BT-Drucksache 14/5819

zu der zweiten Beratung der Gesetzentwurüfe der Fraktion SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/2518, 14/2363, 14/5790- Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz)

Vom 4. April 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5819
14. Wahlperiode 04. 04. 2001

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Dr. Heidi Knake-Werner, Roland Claus und
der Fraktion der PDS

zu der zweiten Beratung der Gesetzentwürfe der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Fraktion der F.D.P.
– Drucksachen 14/2518, 14/2363, 14/5790 –

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse
des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Die Eingangsformel wird wie folgt gefasst:

„Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten.“

II. Es wird folgender Artikel 1 (Änderung des Grundgesetzes) eingefügt:

Artikel 44 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
in der im Bundesgesetzblatt Teil II, Gliederungsnummer 100-1, veröffent-
lichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz vom … geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:

Die Worte „eines Viertels seiner Mitglieder“ werden durch die Worte
„5 vom Hundert seiner Mitglieder oder einer seiner Fraktionen“ ersetzt.

III. Der bisherige Artikel 1 wird Artikel 2 und wie folgt geändert:

1. § 1 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

Die Worte „eines Viertels seiner Mitglieder“ werden durch die Worte
„von 5 vom Hundert seiner Mitglieder oder auf Antrag einer Fraktion“
ersetzt.

2. § 2 wird wie folgt geändert:

a) In der Überschrift wird das Wort „qualifizierten“ gestrichen.

b) In Absatz 1 werden die Worte „einem Viertel der Mitglieder des
Bundestages“ durch die Worte „5 vom Hundert der Mitglieder des
Bundestages oder von einer Fraktion“ ersetzt.

c) Der Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Ablehnung des Einsetzungsantrages mit der Begründung,
er sei verfassungswidrig bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln

Drucksache 14/5819 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Mitglieder des Bundestages. Hält der Bundestag den Ein-
setzungsantrag für teilweise verfassungswidrig, so ist der Unter-
suchungsausschuss mit der Maßgabe einzusetzen, dass dessen Unter-
suchungen auf diejenigen Teile des Untersuchungsgegenstandes zu
beschränken sind, die die Mehrheit des Bundestages für nicht ver-
fassungswidrig hält. Das Recht der Antragsteller, wegen der vollstän-
digen oder teilweisen Ablehnung des Einsetzungsantrages das Bun-
desverfassungsgericht anzurufen, bleibt unberührt.“

3. In § 4 werden die Sätze 3 und 4 wie folgt gefasst:

„Jede Fraktion bzw. Gruppe muss vertreten sein. Die antragstellende
Minderheit gemäß § 2 Abs. 1 ist durch mindestens zwei Mitglieder ver-
treten.“

4. § 5 wird wie folgt geändert:

Nach den Worten „von den Fraktionen“ werden die Worte „bzw. Grup-
pen“ eingefügt.

5. § 6 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„Der Vorsitz des Untersuchungsausschusses wird auf Vorschlag der an-
tragstellenden Mitglieder der Fraktion bzw. Fraktionen des Bundestages
durch den Untersuchungsausschuss aus seiner Mitte bestimmt.“

6. § 8 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Er ist zur Einberufung einer Sitzung binnen zwei Wochen ver-
pflichtet, wenn dies ein Viertel seiner Mitglieder oder die antragstel-
lende Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1 verlangen. Bei besonderer
Eilbedürftigkeit ist eine Sitzung binnen einer Woche einzuberufen.“

b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„Zur Einberufung von Sitzungen außerhalb des Zeitplanes des
Bundestages oder außerhalb des ständigen Sitzungsortes des Bun-
destages ist der Vorsitzende verpflichtet, wenn dies ein Viertel seiner
Mitglieder oder die antragstellende Minderheit im Sinne des § 2
Abs. 1 verlangen. Der Präsident ist hiervon zu unterrichten. Er kann
der Einberufung widersprechen, wenn dieser zwingende parlamenta-
rische Gründe entgegenstehen.“

7. § 10 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

In Absatz 1 Satz 1 werden nach den Worten „eines Viertels seiner Mit-
glieder“ die Worte „oder der antragstellenden Minderheit im Sinne des
§ 2 Abs. 1“ eingefügt.

