BT-Drucksache 14/6441

FahrRad - für ein fahrradfreundliches Deutschland

Vom 27. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6441
14. Wahlperiode 27. 06. 2001

Antrag
der Abgeordneten Heide Mattischeck, Reinhard Weis (Stendal), Hans-Günter
Bruckmann, Dr. Peter Wilhelm Danckert, Christel Deichmann, Annette Faße,
Norbert Formanski, Iris Gleicke, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim),
Kerstin Griese, Karl-Hermann Haack (Extertal), Klaus Hagemann, Anke Hartnagel,
Klaus Hasenfratz, Gustav Herzog, Reinhold Hiller (Lübeck), Barbara Imhof,
Brunhilde Irber, Gabriele Iwersen, Jann-Peter Janssen, Susanne Kastner,
Marianne Klappert, Horst Kubatschka, Konrad Kunick, Robert Leidinger, Dr.
Christine Lucyga, Dieter Maaß (Herne), Heide Mattischeck, Eckhard Ohl, Karin
Rehbock-Zureich, Birgit Roth (Speyer), Siegfried Scheffler, Wilhelm Schmidt
(Salzgitter), Dr. Angelica Schwall-Düren, Wieland Sorge, Wolfgang Spanier, Antje-
Marie Steen, Rita Streb-Hesse, Wolfgang Weiermann, Lydia Westrich, Dr. Margrit
Wetzel, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Winfried Hermann, Marieluise Beck (Bremen), Volker
Beck (Köln) Angelika Beer, Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Franziska Eichstädt-
Bohlig, Hans-Josef Fell, Rita Grießhaber, Antje Hermenau, Kristin Heyne, Ulrike
Höfken, Michaele Hustedt, Steffi Lemke, Dr. Reinhard Loske, Winfried Nachtwei,
Irmingard Schewe-Gerigk, Albert Schmidt (Hitzhofen), Werner Schulz (Leipzig),
Christian Simmert, Christian Sterzing, Hans-Christian Ströbele, Sylvia Voß, Helmut
Wilhelm (Amberg), Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

FahrRad – für ein fahrradfreundliches Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nachdem die große Bedeutung des Fahrrades für ein integriertes Verkehrs-
system lange unterschätzt wurde, deutet sich seit 1998 ein Wandel an: Durch
das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wurde ein
erster, sehr gründlicher Fahrradbericht der Bundesregierung erarbeitet, der im
März 1999 veröffentlicht wurde. Im Mai 2000 wurde dieser Bericht einschließ-
lich einer Aktualisierung als Bundestagsdrucksache 14/3445 veröffentlicht und
zur Grundlage eines Beschlusses über die Durchführung einer Anhörung im
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Am 24. Januar 2001 fand die erste Anhörung des Ausschusses für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen im Deutschen Bundestag zum Radverkehr statt. Da-
bei würdigten die Expertinnen und Experten einhellig die Qualität des Fahrrad-
berichtes der Bundesregierung, zeigten aber auch die Bedeutung und die nur
teilweise genutzten Potentiale des Fahrrades in verkehrs-, umwelt-, gesund-

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heits- und wirtschaftspolitischer Hinsicht auf. Von der Bundespolitik werden
koordinierende Maßnahmen erwartet, meist im Rahmen eines nationalen Rad-
verkehrsplans nach Vorbild des niederländischen „Masterplan Fiets“. Darüber
hinaus wiesen die Expertinnen und Experten auf folgende Aspekte hin:

Die Fahrradpotentiale sind in Deutschland bei weitem nicht ausgeschöpft

In Deutschland werden gegenwärtig ca. zwölf Prozent aller Wege mit dem
Fahrrad zurückgelegt, wobei jeder Bundesbürger bzw. jede Bürgerin im Schnitt
300 Kilometer pro Jahr fährt. Niederländer und Dänen fahren erheblich mehr
mit dem Fahrrad; in den Niederlanden liegt der Radverkehrsanteil derzeit bei
etwa 27 Prozent, in einigen Städten sogar bei über 40 Prozent.

Das Fahrrad ist in Städten auf Entfernungen bis sechs Kilometer meist das
schnellste Verkehrsmittel, gleichzeitig am leisesten und stadtverträglichsten so-
wie ein echtes „Nullemissionsfahrzeug“. In fahrradfreundlichen deutschen
Städten wie Münster oder Borken werden heute Radverkehrsanteile um 40 Pro-
zent erreicht, während die Anteile deutscher Großstädte wie Berlin und Stutt-
gart bei fünf bis zehn Prozent liegen. Aber selbst „Fahrradstädte“ wie Erlangen,
Freiburg und Troisdorf bieten verglichen mit niederländischen Städten noch
Wachstumspotentiale. Eine Erhöhung des Radverkehrsanteils in allen Städten
auf durchschnittlich 25 Prozent ist erreichbar, zumal die Hälfte aller Pkw-Fahr-
ten in den Städten kürzer als fünf Kilometer ist. Unter dieser Voraussetzung
könnte der Fahrradverkehr nach Angaben des Umweltbundesamtes zur CO2-
Einsparung im Verkehr jährlich mindestens 4 bis 10 Millionen Tonnen zusätz-
lich beitragen.

