnungen der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozial-
hilfeempfänger, für die pauschaliertes Wohngeld gezahlt wird. Letztere weisen
ebenfalls höhere Quadratmetermieten auf.

Die Bundesregierung begründet dieses Verfahren damit, dass es dem Gesetz-
geber nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht verwehrt ist,
sich bei der Bemessung des Existenzminimums hinsichtlich der Wohnkosten
„an einem unteren Wert“ zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden
Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie
etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stellt. Von den Trägern der Sozialhilfe
würden dagegen „im Einzelfall“ die Kosten der Unterkunft auch dann über-
nommen, wenn sie „unangemessen“ sind. Das Sozialhilferecht reagiere inso-
weit auf eine vorübergehende „Sondersituation“, die kein Maßstab für die
steuerliche Berücksichtigung angemessener Mietaufwendungen bei der Be-
messung des Existenzminimums sein könne.

1999 lebten nahezu alle Empfängerinnen und Empfänger von Tabellenwohn-
geld (98,5 %) in Wohnungen, die mit einer Sammelheizung ausgestattet waren.
Angesichts dieses hohen Anteils erscheinen Wohnungen mit einfacher Aus-
stattung eher als „Einzelfall“, der kaum Maßstab für die steuerliche Berück-
sichtigung „angemessener“ Mietaufwendungen sein kann.

Äußerst fragwürdig ist die These, dass die dem Tabellenwohngeld zugrunde
liegenden Mietkosten „angemessene“ Aufwendungen reflektieren und die im
Rahmen der Sozialhilfe erstatteten Mietkosten „unangemessen“ hoch sind.
10 Jahre lang wurde das sog. Tabellenwohngeld nicht mehr an die Miet- und
Einkommensentwicklung angepasst. Erst zum 1. Januar 2001 erfolgte eine all-
gemeine Leistungsanpassung. Wie weit das Tabellenwohngeld hinter der Miet-
entwicklung zurückgeblieben ist, wird deutlich, wenn der Anteil der Haushalte
betrachtet wird, dessen Unterkunftskosten beim Tabellenwohngeld nicht in vol-
ler Höhe anerkannt wurde. Im Jahr der letzten Wohngeldanpassung – 1990 –
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betrug ihr Anteil rund 40 %. Acht Jahre später wurde bei fast 76 % der Haus-
halte mit Tabellenwohngeld (früheres Bundesgebiet) die Mietkosten nicht mehr
in voller Höhe berücksichtigt. Diese Entwicklung legt die Schlussfolgerung
nahe, dass mit dem Tabellenwohngeld inzwischen nur noch „unangemessen“
niedrige Mietkosten berücksichtigt werden und im pauschalierten Wohngeld
das existentielle Mindestniveau der Mietkosten „angemessen“ bzw. „angemes-
sener“ zum Ausdruck kommt.

Weiterhin sind die höheren Quadratmetermieten für Wohnungen mit pauscha-
liertem Wohngeld vor allem auf die Lage der Wohnungen in Großstädten zu-
rückzuführen. Das Wohnen in Großstädten bildet in der Bundesrepublik
Deutschland jedoch keine Sondersituation.

Und schließlich ist der „Spielraum“ für einen unteren Wert bereits durch die
äußerst geringen Wohnungsgrößen, die im Bericht über das Existenzminimum
angenommen werden, ausgeschöpft (vgl. Kaltenborn/Buslei, Berechnungen
des Existenzminimums für die Einkommensbesteuerung 1996, in Discussion
Paper No. 95-08 des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, S. 18 ff.).
Die Bundesregierung geht bei einem Alleinstehenden von einer 30 qm großen
Wohnung aus, für ein Kind wird lediglich ein Wohnbedarf von 12 qm ange-
setzt.

Werden bei der Berechnung des Existenzminimums die Mieten bzw. Belastun-
gen aller Wohnungen von Wohngeldempfängern bzw. Wohngeldempfänger-
innen zugrunde gelegt, ergäben sich in 2001 für Kinder zu berücksichtigende
Unterkunftskosten in Höhe von jährlich 1 663 DM. Im Bericht über das Exis-
tenzminimum werden nur 1 308 DM angesetzt.

Alle anderen Angaben des Berichtes unverändert, würde sich in 2001 durch die
Korrekturen in den Punkten 2, 4 und 5 ein jährliches Existenzminimum von
7 654 DM für ein Kind ergeben. Der Bericht hatte lediglich eine Existenz-
minimum von 6 768 DM errechnet. Da der Kinderfreibetrag 6 912 DM beträgt,
reicht er nicht aus, um das Existenzminimum der Kinder von der Einkommen-
steuer zu befreien.

Zu 6. Die wiederholten Erhöhungen des Kindergeldes werden in der Öffent-
lichkeit undifferenziert als sozialpolitisch motivierte Förderung der Familien
und Kinder dargestellt. So heißt es auch in der Begründung zum „Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Familienförderung“ der Regierungskoalitionen (Druck-
sache 14/6160), dass die „Leistungen der Familien ... stärker in das öffentliche
Bewusstsein rücken und eine realistische Würdigung durch Staat, Wirtschaft
und Gesellschaft erfahren“ müssen. Die Steuerpolitik könne zwar nicht allein
die Bewältigung der Folgen des demographischen Wandels leisten, „sie kann
aber einen wichtigen Beitrag zur Familienförderung erbringen“.

Doch das Kindergeld reicht derzeit bei einem großen Teil der Familien gerade
aus, um das Existenzminimum der Kinder von der Einkommensteuer zu ver-
schonen. Insoweit handelt es sich nicht um eine Sozialleistung, um eine Förde-
rung der Familien, sondern um Einkommen, auf das dem Staat der steuerliche
Zugriff verwehrt ist. Familien erhalten hierdurch nichts vom Staat, sondern der
Staat darf ihnen weniger nehmen. Nur soweit die Entlastung aus dem Kinder-
geld die Entlastung aus dem Abzug von Kinderfreibeträgen übersteigt, kann
von einer wirklichen Förderung der Familien gesprochen werden. Um in der
Öffentlichkeit den Umfang dieser Förderung zu verdeutlichen, ist er im Bericht
über das Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern auszuweisen.

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