8. § 12 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

Nach den Worten „Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Fraktionen“
werden die Worte „bzw. Gruppen“ eingefügt.

9. § 17 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

Die Worte „einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsaus-
schusses“ werden durch die Worte „5 vom Hundert der Mitglieder
des Untersuchungsausschusses oder der Untersuchungsausschuss-
mitglieder einer Fraktion bzw. Gruppe“ ersetzt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5819

b) In Absatz 3 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

„Widerspricht ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsaus-
schusses oder die antragstellende Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1
der vorgesehenen Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen, so wird die Reihenfolge für die Vernehmung der
Hälfte der Zeugen durch die antragstellende Fraktion bzw. Fraktio-
nen bestimmt und für die übrigen gelten die Vorschriften der Ge-
schäftsordnung des Bundestages zur Reihenfolge der Redner ent-
sprechend.“

c) In Absatz 4 werden nach den Worten „eines Viertels der Mitglieder
des Untersuchungsausschusses“ die Worte „oder die antragstel-
lende Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1“ eingefügt.

10. § 18 Abs. 3 wird wie folgt geändert:

„(3) Besteht der Untersuchungsausschuss, ein Viertel seiner Mitglie-
der oder die antragstellende Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1 nach
Prüfung der Begründung der Bundesregierung auf der Vorlage der
Akten, hat diese dem Untersuchungsausschuss die Akten vorzulegen.
Das Recht der Bundesregierung, sich wegen der Verletzung ihrer Rechte
an das Bundesverfassungsgericht zu wenden, bleibt unberührt.“

11. § 24 Abs. 5 Satz 3 wird wie folgt gefasst und um Satz 4 ergänzt:

„Für die Festlegung der Reihenfolge und der Dauer der Ausübung des
Fragerechts sind die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundesta-
ges zur Reihenfolge der Redner entsprechend anzuwenden, wobei die
antragstellende Fraktion bzw. Fraktionen zuerst das Fragerecht erhal-
ten. Der Untersuchungsausschuss kann davon Abweichendes einstim-
mig beschließen.“

12. § 29 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„Werden Gegenstände nach Absatz 1 nicht freiwillig vorgelegt oder
bestehen begründete Anhaltspunkte dafür, so ordnet auf Antrag des
Untersuchungsausschusses eines Viertels seiner Mitglieder oder der
antragstellenden Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1 der Ermittlungs-
richter beim Bundesgerichtshof die Beschlagnahme und Herausgabe
an den Untersuchungsausschuss an; § 97 der Strafprozessordnung gilt
entsprechend.“

13. § 30 Abs. 4 wird wie folgt geändert:

Nach den Worten „eines Viertels seiner Mitglieder“ werden die Worte
„bzw. der antragstellenden Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1“ einge-
fügt.

14. § 34 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

Nach den Worten „einem Viertel seiner Mitglieder“ werden die Worte
„bzw. der antragstellenden Minderheit im Sinne des § 2 Abs. 1“ einge-
fügt.