Die Erhöhung des Radverkehrsanteils im Alltagsverkehr und hier besonders im
Berufs- und Schülerverkehr entlastet jedoch nicht nur den Stadtverkehr, vor al-
lem durch den niedrigeren Flächenverbrauch (Parkplätze): Auch der Verkehr
mit Bus und Bahn erfährt gerade in den Spitzenlaststunden eine wirksame Ent-
lastung, da die Fahrzeugvorhaltung nur für Nachfragespitzen wirtschaftlich we-
nig effizient ist.

Radfahren nutzt der Gesundheit

Radfahren wirkt überaus positiv auch im gesundheitlichen Bereich: Bewe-
gungsmangel führt in Deutschland über Gefäßerkrankungen (Herzinfarkt,
Hirnschlag usw.) zu jährlichen Kosten von rund 50 Mrd. DM, die durch regel-
mäßiges Radfahren größerer Bevölkerungskreise erheblich verringert werden
können. Radfahren fördert als typische Ausdauersportart besonders die allge-
meine Fitness und führt zu positiven physiologischen wie psychologischen
Veränderungen. Besonders profitieren Lungen- und Atemwegsfunktionen,
Kreislauf und Herz. Übergewicht und mentale Probleme werden abgebaut.
Weil Radverkehr motorisierten Verkehr ersetzt, werden auch weniger Luft-
schadstoffe und Lärm erzeugt.

Radfahren ist außerdem auch gerade für Menschen über 30 attraktiv, also in ei-
nem Alter, in dem gesundheitliche Prävention immer wichtiger wird. Beson-
ders wichtig ist dafür allerdings regelmäßiges Fahren: Das Fahrrad nutzt der
Gesundheit nicht nur als Sportgerät, sondern auch als Alltagsverkehrsmittel. In
Betrieben weisen radfahrende Mitarbeiter meist einen deutlich geringeren
Krankenstand auf. Obwohl entsprechend großangelegte Untersuchungen feh-
len, ist zu vermuten, dass regelmäßiges Radfahren breiter Bevölkerungsschich-
ten zu volkswirtschaftlich großem Nutzen führt und die Krankenkassen bzw.
das Gesundheitssystem erheblich entlastet. Entsprechende Forschung ist
ebenso notwendig wie die Beachtung und Umsetzung der 1999 verabschiede-
ten WHO-Charta „Verkehr, Umwelt und Gesundheit“. Ziele sind der Charta zu-
folge „die Notwendigkeit, Kraftfahrzeuge zu benutzen, zu verringern, den Ver-

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kehr auf umweltverträgliche und gesundheitsfördernde Verkehrsformen zu
verlagern und das Bewusstsein für gesundheits- und bewegungsförderliche
Verkehrsformen zu schärfen“.

Das Fahrrad bietet auch wirtschaftlich Wachstumspotentiale

Im wirtschaftlichen Bereich bietet das Fahrrad erhebliche Arbeitsmarktpotenti-
ale, nicht nur in Fahrradproduktion, -handel und Reparaturgewerbe, sondern
auch bei Folgeprodukten von spezieller Radfahrerkleidung bis hin zu völlig
neuen Serviceangeboten. Neue Arbeitsplätze können im Servicebereich entste-
hen, z. B. bei Fahrradstationen mit Bewachung, Vermietung, Kleinreparaturen,
Zubehörhandel und Information.

Das Fahrrad ist nicht, wie häufig angenommen, ein „Low-Tech-Produkt“, son-
dern muss erheblichen Anforderungen bei möglichst geringem Gewicht ge-
recht werden: Das bedeutet, dass die technische Entwicklung des Fahrrades –
u. a. bei innovativen Federungs-, Licht- und Bremssystemen, aber auch schon
hinsichtlich des grundsätzlichen Aussehens von Fahrrädern (Liegerädern usw.) –
längst nicht abgeschlossen ist. Der gegenwärtige Gesamtumsatz des deutschen
Fahrradhandels beträgt gegenwärtig rund 8 Mrd. DM pro Jahr, und es gibt
6 800 Fachhandelsbetriebe mit rund 50 000 Beschäftigten sowie mehr als 4 000
Ausbildungsplätzen. Fahrradförderung ist angesichts dieser Zahlen immer auch
vor allem eine aktive Mittelstandsförderung.

Fahrradverkehr fördert den Tourismus in Deutschland

1999 haben 1,92 Millionen Deutsche eine Urlaubsreise per Fahrrad unternom-
men. Dies zeigt, dass der Fahrradtourismus eine wichtige Rolle für den In-
landstourismus spielt und regional zu einer tragenden Säule des Tourismus ge-
worden ist. Das gilt vor allem für bekannte Reiseziele des Fahrradtourismus
wie das Altmühl- und Donautal wie auch für das Münsterland; andere Regio-
nen wie Mecklenburg-Vorpommern haben sich dank zügig ausgebauter touris-
tischer Radweginfrastruktur binnen kurzer Zeit zu beliebten Urlaubsregionen
für Radfahrer entwickelt. Jährlich werden – mit steigender Tendenz – rund vier
Prozent aller Urlaubsreisen im In- und Ausland und 100 Millionen Tagestouren
mit dem Fahrrad unternommen: Da knapp die Hälfte der Verkehrsleistung des
motorisierten Individualverkehrs auf den Freizeit- und Urlaubsverkehr entfällt,
bietet das Fahrrad bei attraktiven Angeboten offensichtlich nicht nur im All-
tags-, sondern auch im Freizeitverkehr erhebliche Verlagerungspotentiale vom
Auto auf das Fahrrad. Nach dem Ausbau der notwendigen radtouristischen In-
frastruktur können regionale Gastronomie und Hotellerie erhebliche Zuwächse
erwarten.

