BT-Drucksache 14/6168

Initiativen für eine internationale Währungs- und Finanzarchitektur

Vom 29. Mai 2001


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

29. 05. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Leo Dautzenberg, Norbert Barthle,
Dr. Karl-Heinz Hornhues, Dr. Norbert Blüm, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach),
Siegfried Helias, Joachim Hörster, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski,
Marlies Pretzlaff, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck,
Heinz Seiffert, Peter Weiß (Emmendingen), Klaus-Peter Willsch, Elke Wülfing
und der Fraktion der CDU/CSU

Initiativen für eine internationale Währungs- und Finanzarchitektur

Indonesien ist eines der drastischsten Beispiele der letzten Jahre dafür, welche
extreme Berg- und Talfahrt insbesondere einem Entwicklungsland in einer sich
immer weiter globalisierenden Weltwirtschaft widerfahren kann. Dieser Staat
galt bis zur fernöstlichen Finanzkrise als wirtschaftlich erfolgreiches Schwel-
lenland, dem hervorragende Zukunftsaussichten attestiert wurden. Und doch
verwandelten die durch das Umschwenken internationaler Finanzströme ausge-
lösten Turbulenzen es über Nacht in ein von immensen wirtschaftlichen, politi-
schen und sozialen Problemen gekennzeichnetes Entwicklungsland mit einem
rapide anwachsenden Armutsproblem. Viele Experten machen zwar vor allem
in Entwicklungsländern und Transitionsstaaten die dort herrschenden mangel-
haften internen Rahmenbedingungen z. B. in Form von Korruption, Vettern-
wirtschaft und einem mangelhaften Banken- und Finanzsystem für die Krisen-
anfälligkeit verantwortlich. In der Weltöffentlichkeit setzt sich aber mehr und
mehr Unverständnis darüber durch, warum die Industriestaaten als Lenker der
Weltwirtschaft sich nicht intensiver für die baldige Etablierung eines internatio-
nalen Finanzordnungsrahmens zur Vermeidung zukünftiger Krisen einsetzen.
Denn die USA, die EU und Japan haben eine dominierende Stellung im Welt-
währungssystem, weshalb auch künftig alle wichtigen währungspolitischen
Entscheidungen im Rahmen der G7 getroffen werden. Zudem lehrt uns die
Realität, dass sich die Auslöser für Finanzkrisen nicht nur in Schwellenländern
finden lassen, sondern nicht zuletzt auch in den globalen Finanzzentren der
Industrieländer, die im Rahmen der Globalisierung immer enger zusammen-
rücken und in Sekundenschnelle Gelder in riesigen Größenordnung bewegen.
Auch den Menschen in währungs- und finanzpolitisch bislang stabilen Indust-
rieländern wie Japan oder Deutschland wird allmählich bewusst, dass sie ihre
Volkswirtschaften nicht mehr lückenlos vor den Turbulenzen auf den inter-
nationalen Finanzmärkten abschotten können. Nicht nur die CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion im Rahmen ihres jüngst vorgestellten Konzepts einer Inter-
nationalen Sozialen Marktwirtschaft, sondern auch diverse Fachleute aus
Wissenschaft und Politik mahnen immer öfter an, Systeme wie etwa Verhal-
tenskodizes oder Frühwarnsysteme zu installieren, die eine exzessive Volatibi-
lität von Kapitalströmen und dadurch verursachte Finanzkrisen und Gefährdun-
gen ganzer Volkswirtschaften verhindern können.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nimmt zur Kenntnis, dass nunmehr auch
die Bundesregierung sich laut ihrem Aktionsprogramm 2015 zur weltweiten
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Armutsbekämpfung neben der Unterstützung des Aufbaus leistungsfähiger
Finanzsysteme in den Entwicklungsländern auch für Maßnahmen zur Stärkung
der internationalen Finanzarchitektur mit dem Ziel einer Verbesserung der Sta-
bilität und Funktion der Finanzmärkte einsetzen will. In ihrem Aktions-
programm nennt sie als konkrete Aktionen hierfür allerdings lediglich eine
„Beachtung“ der vom Financial Stability Forum (FSF) vorgeschlagenen Re-
formmaßnahmen und eine „stärkere Beteiligung der Entwicklungsländer“.
Weitere Initiativen insbesondere auf G7-Ebene werden nicht erwähnt.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt des Weiteren die Unterstützung der
Bundesregierung für die verstärkte Zusammenarbeit von Internationalem Wäh-
rungsfonds (IWF) und Weltbank. Sie vermisst allerdings eine klare Stellung-
nahme der Bundesregierung dazu, nach welchem Modell diese beiden Institu-
tionen künftig kooperieren bzw. ihre Arbeit aufteilen sollen. Widersprüchliche
Stellungnahmen von Bundesregierung und Bundesbank vom letzten Jahr zu
den Empfehlungen der vom US-amerikanischen Kongress eingesetzten Son-
derkommission unter Wirtschaftsprofessor Allan Meltzer stifteten hierbei eher
Verwirrung. Die Kommission hatte u. a. den Rückzug des IWF aus der langfris-
tigen Entwicklungs- und Strukturanpassungsfinanzierung und eine striktere
Konzentration auf die Absicherung globaler makroökonomischer Stabilität
durch Beratung und Bereitstellung kurzfristiger Liquiditätshilfen für in Finanz-
krisen geratene Mitgliedstaaten gefordert. Im Gegensatz hierzu hat sich die
Bundesregierung zwar für eine Beibehaltung der längerfristigen IWF-Kredit-
fazilitäten auch zur Armutsbekämpfung ausgesprochen, aber keine Aussage
dazu getroffen, wie dann eine vernünftige zukünftige Arbeitsteilung zwischen
IWF und Weltbank im Bereich von Armutsbekämpfung und Strukturanpas-
sungsmaßnahmen aussehen solle.