IV. Der bisherige Artikel 2 wird Artikel 3.

V. Der bisherige Artikel 3 wird Artikel 4.

Berlin, den 4. April 2001

Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Roland Claus und Fraktion

Drucksache 14/5819 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

Allgemeines

Die vorgeschlagenen Änderungen zu Artikel 44 GG und zum Entwurf eines
Untersuchungsausschussgesetzes dienen dazu, die Rechte parlamentarischer
Minderheiten und hier insbesondere kleinerer Fraktionen zu stärken. Während
bislang neben der Mehrheitsenquete die so genannte qualifizierte Minderheit,
d. h. ein Viertel der Mitglieder des Bundestages für die Einsetzung sowie die
Arbeit von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen maßgeblich war, soll
nach dem vorliegenden Änderungsantrag das Quorum zur Einsetzung von Min-
derheitsenqueten deutlich, und zwar auf 5 % der Mitglieder des Bundestages
oder einer Fraktion, herabgesetzt werden. Daraus ergeben sich in der logischen
Konsequenz eine Reihe von Folgeänderungen hinsichtlich des Inhalts und
Umfangs von Sonderrechten für diese Enqueten, um das Minderheitsrecht auch
tatsächlich zum Tragen zu bringen (z. B. beim Beweiserhebungsrecht, bei
Beantragung von Sitzungen u. a.). Hierbei soll insbesondere die Rolle der
antragstellenden Minderheit gestärkt werden, da davon auszugehen ist, dass
diese als Initiatorin eines Untersuchungsausschusses naturgemäß auch das
größte Interesse an der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes hat und
damit das stärkste Engagement entwickelt. Daneben beziehen sich eine Reihe
von Vorschlägen auf die Stärkung der Rechte parlamentarischer Minderheiten
sowohl im Fall der Mehrheits- als auch Minderheitsenquete.

Der konzeptionelle Ansatz besteht darin, die Stellung kleinerer Fraktionen aus-
zubauen, sie vor einer zum Teil ungewollten Abhängigkeit von größeren im
Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen zu schützen und damit ihre
politische Unabhängigkeit als Teil des Deutschen Bundestages zu stärken.
Diese Vorschläge dienen damit der Effektivierung der Arbeit der Unter-
suchungsausschüsse und schützen gerade kleinere Fraktionen, auf deren Antrag
die Einsetzung eines Ausschusses erfolgte, davor, von größeren Fraktionen bei
der Arbeit des Untersuchungsausschusses behindert oder blockiert zu werden.

Zu den einzelnen Vorschriften

Zu I (Eingangsformel)

Diese Änderung ergibt sich aus der vorgeschlagenen Änderung des Grundge-
setzes.

Zu II (Änderung des Grundgesetzes)

Nach Artikel 44 Absatz 1 GG und § 1 Absatz 1 des vorliegenden Entwurfs
eines Untersuchungsausschussgesetzes unterscheidet der Deutsche Bundestag
bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zwischen Mehrheits- und
Minderheitsenqueten. Während bei Mehrheitsenqueten auf Antrag einer Frak-
tion oder 5 % der Abgeordneten durch Mehrheitsbeschluss ein Ausschuss ein-
gerichtet wird, hat bei Minderheitsenqueten auf Antrag von 25 % der Abgeord-
neten der Deutsche Bundestag durch einen so genannten Pflichtbeschluss den
Ausschuss einzurichten.

Die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses auf Antrag eines Vier-
tels der Mitglieder des Bundestages ist jedoch eine zu hohe Hürde gerade für
kleinere Fraktionen, deren Wahlergebnis unter 25 % liegt. Sie sind darauf ange-
wiesen, größere Fraktionen für einen Einsetzungsantrag zu gewinnen. Ein sol-
ches Quorum führt daher eindeutig zur Benachteiligung von Minderheiten im
Parlament. Deshalb bleiben bzw. blieben auch die diesbezüglichen Regelungen
einiger Landesverfassungen sowie der Weimarer Reichsverfassung zum Einset-
zungsquorum darunter. Eine Absenkung dieses Quorums auf 5 % der Mitglie-
der bzw. auf Antrag einer Fraktion verspricht ein höheres Maß an Sicherheit,
dass aufklärungsbedürftige Sachverhalte auch tatsächlich Gegenstand der Auf-
klärung in einem Untersuchungsausschuss werden und nicht von Mehrheiten

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/5819

aus parteipolitischen Gründen blockiert werden können. Eine übermäßige Ein-
setzung von Untersuchungsausschüssen ist nicht zu erwarten, da bekanntlich
die 5 %-Klausel eine hohe Hürde für den Einzug von Parteien in den Deutschen
Bundestag darstellt und die Zahl der Bundestagsparteien dadurch erheblich be-
grenzt werden.