Die Sicherheit von Radfahrern muss weiter verbessert werden

Jährlich sterben auf Deutschlands Straßen knapp 700 Radfahrer und Radfahre-
rinnen; mindestens 75 000 werden – bei einer wahrscheinlich hohen Dunkelzif-
fer – verletzt. 60 Prozent aller getöteten Radfahrer sind über 55 Jahre alt, offen-
sichtlich also vom immer stärker werdenden Verkehr überfordert. Während
sich die Verkehrssicherheit allgemein auch in den letzten Jahren weiter erhöht
hat, gibt es bei Radfahrern keinen entsprechenden, positiven Trend. Das Ver-
kehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung stellt fest, dass in den nächsten
Jahren das höchste Unfallrisiko bei den Radfahrern „die 15- bis 18-Jährigen so-
wie die über 55-Jährigen und ganz besonders die über 65-Jährigen aufweisen“.
Größtes Problem ist das Fehlen einer entsprechenden Radverkehrsinfrastruktur,
die Radfahrern eine umfassende Mobilität unter Vermeidung von Gefahren-
punkten und gefährlichen Streckenabschnitten ermöglicht. Besonders die Kno-

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tenpunkte des Verkehrs müssen unter dem Gesichtspunkt Sicherheit für Rad-
fahrer optimiert werden.

Die häufigsten Unfallursachen der Radfahrer bei Unfällen mit Personenscha-
den waren 1999 „falsche Straßenbenutzung“ und – mit bereits deutlichem Ab-
stand – „Abbiegen/Wenden“ und „Nichtbeachten der Vorfahrt“. Im Rahmen ei-
nes Forschungsprojektes der Bundesanstalt für Straßenwesen wurde
festgestellt, dass Radfahrer zwar häufig Verkehrsregeln missachten, dafür aber
durchaus beachtenswerte Gründe haben: „Oft sind diese Regelübertretungen
auch Ausdruck für eine nicht nutzergerechte Gestaltung der Radverkehrsanla-
gen. Im Wesentlichen kommt es zu regelabweichendem Verhalten, wenn die
gegebenen Umstände bei einem Radfahrer den Eindruck hervorrufen, die Re-
geleinhaltung würde ihn gefährden oder – hinsichtlich Kraft und Zeit – unnötig
bzw. übermäßig belasten.“

Problematisch ist das fehlende Radverkehrsnetz vor allem auch im Hinblick
auf das Radfahrerpotential: Weil viele Radfahrer von sich aus auf das Befahren
gefährlicher Straßen verzichten, sind sie in ihrer Mobilität massiv einge-
schränkt; längere Strecken werden deshalb nicht mit dem Rad zurückgelegt,
weil man damit in Gebieten unterwegs wäre, in denen man sich nicht mehr aus-
kennt. Subjektive Aspekte spielen häufig eine große Rolle beim Fahrradver-
zicht. Da aber jeder vom Auto auf das Fahrrad umgestiegene Verkehrsteilneh-
mer wegen des geringeren Risikos für andere einen positiven Beitrag zur
Verkehrssicherheit darstellt, bleibt ein erhebliches Verkehrssicherheitspotential
ungenutzt. Das gilt auch für technische Potentiale am Fahrrad selbst: Die ein-
schlägigen Vorschriften, z. B. zur Fahrradbeleuchtung, müssen künftig stärker
am Stand der Technik orientiert werden.

Zusammenfassend gesagt sollte also das Fahrrad eine größere Rolle als bisher
im Verkehr spielen; es bietet der Verkehrspolitik sehr gute Chancen für gesell-
schaftlich positive Entwicklungen unter anderem im Umweltschutz und für die
Gesundheit.

Daher fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung zur Umsetzung
folgender Aufgaben auf:

I. Dem Radfahren eine eigenständige Rolle im Rahmen einer integrierten Ver-
kehrspolitik einräumen

Radfahren muss zukünftig als eigenständige Verkehrsart stärker wahrgenom-
men und bei allen verkehrsplanerischen sowie verkehrspolitischen Entschei-
dungsprozessen berücksichtigt werden. Handlungsbedarf besteht vor allem auf
folgenden Feldern:

1. Deutschland zu einem fahrradfreundlichen Land machen

Radfahren ist ein wichtiger und außerordentlicher effizienter Beitrag zur Be-
wältigung von Verkehrsüberlastungsproblemen, vor allem in den Städten; es ist
zukunftsfähig, stadtverträglich, gesundheitsfördernd und damit nachhaltig. Da
das Fahrrad den Stadtverkehr von Autofahrten entlastet und erheblich weniger
Flächenbedarf hat, kommt es zu Vorteilen für den Wirtschaftsverkehr, der so ef-
fizienter und wirtschaftlicher erfolgen kann, ohne zusätzliche Straßeninfra-
struktur zu benötigen. Das Fahrrad muss in allen einschlägigen Gesetzen und
Verordnungen, insbesondere beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und
in der Straßenverkehrs- und Straßenverkehrszulassungsordnung, eine größere
und speziell geförderte Rolle spielen. Die Vorteile des Fahrrades müssen auch
motorisierten Verkehrsteilnehmern verdeutlicht werden – vor allem der Nutzen
durch geringeren Flächenbedarf –, um so ein stärker partnerschaftliches Verhal-
ten zwischen motorisierten und nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern zu för-
dern. Deutschland muss fahrradfreundlich werden.

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2. Fahrradförderung als politische Querschnittsaufgabe angehen

Die Förderung des Radfahrens ist zwar primär eine im Verkehrsbereich ange-
siedelte Aufgabe, erfordert aber auch Engagement im Umwelt-, Gesundheits-
und Wirtschaftssektor. Eine – noch ausstehende – volkswirtschaftliche Betrach-
tung des Radfahrens dürfte ergeben, dass den Kosten, die im Verkehrsbereich
z. B. durch den Infrastrukturbedarf für Radfahrer entstehen, erhebliche Einspa-
rungen im Umweltsektor und im Gesundheitswesen gegenüberstehen. In allen
genannten Bereichen einschließlich des Forschungssektors besteht Handlungs-
bedarf, wobei die Fahrradförderung insgesamt vom Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen koordiniert werden sollte. Entsprechende,
an Ergebnissen orientierte, Strukturen sind zu schaffen.

3. Den Fahrradverkehr stärker bei der Verkehrsplanung berücksichtigen

Das Fahrrad kann im touristischen Bereich durchaus auch als Fernverkehrsmit-
tel angesprochen werden. Deutschland braucht deshalb ein Bundesradrouten-
netz, das die vorhandenen, in der Regel regionalen und touristischen Radrouten
miteinander vernetzt.

Problematisch sind die Nachteile, die das Fahrrad als Verkehrsmittel durch den
Ausbau anderer Verkehrswege erleidet: Sehr häufig ergeben sich in der Folge
Umwegverkehre, und Reisezeitersparnissen bei Autofahrern oder bei Bahn-
fahrgästen stehen Reisezeitverlängerungen bei Radfahrern gegenüber, ohne
dass diese heute berücksichtigt würden. Die Reisezeitverluste im Nahverkehr
sollten deshalb künftig bei Fernverkehrsprojekten in die jeweiligen Projektbe-
wertungen einbezogen werden.

II. Einen „Masterplan FahrRad“ realisieren

Deutschland braucht einen Nationalen Radverkehrsplan nach dem Vorbild der
Niederlande: einen „Masterplan FahrRad“ zur Förderung des Radverkehrs. In
ihm sollen zentrale Ziele entwickelt, die Aktivitäten verschiedenster Akteure –
einschließlich Bund, Ländern und Kommunen – auf der Basis der Freiwillig-
keit koordiniert und Forschungs-, Pilot- und Modellprojekte initiiert werden.
Der „Masterplan FahrRad“ ist weniger ein Plan als ein Prozess: Insofern kön-
nen politisch nur einige Zielsetzungen, die im Folgenden ohne Anspruch auf
Vollständigkeit aufgelistet werden, formuliert werden. Die Ausarbeitung detail-
lierter Ziele und die konkrete Umsetzung der notwendigen Maßnahmen über
mehrere Jahre hinweg ist Aufgabe des Bundesministeriums für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen. Besonders wichtig sind die Koordinierung über ver-
schiedenste Politikfelder hinweg und die Einbeziehung externen Sachver-
stands, u. a. der im Radverkehr besonders tätigen Verbände (z. B. ADFC und
VCD).

Im Einzelnen sind mindestens die folgenden Eckpunkte für einen „Masterplan
FahrRad“ zu beachten:

1. Der Anteil des Radverkehrs deutlich erhöhen

Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr, der heute bei 12 Prozent liegt,
ist als zentrales Ziel des Masterplans FahrRad deutlich zu erhöhen. Maßstab für
die künftige Radverkehrsnutzung in Deutschland sind die Niederlande, wo der
Anteil derzeit bei 27 Prozent liegt.

2. Mehr Verkehrssicherheit für Radfahrer schaffen

Für Radfahrer muss es mehr Verkehrssicherheit geben. Ziel ist es, die Zahl der
getöteten und der schwer verletzten Radfahrer trotz angestrebter höherer Ver-
kehrsanteile erheblich zu verringern. Besondere Aufmerksamkeit muss der Ver-

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kehrsunfallforschung gelten, wobei auch die heute oft nicht gemeldeten Unfälle
berücksichtigt werden müssen, weil bei vielen „Alleinunfällen“ Hindernisse
auf Radwegen und Radrouten ursächlich sind. Die Karosserien von Kraftfahr-
zeugen sind so zu optimieren, dass sie eine möglichst geringe Verletzungsge-
fahr bei Unfällen mit Radfahrern (und Fußgängern) darstellen; die Bundes-
regierung muss hier auch auf europäischer Ebene mit Nachdruck für bessere
technische Vorgaben sorgen. Das Verhältnis zwischen Radfahrern und Fußgän-
gern ist zu verbessern.