Ein weiterer Punkt, in dem die Bundesregierung grundsätzlich die korrekte
Richtung eingeschlagen, aber noch konkrete Ideen zur Umsetzung schuldig ge-
blieben ist, betrifft die Forderung nach einer künftigen stärkeren Einbindung
privater Anleger in Maßnahmen und Kosten zur Prävention und Bewältigung
von Finanzkrisen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der internationalen Finanz-
architektur und wie sollen die von ihr im oben genannten Aktionsprogramm
2015 angekündigten Maßnahmen zu deren Stärkung konkret aussehen?

2. Welche Reformmaßnahmen schlägt das 1999 gegründete Financial Stability
Forum in diesem Zusammenhang vor, wie werden diese von der Bundes-
regierung bewertet und wie wird sie sich gegebenenfalls für deren Realisie-
rung einsetzen?

3. In welcher Weise sollte der IWF nach Vorstellung der Bundesregierung
reformiert werden und inwieweit harmonieren die Reformvorstellungen des
IWF-Chefs Horst Köhler hiermit?

Welche konkreten Schritte hat dieser bislang zur von ihm selbst befürworte-
ten Refokussierung des IWF auf Fragen der makroökonomischen Stabilität,
Fiskal- und Währungspolitik und Kapitalmarktfragen sowie der Krisenprä-
vention unternommen und wie bewertet die Bundesregierung diese?

4. Welches konkrete Arbeitsteilungsmodell sollte der von der Bundesregierung
zurecht geforderten engeren Kooperation zwischen IWF und Weltbank zu-
grunde gelegt werden?

Welche konkreten Argumente sprechen nach Ansicht der Bundesregierung
gegen einen Ausstieg des IWF aus der Vergabe längerfristiger Kredite zur
Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern bzw. gegen eine Konzentration
dieses Aufgabenbereichs bei der Weltbank?
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5. Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den gegen den IWF ge-
richteten Vorwürfen, dieser überziehe einerseits insbesondere Entwick-
lungsländern gegenüber die Strenge bei der Konditionalität hinsichtlich
seiner Kreditvergabe, während er anderen Schuldnerstaaten wie vor allem
Russland gegenüber bei Formulierung und Überwachung der Konditionen
eher Nachsicht walten lasse?

Welches Konditionalitätenmodell sieht die Bundesregierung als notwendig
an, um sowohl die Ressourcen des Fonds zu schützen als auch die notwen-
digen Anpassungsprozesse in den Schuldnerstaaten zu fördern?

6. Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung zu ergreifen bzw. auf
internationaler Ebene zu unterstützen, um ihr berechtigtes Ziel einer zu-
künftigen stärkeren Einbindung privater Anleger bei Maßnahmen zur Prä-
vention und Bewältigung von Finanzkrisen zu erreichen?

Welche Schritte sind in dieser Richtung bereits auf nationaler bzw. inter-
nationaler Ebene ergriffen worden?

7. Mit welchen Maßnahmen und in welchem finanziellen Umfang unterstützt
die Bundesregierung den Aufbau leistungsfähiger Finanzsysteme in den
Entwicklungsländern?

Welche Rolle spielen hierbei die Schwellenländer?