Die vorgesehene Absenkung des Einsetzungsquorums macht auch eine so ge-
nannte Große Koalitionsklausel überflüssig, da bei einer solchen Konstellation
nicht auszuschließen ist, dass die verbleibende parlamentarische Minderheit
nicht das notwendige 25 %ige Quorum erreicht, so dass das verfassungsmäßige
Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht gewahrt wäre.

Da die Absenkung des Einsetzungsquorums für eine Minderheitsenquete einer
Grundgesetzänderung bedarf, wird eine Änderung des Artikels 44 Abs. 1 GG
vorgeschlagen. Verfassungsrechtliche Gründe stehen dem nicht entgegen, da
die in Artikel 121 GG definierte Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bei
der Einsetzung von Minderheitsenqueten aufgrund des besonderen verfas-
sungsrechtlichen Auftrages von Untersuchungsausschüssen ohnehin nicht zum
Tragen kommt. Eine weitere Absenkung des Einsetzungsquorums bei Minder-
heitsenqueten stärkt das Untersuchungsrecht von parlamentarischen Minder-
heiten und trägt damit zum Ausbau der Befugnisse des Deutschen Bundestages
im Hinblick auf die eigene Information und Kontrolle der Regierung bei. Zu
verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Stellungnahme von Prof.
Morlock vom 5. Mai 2000 in Vorbereitung der Anhörung zum Untersuchungs-
ausschussgesetz (vgl. S. 2), in welcher dieser ebenfalls eine Absenkung, wenn
auch nur auf 20 % der Mitglieder des Bundestages vorschlägt.

Zu III (Änderung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Un-
tersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages – Untersuchungs-
ausschussgesetz –)

Zu III.1

Die hier vorgeschlagene Änderung von § 1 Abs. 1 entspricht im Wortlaut der
beantragten Änderung von Artikel 44 Abs. 1 GG, so dass vollinhaltlich auf die
Begründung zu Artikel 1 verwiesen werden kann.

Zu III.2

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu III.1, da mit der deutlichen Herab-
setzung des Einsetzungsquorums die so genannte qualifizierte Minderheit ob-
solet geworden ist.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Folgeänderung zu III.1.

Zu Buchstabe c

Das mit dem Koalitionsentwurf vorgeschlagene Verfahren, wonach die Antrag-
steller im Falle der teilweisen Ablehnung des Einsetzungsantrages das Bundes-
verfassungsgericht zwecks Prüfung der Verfassungsmäßigkeit anrufen können,
impliziert zwar auch das Vorgehen bei Ablehnung des gesamten Einsetzungsan-
trages wegen angenommener Verfassungswidrigkeit. Gleichwohl ist zu dieser
wichtigen Frage keine eindeutige Regelung vorgesehen. Während bei teilweiser
Ablehnung des Einsetzungsantrages der Ausschuss hinsichtlich des nicht für
verfassungswidrig gehaltenen Teiles mit seiner Arbeit beginnen kann, ist dies
bei vollständiger Ablehnung ausgeschlossen. Das kann aufgrund der bekannten
Überlastung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit dazu führen, dass eine sachliche Überprüfung innerhalb
der jeweiligen Wahlperiode kaum realistisch ist und der beantragte Untersu-

Drucksache 14/5819 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

chungsausschuss demgemäß auch nicht eingesetzt wird. Um die potentielle Ge-
fahr zu verringern, dass im Fall einer antragstellenden Minderheit die Parla-
mentsmehrheit politisch missliebige Untersuchungsausschüsse, mit einer be-
haupteten Verfassungswidrigkeit umgehen kann, wird nunmehr mit einem neu
eingefügten Satz 1 vorgeschlagen, die Ablehnung wegen behaupteter Verfas-
sungswidrigkeit eines Einsetzungsantrages von einer Zweidrittelmehrheit der
Bundestagsmitglieder abhängig zu machen. Mit dieser vorgesehenen qualifi-
zierten Mehrheit für die vollständige Ablehnung des Antrages wird sicherge-
stellt, dass nur dann, wenn das Parlament ganz überwiegend, zu der Auffassung
gelangt, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses würde im Widerspruch
zum Grundgesetz stehen, dieser bis zu einer anders lautenden Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nicht zustande kommt.