3. Bundeswettbewerb „fahrradfreundlich in Stadt und Land“ durchführen

Das Fahrrad muss insbesondere auf kurzen Wegen, in den Städten und im Frei-
zeitverkehr zu einem dominierenden Verkehrsmittel werden. Der Bund soll
zweijährlich einen bundesweiten Wettbewerb „fahrradfreundlich in Stadt und
Land“ für große, mittlere und kleine Städte sowie für Landkreise und für touris-
tische Radrouten durchführen, welcher der allgemeinen Bestandsaufnahme und
der Weiterentwicklung der Potentiale dient. Die positiven Erfahrungen eines
früheren ADFC-Wettbewerbs zur Fahrradfreundlichkeit in Deutschland, die bis
heute nachwirken, sind zu nutzen.

4. Infrastruktur für Radfahrer verbessern – für attraktive Radverkehrsnetze sor-
gen

Für die attraktive und ungefährdete Nutzbarkeit des Fahrrades als Verkehrsmit-
tel bedarf es einer nutzergerechten, möglichst attraktiven Infrastruktur, die
Radfahrern volle Mobilität – definiert als Erreichbarkeit aller denkbaren Ziele
ohne größere Verkehrsgefährdung und Umwege – garantiert. Fahrradinfra-
strukturen sind effizient und erfordern keine großen Investitionen.

In den Niederlanden gibt es trotz insgesamt hervorragender Bedingungen für
Radfahrer und Radfahrerinnen nur an einem Achtel aller Straßen separate Rad-
wege und Fahrradstreifen. In Anlehnung an die dortigen Erfahrungen sind für
Deutschland folgende Grundsätze zu formulieren:

 Radverkehr muss nur dort vom übrigen Verkehr getrennt werden, wo er in
erheblichem Maße durch schnellen und starken Kraftfahrzeugverkehr ge-
fährdet wird. In Wohngebieten mit Tempo 30 und auf wenig befahrenen, für
Radfahrer aber wichtigen Landstraßen ist Mischverkehr sinnvoll. Bei
Außerortsstraßen, vor allem Kreis- und Landesstraßen (Staatsstraßen), sind
separate Radwege längs dieser Straßen oder, besser noch, gut ausgeschil-
derte Alternativrouten für Radfahrer zu empfehlen. Besondere Aufmerk-
samkeit muss den Knotenpunkten des Verkehrs gelten: An Kreuzungen sind
Radfahrer möglichst sicher, aber auch ohne große Zeitverluste zu leiten; in-
novative Lösungen sind zu fördern.

 Ein erster Schritt für ein nutzergerechtes Radverkehrsnetz ist eine kurzfristig
zu realisierende Bestandsaufnahme. Für größere Städte sind Radfahrer-
Stadtpläne und die Entwicklung von Velorouten als Vorrangrouten für den
Radverkehr sinnvoll.

 Mittelfristig sollen der Bund, die Länder und alle Kommunen Radverkehrs-
Bedarfspläne aufstellen, die sich an den jeweiligen Verkehrsarten – örtliche,
regionale, überregionale und touristische Verkehre – orientieren.

 Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) muss zu einem effizi-
enten und einfach handhabbaren Förderinstrument auch für Radverkehrs-In-
frastruktur ausgebaut werden; Bagatellgrenzen dürfen nicht die Förderung
des Radverkehrs unterbinden. Grundlage jeglicher Förderung müssen aktu-
elle Radverkehrs-Bedarfspläne sein. Einzubeziehen ist die Förderbarkeit
von Radverkehrsanlagen wie Fahrradstationen, Fahrradabstellplätzen (mit

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/6441

Diebstahlschutz) und der Rückbau von zuvor dem Autoverkehr dienenden
Flächen zu Gunsten des Radverkehrs. Gegebenenfalls sollte die Radver-
kehrsförderung über ein Sonderprogramm im Rahmen des GVFG forciert
werden. Dabei sollte besonderer Wert auf Pilotprojekte gelegt werden, mit
denen Forschungsergebnisse in die Praxis erprobt werden.

 Wichtiger als Ausbauprogramme mit vielen Radwegekilometern, z. B. an
Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, ist die Schaffung attraktiver Radver-
kehrsnetze. Lückenschlüsse von wenigen hundert Metern Länge sowie die
Schaffung von Überquerungsmöglichkeiten an Autobahnen, Bahntrassen,
Wasserstraßen usw. können im Rahmen von Netzen oft sehr viel effizienter
als hauptstraßenbegleitende neue Radwege sein, die an den Bedürfnissen
der Radfahrer vorbei gebaut werden. Die Förderinstrumente müssen Rad-
verkehrsnetze statt linearer Infrastrukturen begünstigen.

