BT-Drucksache 14/63

Änderung der Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV

Vom 19. November 1998


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/63 vom 19.11.1998

Antrag der Fraktion der PDS Änderung der Nutzungsentgeltverordnung -
NutzEV - =

19.11.1998 - 63

14/63

Antrag
der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, Sabine Jünger,
Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
Änderung der Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV -

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
unverzüglich eine Änderung der Verordnung über eine angemessene
Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV)
vom 22. Juli 1993 (BGBl. I S. 1339) in der Fassung der Verordnung zur
Änderung der Nutzungsentgeltverordnung vom 24. Juli 1997 (BGBl. I S.
1920) zu erarbeiten und dem Bundesrat zur Beratung vorzulegen. Die
Änderung soll eine sozialverträgliche Gestaltung der Nutzungsentgelte
beinhalten.
1. Die schrittweise Erhöhung der Entgelte nach § 3 NutzEV wird so
begrenzt, daß sie die Verzinsung des Bodenwertes in Höhe von 1 %
jährlich nicht übersteigt. Zugleich wird eine obere Grenze von 1,60 DM
jährlich pro Quadratmeter Bodenfläche festgelegt.
2. Es werden rechtliche Möglichkeiten geschaffen, um überhöhte
Entgelte auf den Stand zu mindern, der der Regelung in Nummer 1
entspricht.
3. Es wird klargestellt, daß sich die von den Nutzerinnen und Nutzern
vorgenommenen verkehrswerterhöhenden Maßnahmen nicht auf die Erhöhung
des Nutzungsentgeltes auswirken dürfen.
4. Es wird klargestellt, daß die
Grundstückseigentümerinnen/Grundstückseigentümer bisher nicht
wahrgenommene Möglichkeiten zur Entgelterhöhung nur in Schritten unter
Einhaltung einer einjährigen Wartefrist (und nicht in einem Schritt)
nachholen dürfen.
Bonn, den 17. November 1998
Dr. Evelyn Kenzler
Roland Claus
Sabine Jünger
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Nutzerinnen und Nutzer von Erholungsgrundstücken in Ostdeutschland sind
durch drastische Erhöhungen der Nutzungsentgelte auf der Grundlage und
in exzessiver Anwendung der Nutzungsentgeltverordnung in existentielle
Nöte geraten. Der Vertreter des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer
hat in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 25. Mai 1996
berichtet, daß von den 2,6 Millionen Familien, die 1990 ein
Wochenendgrundstück besaßen, 700 000 aus finanziellen Gründen das
Nutzungsverhältnis aufgeben mußten. Über vielen Nutzerinnen und Nutzern
schwebt weiterhin das Damoklesschwert der Vertreibung von ihren
Grundstücken. Der Verband der Kleingärtner, Siedler und
Grundstücksnutzer spricht von einer "völlig unangemessenen und
willkürlichen Abzockerei für Millionen Nutzer in einem bisher nie
gekannten Ausmaß". Die Verordnung zur Änderung der
Nutzungsentgeltverordnung vom 24. Juli 1997 hat zwar einige
Erleichterungen, aber keine wirkliche Lösung des Problems gebracht. Die
von der Verordnung angestrebte "angemessene Gestaltung von
Nutzungsentgelten" ist nach wie vor nicht erreicht. Das Problem stellt
sich um so gravierender, als die Nutzerinnen und Nutzer meist ältere
und einkommensschwache Menschen sind, die sich in ihrem
Erholungsgrundstück mühsam einen Lebensmittelpunkt geschaffen haben.
Sie können und wollen nicht warten, bis die Bundesregierung
entsprechend der Entschließung des 13. Deutschen Bundestages vom 18.
Juni 1998 "bis zum 3. Juni 1999 einen Bericht über die Wirkungen der
Nutzungsentgeltverordnung sowie zu notwendigen Änderungen" vorlegt.
Unverzügliches Handeln des Gesetzgebers ist notwendig.
Zu Nummer 1
Ziel ist die Begrenzung der Entgelterhöhungen auf ein
sozialverträgliches Maß. Dies ist auch durch die Neufassung von § 3
NutzEV nicht gewährleistet. Das Kriterium der Ortsüblichkeit der