Für den Fall der teilweisen Ablehnung des Einsetzungsantrages verbleibt es bei
der im Entwurf vorgesehenen Regelung, wobei der letzte Satz des Absatzes 3
dahin gehend ergänzt wurde, dass das Bundesverfassungsgericht sowohl bei
der vollständigen als auch teilweisen Ablehnung durch die Antragsteller ange-
rufen werden kann.

Zu III.3

Die vorgeschlagene Änderung stellt zum einen hinsichtlich der Zusammenset-
zung klar, dass auch Gruppen in Untersuchungsausschüssen vertreten sein müs-
sen, denn das Wahlrecht sieht neben dem Überspringen der 5 %-Hürde die
Möglichkeit des Einzugs in den Deutschen Bundestag auch über das Erringen
von mindestens 3 Direktmandaten vor, so dass diese ebenso wie Fraktionen an
der Arbeit von Untersuchungsausschüssen nicht zuletzt auch aus Gründen der
Gleichbehandlung beteiligt werden sollten. Zum anderen soll die Funktions-
fähigkeit des Untersuchungsausschusses für den Fall sichergestellt werden,
dass eine antragstellende kleinere Fraktion oder eine interfraktionelle Minder-
heitsenquete, die nach dem Berechnungsverfahren nur mit einem Mitglied im
Ausschuss vertreten wäre, zwei Mitglieder entsenden kann. Die Vertretung
durch lediglich ein Mitglied ist insbesondere im Hinblick auf die Regelung in
III.5 nicht sachgerecht, da neben dem Stellen des Vorsitzenden die eigentliche
Untersuchungstätigkeit durch mindestens ein weiteres Mitglied sichergestellt
werden muss.

Zu III.4

Es handelt sich um Folgeänderungen zu III.3.

Zu III.5

Die Übertragung des Vorsitzes des Untersuchungsausschusses auf die Antrag-
steller ist zunächst die logische Folge der Stärkung der Rechte der antragstellen-
den Minderheit und der Absenkung des Einsetzungsquorums aber auch darüber
hinaus der antragstellenden Fraktion bzw. Fraktionen überhaupt und von daher
sachgerecht. Zudem wird damit sichergestellt, dass die Erfüllung des Untersu-
chungsauftrages mit dem notwendigen Nachdruck betrieben wird, da davon aus-
zugehen ist, dass die Initiatoren des Ausschusses das größte Interesse an der
Aufklärung haben und deshalb auch den Untersuchungsausschuss leiten sollten.

Zu III.6

Zu Buchstabe a

Die Ergänzung in Satz 1 berücksichtigt, dass die antragstellende Minderheit,
auch dann, wenn sie nicht ein Viertel der Ausschussmitglieder stellt, die Mög-
lichkeit haben soll, eine Sitzung einzuberufen. Diese Änderung folgt dem
Anliegen, die Rechte der antragstellenden Minderheit auch bei der Sitzungs-
einberufung zu stärken, damit ihr besonderes Interesse am Fortgang der Unter-
suchung nicht durch die Ausschussmehrheit torpediert werden kann.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/5819

Die Untersuchungsausschusspraxis und hier nicht zuletzt die Erfahrungen mit
dem CDU-Spendenausschuss haben gezeigt, dass bei besonders akuten Nach-
richtensituationen, z. B. bei neuen Aktenfunden und sich daraus ergebendem
dringendem Handlungsbedarf, ein schnelles Reagieren des Ausschusses mög-
lich sein muss. Bei besonderer Eilbedürftigkeit soll deshalb innerhalb von einer
Woche die Einberufung des Ausschusses möglich sein. Diese Frist scheint ei-
nerseits sowohl kurzfristig genug, um angemessen schnell reagieren zu können
und andererseits jedoch auch ausreichend, um inhaltlich wie organisatorisch
durch das Ausschusssekretariat die notwendigen Vorkehrungen treffen zu kön-
nen, wobei es sich hier aufgrund der erforderlichen „besonderen Eilbedürftig-
keit“ um eine Ausnahmeregelung handelt.