 Radrouten des Freizeit-, aber auch des Alltagsverkehrs („Velorouten“, vor
allem in großen Städten) sind künftig möglichst benutzerfreundlich auszu-
schildern; ohne Ausschilderung ist eine fahrradfreundliche Infrastruktur
nicht vorstellbar. Wichtiger als absolute Einheitlichkeit – in Deutschland
kann es durchaus regionale Unterschiede geben – ist die Praxistauglichkeit
der Beschilderung mit frühzeitiger und ausreichender Erkennbarkeit (Vor-
wegweisung, große Schilder). Beschilderungsstandards für neue Auswei-
sungen sollten in der nächsten Novellierung der Straßenverkehrsordnung
(StVO) entsprechend den bereits vorhandenen Vorgaben der Forschungsge-
sellschaft für Straßen- und Verkehrswesen vorgegeben werden.

 Der Bund sorgt für ein nationales Radroutennetz, das bis 2010 mindestens
12 Radrouten mit ca. 8 000 Kilometern Streckenlänge umfassen soll. Ent-
sprechende Vorarbeiten des ADFC für ein „Radfernwegenetz Deutschland“
existieren bereits; enthalten sind solche Routen wie die Nord- und Ostsee-
küstenroute, Münsterland – Höxter – Berlin, Flensburg – Hamburg – Bre-
men – Ruhrgebiet, Saar – Mosel – Main, Ostsee – Oberbayern und Emme-
rich – Basel längs des Rheins. Diese Radrouten des bereits vorliegenden
„12-D-Netzes“ müssen die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, von den Ländern und vom ADFC gemeinsam erarbeiteten
Kriterien für Radfernwege erfüllen und sollen bestehende regionale bzw.
touristische Radrouten verknüpfen. Diese Bundesradrouten erfordern in Ab-
stimmung mit dem jeweiligen Bundesland und den betroffenen Kommunen
vom Bund geförderte Baumaßnahmen nur bei Lückenschlüssen. Größere In-
vestitionen sind also nicht erforderlich, stattdessen aber einige Koordinie-
rungsarbeit. Bundesradrouten sind vom Bund nutzergerecht auszuschildern
und sollten dabei Vorbildcharakter haben.

 Zu prüfen ist die Einführung einer Stellplatzpflicht für Räder bei gleichzeiti-
ger Abschaffung entsprechender Regelungen für PKW. Empfehlenswert
sind entsprechende Regelungen in den Bauordnungen der Länder.

5. Forschungs-, Pilot- und Modellprojekte initiieren

Im Rahmen des Masterplans FahrRad sind über bestehende Forschungspro-
jekte der Bundesregierung hinaus weitere Forschungsprojekte, aber auch Pilot-
und Modellprojekte, zu initiieren. Ziel ist dabei unter anderem die Förderung
der Verbesserung der Infrastruktur einschließlich des Nachweises der Effizienz
für Kommunen. Besonders zu fördern ist betriebliches Mobilitätsmanagement
zu Gunsten der Benutzung des Fahrrades wegen der zu erwartenden positiven
Auswirkungen auf den Krankenstand in den jeweiligen Betrieben. Der Zusam-
menhang zwischen verstärkter Fahrradnutzung und Gesundheit, einschließlich
Abschätzungen des volkswirtschaftlichen Nutzens, sind zu untersuchen, Unfall-
ursachen und Abhilfemöglichkeiten weiter zu analysieren. Verstärkte Auf-

Drucksache 14/6441 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

merksamkeit erfordern auch Beschäftigungseffekte und weitere wirtschaftliche
Aspekte eines Zuwachses im Fahrradverkehr.

6. Aufbruchsklima zu Gunsten des Fahrradverkehrs erzeugen

Informations- und Imagekampagnen für das Fahrrad sind notwendig und be-
sonders dann sinnvoll, wenn es bereits vorzeigbare Erfolge (Bundesradrouten)
sowie Ergebnisse der bundesweiten Wettbewerbe zur Fahrradfreundlichkeit
gibt. Positive Ansätze gibt es bisher weitgehend nur im touristischen Bereich,
beispielsweise mit der gemeinsamen Vermarktungsinitiative „Deutschland per
Rad entdecken“ von ADFC und Deutscher Zentrale für Tourismus und mit der
aktuell anstehenden touristischen Vermarktung des Oder-Neiße-Radweges.
Ziel ist es, gesamtgesellschaftlich ein Aufbruchsklima zu Gunsten des Fahrrad-
verkehrs zu erzeugen, um so die bestehenden Entwicklungsrückstände be-
schleunigt aufzuholen.

7. Für ein fahrradfreundliches Klima im Verkehr sorgen

Neben einer attraktiven Fahrradinfrastruktur braucht Deutschland auch ein
fahrradfreundliches Klima im Verkehrsgeschehen. An den Aussagen des im Fe-
bruar 2001 vorgelegten Verkehrssicherheitsprogramms ist mit einer Vertiefung
der Programminhalte beim Fahrradverkehr anzuknüpfen. Gerade beim Fahr-
radverkehr wird deutlich, dass individuelles Fehlverhalten oft in Systemfehlern
der Verkehrsinfrastruktur seinen Ursprung hat: Positive Erfahrungen mit der
Verkehrssicherheitsphilosophie von Nachbarländern (Niederlande, Dänemark)
sollten integriert werden.