Inwieweit koordiniert die Bundesregierung ihre diesbezüglichen Maßnah-
men mit anderen bi- und multilateralen Gebern, dargestellt am Beispiel
konkreter Entwicklungsländer einschließlich Indonesiens?

8. Mit welchen Maßnahmen und in welchem finanziellen Umfang unterstüt-
zen Deutschland und andere bi- und multilaterale Geber die Transitions-
staaten, insbesondere Russland, beim Aufbau leistungsfähiger Finanz-
systeme?

9. Lassen sich für die Bundesregierung Rückschlüsse auf eine Korrektur-
bedürftigkeit der IWF-Politik aus dem Faktum ziehen, dass ein Land wie
Malaysia, dass nicht nur nach der fernöstlichen Finanzkrise finanzielle
Unterstützung des IWF abgelehnt, sondern sogar konträr zu dessen Emp-
fehlungen Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und die einheimische
Währung an den US-Dollar angebunden hatte, umgehend wieder hohe
Wirtschaftswachstumsraten erzielen konnte und neben Singapur von gra-
vierenden Auswirkungen der Krise relativ verschont blieb?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Währungs- und Finanzkrise in der
Türkei?

Welche Position bezieht sie zum ursprünglichen Vorstoß von IWF-Chef
Horst Köhler, die IWF-Unterstützung für die Türkei müsse von einem ähn-
lich großen Finanzhilfspaket der G7-Staaten flankiert werden?

Inwieweit bestehen Erwägungen, im Fall der Türkei nicht alleine den IWF
und die Weltbank finanziell einspringen zu lassen, sondern erstmals gemäß
Ankündigung der G7-Staaten einschließlich der Bundesregierung für eine
faire Lastenteilung zwischen allen beteiligten staatlichen und privaten
Schuldnern und Gläubigern zu sorgen?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die währungs- und finanzpolitische
Situation Japans und welche Risiken sieht sie hierin insbesondere für die
fernöstliche Region?

12. Wie schätzt die Bundesregierung die Währungs- und Finanzkrise in Argen-
tinien ein und wie bewertet sie deren Risiken für die Region, insbesondere
Brasilien?
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13. Haben sich seit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Eine Internationale In-
solvenzordnung als Diskussionsmodell für eine institutionelle Reform der
Verschuldung souveräner Staaten“ (Bundestagsdrucksache 14/3142) neue
Gesichtspunkte ergeben, die die hierzu grundsätzlich ablehnende Haltung
der Bundesregierung abändern?

Wie bewertet die Bundesregierung dabei die von der UNCTAD (United
Nations Conference on Trade and Development) in ihrem jüngst veröffent-
lichten Handels- und Entwicklungsbericht 2001 erneut erhobene Forde-
rung nach einer derartigen Insolvenzordnung?

Wie bewertet die Bundesregierung den kürzlich publizierten Vorschlag der
Ökonomieprofessoren Allan Meltzer und Adam Lerrick, der IWF solle
künftig keine teuren Finanzpakete für in Not geratene Länder mehr schnü-
ren, sondern eine Art Grundgarantie für deren Schulden gegenüber Privat-
gläubigern in Form des Schuldenaufkaufs zu einem „Stützpreis“ überneh-
men und dadurch zumindest ansatzweise eine Art internationales
Konkursverfahren ermöglichen?

14. Welche Position nimmt die Bundesregierung ein zur US-amerikanischen,
vom IWF unterstützten Kritik am Chef der Europäischen Zentralbank
(EZB), Wim Duisenberg, wegen seiner anhaltenden Ablehnung von Zins-
senkungen, die im Vorwurf von US-Finanzminister Paul O’Neill gipfelte,
er sei erstaunt, mit welcher Gelassenheit die Europäer die Flaute in den
USA und die möglichen Folgen für die Weltkonjunktur hinnähmen?

15. Welche Planungen hat die Bundesregierung im Hinblick auf eine weitere
Eindämmung der Geldwäsche und eine bessere Regulierung von Offshore-
Finanzplätzen und wie gedenkt sie diese auf internationaler Ebene z. B. im
Kreis der G7-Staaten oder des IWF umzusetzen?

Berlin, den 29. Mai 2001

Klaus-Jürgen Hedrich
Leo Dautzenberg
Norbert Barthle
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Dr. Norbert Blüm
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)
Siegfried Helias
Joachim Hörster
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Heinz Seiffert
Peter Weiß (Emmendingen)
Klaus-Peter Willsch
Elke Wülfing
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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