Zu Buchstabe b

Auch im Fall der Einberufung von Sondersitzungen sollte der Untersuchungs-
ausschuss aufgrund seiner besonderen Aufgabenstellung und im Interesse eines
möglichst flexiblen Arbeitens in eigener Kompetenz entscheiden können. Bei
entsprechender Beschlussfassung durch ein Viertel der Mitglieder des Aus-
schusses oder durch die antragstellende Minderheit ist der Präsident hiervon zu
unterrichten. Gleichzeitig hat er in diesem Fall jedoch die Möglichkeit, der Ein-
berufung zu widersprechen, falls dieser zwingende parlamentarische Gründe
entgegenstehen, da er im Unterschied zu den Ausschussmitgliedern einen voll-
ständigen Überblick über den gesamten Parlamentsablauf hat.

Zu III.7

Für Antrag und Beschlussfassung einer vorbereitenden Untersuchung durch ei-
nen Ermittlungsbeauftragten soll neben der Zustimmung eines Viertels der
Ausschussmitglieder auch das Begehren der antragstellenden Minderheit
i. S. d. § 2 Abs. 1 ausreichend sein, da auch hier davon auszugehen ist, dass die
Antragsteller ein besonderes Interesse an einer zügigen und zugleich gründ-
lichen Untersuchung haben, zumal wenn der Untersuchungsauftrag umfang-
reich ist und sie deshalb auch hinsichtlich dieser wichtigen Neuerung nicht auf
ein Viertel Quorum innerhalb des Ausschusses verwiesen werden sollen. Dies
auch deshalb, da die Bestimmung der Person des Ermittlungsbeauftragten
gemäß Absatz 2 ohnehin eine qualifizierte Mehrheit der Ausschussmitglieder
erfordert, um dessen Akzeptanz innerhalb des gesamten Ausschusses zu
gewährleisten.

Zu III.8

Soweit in § 12 Abs. 2 die Möglichkeit des Zutritts von benannten Fraktionsmit-
arbeitern zu nichtöffentlichen Beratungssitzungen des Untersuchungsausschus-
ses geregelt ist, muss diese Teilnahmemöglichkeit entsprechend der vorgeschla-
genen Änderung in III.3, wonach neben Fraktionen parlamentarische Gruppen
im Ausschuss vertreten sein müssen, auch für von diesen benannte Mitarbeiter
gelten.

Zu III.9

Zu Buchstabe a

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, die von den Fraktionen nach deren
Stärkeverhältnis bestimmt werden, bedürfen eines besonderen Minderheiten-
schutzes für die Vertreter der nicht die Mehrheit im Deutschen Bundestag bil-
denden Fraktionen. Insbesondere beim Beweisantragsrecht, dem Kernstück der
Ausschusstätigkeit, ist dem Minderheitenschutz in verstärktem Maße Rech-
nung zu tragen. Die im Koalitionsentwurf vorgeschlagene Regelung, die eine
Beweiserhebung erst dann vorsieht, wenn ein Viertel der Mitglieder des Unter-
suchungsausschusses dies verlangt, ist im Zweifel nicht ausreichend, um die
Aufklärungsarbeit frei von parteipolitischen Erwägungen im Ausschuss voran-
zubringen. Das haben auch die jüngsten Erfahrungen im CDU-Spendenaus-

Drucksache 14/5819 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

schuss gezeigt. Der unter III.1 vorgeschlagenen Änderung folgend, sollten des-
halb auch Beweise immer dann erhoben werden, wenn sie von 5 % der
Ausschussmitglieder oder den Ausschussmitgliedern einer Fraktion bzw.
Gruppe beantragt werden, soweit sie nicht unzulässig oder unerreichbar sind.
Ansonsten sind Konstellationen im Untersuchungsausschuss denkbar, die den
Minderheitenschutz im Allgemeinen und den Schutz der antragstellenden Min-
derheit nach § 2 Abs. 1 bei der Stellung von Beweisanträgen letztlich ins Leere
laufen lassen. Allein das Recht zur Beantragung von Untersuchungsausschüs-
sen würde ohne Flankierung durch ein damit korrespondierendes Beweis-
antragsrecht praktisch wertlos sein bzw. sich für die Antragsteller sogar ins Ge-
genteil verkehren können, denn die unter 25 % liegende antragstellende
Minderheit würde zur Erhebung eigener Beweisanträge immer auf die Zustim-
mung anderer, größerer Fraktionen angewiesen sein.