8. Vernetzung von Fahrrad und öffentlichem Verkehr fördern

Die Vernetzung von Bus und Bahn im Nahverkehr mit dem Fahrrad ist auszu-
bauen, Synergien und Schnittstellen (z. B. Fahrrad- und Mobilitätsstationen)
sind zu nutzen und über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zu
fördern. Allgemein sollten Fördermaßnahmen von Bahnhöfen und Haltepunk-
ten sowie von Zügen daran gekoppelt werden, dass gleichzeitig ausreichende
und dem Stand der Technik entsprechende Fahrradstellplätze geschaffen und
die Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern verbessert wird. In Nahverkehrsplä-
nen sollte künftig das Fahrrad stärker berücksichtigt werden. Fahrradstationen
mit den entsprechenden Serviceangeboten sollte es entsprechend dem Vorbild
Nordrhein-Westfalen in allen Ober- und Mittelzentren geben.

Die Mitnahmemöglichkeiten des Fahrrades auch im Fernverkehr auf der
Schiene müssen erhalten und ausgeweitet werden; sie sind unabdingbare Vor-
aussetzung für den Fahrradtourismus. Zwölf Prozent aller Radtouristen nutzen
die Bahn zur Anreise in den Urlaub. Die Zahl der InterRegios, die oft direkt in
die beliebtesten Urlaubsregionen fahren, wird derzeit von 440 auf 390 reduziert
und soll künftig weiter sinken, so dass insgesamt über 3500 Fahrradstellplätze
im Fernverkehr gefährdet sind, die in anderen Zügen des Fernverkehrs zusätz-
lich angeboten werden sollten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Zahl der
im Fernverkehr der Bahn beförderten Fahrräder weiter zurückgeht (1999:
520 000, 2000: 490 000) und der Fahrradtourismus mit der Bahn erhebliche
Einbußen verzeichnet; zahlreiche attraktive Fahrradreiseziele, wie z. B. die
Mecklenburgische Seenplatte, wären gegebenenfalls nicht mehr bzw. nur mit
zum Teil mehrfachem Umsteigen erreichbar.

Die Beförderungspflicht von Personen und Reisegepäck, die im Allgemeinen
Eisenbahngesetz (§ 10) und in der Eisenbahn-Verkehrsordnung (§ 16) geregelt
ist, ist auf Fahrräder auszudehnen, so dass für die Fahrradmitnahme attraktive
Verbindungen im Nah- und Fernverkehr bestehen. Auf Seiten der Schienenun-
ternehmen bedarf es kreativer Lösungen und für die Kommunikation mit den

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/6441

Tourismusregionen langfristigverlässlicher Konzepte, die sich durchaus auch
unter unternehmerischen Gesichtspunkten rechnen können (u. a. sehr gute Mit-
nahmemöglichkeiten in Nachtzügen, Mehrzweckabteile für Fahrrad- und Ski-
transporte, die sich jahreszeitlich ergänzen, aber auch z. B. für Kinderwagen
taugen). Bahn- und Busunternehmen sind beim Masterplan FahrRad einzubin-
den. Die Länder sind aufgerufen, das Dienstleistungsangebot im Bereich der
Bahnhöfe gerade für Radfahrer zu verbessern.

9. Die Zahl der Fahrraddiebstähle verringern

Im Zusammenwirken mit dem Fahrradhandel, den Kommunen, der Polizei und
der Versicherungswirtschaft ist ein Programm zur Verringerung der Zahl von
Fahrraddiebstählen zu erarbeiten und umzusetzen. Anzustreben ist eine bun-
desweite Codierung aller Fahrräder. Weil die Gefahr des Fahrraddiebstahls im
Alltagsgebrauch sehr hoch ist, werden häufig nicht verkehrstaugliche, unfall-
trächtige Fahrräder benutzt. Die Verringerung der Zahl der Fahrraddiebstähle
dient also auch der Verkehrssicherheit.

10. StVO und StVZO zu Gunsten des Fahrradverkehrs überarbeiten

Die gesetzlichen Bedingungen für einen sicheren und attraktiven Fahrradver-
kehr erfordern auch Verbesserungen von Straßenverkehrsordnung (StVO) und
Straßenverkehrs-Zulassungsverordnung (StVZO). Grundsätzlich positiv hat
sich die Radverkehrsnovelle vom September 1997 ausgewirkt, wobei sich al-
lerdings gewisse Verwaltungsvorschriften als zu restriktiv erwiesen haben und
deshalb flexibler gestaltet werden sollten. Entsprechende Vorschläge der For-
schungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen liegen vor. Vor allem
bei „Knotenpunktslösungen“ (Radschleusen usw.), aber auch insgesamt benöti-
gen Kommunen, örtliche Verkehrsplaner und Straßenverkehrsbehörden mehr
Freiräume. Mögliche abschnittsbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen sind
zu prüfen.