Entgelte bleibt unklar und vage. Es entbehrt einer objektiven
Grundlage. Die Anwendung dieses Kriteriums durch die Verpächter und
seine Ausfüllung durch Gutachterausschüsse hat dazu geführt, daß
teilweise Nutzungsentgelte verlangt werden, die weit über den in
Westdeutschland üblichen Werten liegen. Sie betragen in Brandenburg und
Berlin jetzt schon 1,20 bis 8,00 DM. Es sind Nutzungsentgelte von 1,80
DM und mehr üblich. Dies zwingt immer mehr Nutzerinnen und Nutzer zur
Aufgabe ihres Nutzungsrechts. Dabei geraten viele Nutzerinnen und
Nutzer in das Dilemma, einerseits die unangemessenen hohen Entgelte
nicht mehr zahlen zu können, andererseits die finanziellen Folgen einer
Kündigung zu fürchten, weil sie die hälftigen Abbruchkosten tragen
müssen.
Es wird vorgeschlagen, Entgelterhöhungen an die Bodenwertverzinsung zu
binden und eine Erhöhung nur soweit zuzulassen, als damit eine
Verzinsung des Bodenrichtwertes von 1 % jährlich nicht überschritten
wird. Ferner wird vorgeschlagen, eine obere Grenze des Entgelts von
1,60 DM pro Quadratmeter festzusetzen. Diese Veränderungen würden eine
objektiv meßbare Grundlage für Entgelterhöhungen schaffen und eine
weitere Verschärfung der oft schon jetzt verzweifelten Lage vieler
Nutzerinnen und Nutzer vermeiden.
Für die Verpächter sind die Veränderungen zumutbar. Die zu
entrichtenden Nutzungsentgelte reichen aus, daß die
Grundstückseigentümer die öffentlichen Lasten tragen und darüber hinaus
noch Einnahmen erzielen können. Vorrang muß der Schutz wohlerworbener
Ansprüche und legitimer Interessen der Nutzerinnen und Nutzer haben.
Das war auch das ursprüngliche Anliegen der Nutzungsentgeltverordnung
und des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.
Zu Nummer 2
Ein Stopp weiterer Erhöhungen der Nutzungsentgelte reicht nicht aus,
weil bereits die erreichte Höhe der Entgelte die Nutzerinnen und Nutzer
in vielen Fällen über kurz oder lang zur Aufgabe des Grundstücks
zwingen wird. Deshalb soll die rechtliche Möglichkeit einer Minderung
der Entgelte geschaffen werden. Der Vorschlag geht davon aus, daß es
ungerecht wäre, überhöhte Entgelte, die den sich aus einer Neuregelung
ergebenden Betrag übersteigen, zu belassen. Möglichen
verfassungsrechtlichen Bedenken ist entgegenzuhalten, daß Artikel 14 GG
nicht nur schlechthin eine Eigentumgsgarantie enthält, sondern auch die
Sozialpflichtigkeit und gesetzlich festzulegende Schranken des
Eigentums vorsieht. Der Sachverhalt ist durchaus mit einer
Mietpreisüberhöhung vergleichbar, die zu einer Teilnichtigkeit des
Mietvertrags führen kann. Die Möglichkeit rückwirkender Herabsetzung
der Entgelte sollte ausgeschlossen sein. Es ist Aufgabe des
Gesetzgebers, die Möglichkeit einer Minderung überhöhter Entgelte näher
auszugestalten.
Zu Nummer 3
In der Regel der Fälle haben die Nutzerinnen und Nutzer durch eigene
Aufwendungen zur Erhöhung des Wertes des Grundstücks beigetragen.
Vielfach haben sie Ödland und selbst Müllplätze urbar gemacht und für
Erholungszwecke erschlossen. Es wäre unbillig, sie dadurch zu
bestrafen, daß sich ihre eigenen Aufwendungen in einem höheren
Nutzungsentgelt niederschlagen.
Zu Nummer 4
In einigen Fällen haben es Verpächter von Erholungsgrundstücken
versäumt, die Möglichkeiten zur Entgelterhöhung zeitgerecht geltend zu
machen. Nicht selten konfrontieren sie dann die Nutzerinnen und Nutzer
mit einem summierten Erhöhungsverlangen. Ein solches Verfahren hat mit
Sozialverträglichkeit nichts mehr gemein. Es widerspricht der Absicht
des Gesetzgebers, die Nutzungsentgelte "angemessen" und in "Schritten"
zu gestalten. Es steht dem zivilrechtlichen Grundsatz entgegen, wonach
es demjenigen, der einen Anspruch hat, selbst obliegt, ihn zur rechten
Zeit am rechten Ort geltend zu machen.

19.11.1998 nnnn

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