Grundsätzlich muss die StVO radverkehrsfreundlicher gestaltet werden. Rad-
fahrstreifen sollten innerorts der Regelfall, Radwege, vor allem kombinierte
Geh- und Radwege, zur Ausnahme werden und möglichst nicht mehr neu ange-
legt werden. Radverkehrsanlagen sollten vollständig sein (Anfang, Ende, Ein-
und Abbiegemöglichkeiten). Die Aufhebung der innerörtlichen Radwegbenut-
zungspflicht ist unter Sicherheitsaspekten zu prüfen, zumal sie nicht berück-
sichtigt, dass Radfahrer eine sehr heterogene Gruppe mit sehr unterschiedli-
chen Ansprüchen darstellen. Alle Radwege sind unabhängig von der
Benutzungspflicht deutlich zu kennzeichnen und instandzuhalten. Besonders
problematisch ist, dass Radfahrer von anderen Kraftfahrzeugen regelmäßig viel
zu eng überholt werden; ein bis zwei Meter sind erforderlich. Zur Vermeidung
von Gefährdungen sind spezielle Regelungen in der StVO, aber auch deren
Überwachung und die Sanktionierung von Verstößen notwendig.

Selbst neu gekaufte Fahrräder weisen heute oft erhebliche und vom Laien nicht
sofort erkennbare Sicherheitsmängel auf; besonders die Beleuchtung und
Bremsen sind sicherheitsrelevant, aber auch anfällig für Störungen. Möglich-
keiten der StVZO, für mehr Sicherheit zu sorgen, sind zu schaffen, andererseits
aber innovative Lösungen nicht zu behindern.

11. Den Fahrradverkehr über die Raumordnung fördern

Raumordnung und Städtebau sollen künftig kurze Wege und Vorrangverbin-
dungen für Radfahrerinnen und Radfahrer anstreben, die möglichst nicht länger
als acht Kilometer sind. Kurze und sichere Wege erhöhen die Attraktivität des
Radfahrens besonders wirksam; wo – vor allem in Großstädten – auch längere

Drucksache 14/6441 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wege zurückgelegt werden, sind Vorrangverbindungen für Radfahrerinnen und
Radfahrer einzurichten.

12. Finanzierung des Masterplans FahrRad sicherstellen

Die notwendigen finanziellen Mittel zur Förderung des Fahrradverkehrs sind
im Rahmen der vorgegebenen Haushaltsspielräume durchaus darstellbar. Im
Einzelnen bedarf es folgender Maßnahmen:

a) Im Rahmen des Masterplans FahrRad sind zunächst die vorhandenen Förde-
rungswege zu erfassen, für die Praxis aufzubereiten und vorhandene Mängel
aufzuzeigen. Der Finanzbedarf auf Seiten von Bund, Ländern und Kommu-
nen für die Umsetzung des Masterplans ist zu ermitteln.

b) Zurzeit stehen 1,2 Prozent des Straßenbauetats des Bundes für den Radwe-
gebau an Bundesstraßen zur Verfügung. Dieser prozentuale Anteil sollte in
den kommenden Jahren schrittweise verdoppelt werden. Diese Mittel kön-
nen für Bundesradrouten sowie für den geplanten, zweijährlichen Bundes-
wettbewerb „fahrradfreundlich in Stadt und Land“ aufgewendet werden.
Wenn kommunale Bedarfspläne (der Kreise und kreisfreien Städte) vorlie-
gen, sollen künftig aus diesen Mitteln auch solche Infrastrukturen gefördert
werden, die nicht in unmittelbarem baulichem Zusammenhang mit Bundes-
straßen stehen („Mittelübertragung per Dispens“), gleichzeitig aber bessere
alternative Routenführungen darstellen, die in der Regel parallel zu Bundes-
straßen verlaufen (über kommunale Straßen, z. B. als Velorouten, und über
Wirtschaftswege; nicht nur Bau-, sondern auch Pflegeaufwand).

c) Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) ist für den Ausbau von
Radverkehrsinfrastrukturen zu öffnen, die heute blockierende Verknüpfung
mit einem gleichzeitigen Straßenbau abzuschaffen. Damit werden in erheb-
lichem Umfang kommunale Initiativen für den Ausbau kommunaler Rad-
verkehrsnetze gefördert. Die Vergabe der Mittel ist allerdings an das Vorlie-
gen aktueller Radverkehrs-Bedarfspläne zu binden, um den gezielten
Ausbau von Radverkehrsnetzen zu fördern.

d) Die Möglichkeiten eines GVFG-Sonderprogramms im Rahmen des Master-
plans FahrRad sind in Abstimmung mit Ländern und Kommunen zu prüfen.
Ziel ist ein Entwicklungsschub zu Gunsten des Fahrradverkehrs in Deutsch-
land.

e) Weitere Mittel zur Förderung des Radfahrens sind außer im Verkehrsbereich
auch im Umwelt-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Forschungsetat (u. a.) für
entsprechende, oben bereits genannte Projekte umzuschichten. Hier geht es
nicht um Infrastrukturbau, sondern vor allem um Forschungs-, Modell- und
Pilotprojekte sowie um eine Image- und Verkehrssicherheitskampagne.

Berlin, den 27. Juni 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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