Zu Buchstabe b

Hinsichtlich der wichtigen Frage der Reihenfolge der Zeugenvernehmung wird
in § 17 Abs. 3 des Koalitionsentwurfs abweichend von der bisherigen Praxis
zunächst auf eine einvernehmliche Regelung statt wie bisher auf die Aus-
schussmehrheit abgestellt. Diese begrüßenswerte Neuregelung wird jedoch
durch eine nicht praktikable Regelung in Satz 2 komplettiert. Die im Falle der
Nichteinigung vorgesehene Festlegung nach den parlamentarischen Mehrheits-
verhältnissen führt nämlich dazu, dass bei divergierender Interessenlage, die
Untersuchungsstrategie der antragstellenden Seite erheblich durchbrochen und
die Erfüllung des Untersuchungsauftrages damit verzögert bzw. sogar gefährdet
wird. Zum einen muss auch bei dieser entscheidenden Frage der Festlegung der
Zeugenreihenfolge die antragstellende Minderheit ein Widerspruchsrecht gegen
die Ausschussmehrheit haben, da anderenfalls durch diese Mehrheit das ge-
samte Untersuchungskonzept der Minderheit ausgehebelt werden kann. Zum
anderen wird vorgeschlagen, die Reihenfolge der Hälfte der zu vernehmenden
Zeugen bzw. Sachverständigen durch die Antragsteller festlegen zu lassen, un-
abhängig davon, ob sie die Mehrheit oder Minderheit im Ausschuss bilden und
die Reihenfolge der übrigen Zeugen entsprechend den Mehrheitsverhältnissen
der anderen Fraktionen bzw. Gruppen nach der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages zu bestimmen. Auf diese Weise wird einerseits sicherge-
stellt, dass die Antragsteller ihrer hervorgehobenen Verantwortung und ihrem
besonderen Interesse an der Erfüllung des Untersuchungsauftrages gerecht wer-
den können. Andererseits werden jedoch auch im Unterschied zur bisherigen
Praxis die anderen Faktionen bzw. Gruppen bei der Zeugenreihenfolge ange-
messen berücksichtigt und gleichzeitig die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses
gewährleistet.

Zu Buchstabe c

Im Falle der Ablehnung von Beweiserhebungen oder Zwangsmitteln muss in
Konsequenz der vorstehenden Regelungen auch die antragstellende Minderheit
i. S. d. § 2 Abs. 1 die Möglichkeit haben, auf Antrag eine Entscheidung des Er-
mittlungsrichters beim Bundesgerichtshof herbeizuführen, um ihr Untersu-
chungsbegehren notfalls auch gegen die Ausschussmehrheit konsequent voran-
treiben zu können.

Zu III.10

Der vorliegende Entwurf der Koalition geht von einem Recht der Bundesregie-
rung aus, im Zweifel über die Reichweite ihrer Informationspflicht gegenüber
dem Deutschen Bundestag selbst zu entscheiden, woraufhin der Deutsche Bun-
destag sein behauptetes Informationsrecht vor dem Bundesverfassungsgericht
durchsetzen muss. Dies entspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Verhältnis
von Regierung und Parlament. Die Bundesregierung ist dem Deutschen Bun-
destag zunächst unbeschränkt rechenschaftspflichtig. Dem entsprechend wird

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/5819

vorgeschlagen, das Verfahren so zu gestalten, dass die Bundesregierung aktiv
werden und das Bundesverfassungsgericht anrufen muss, wenn sie einem Ersu-
chen des Untersuchungsausschusses nicht entsprechen will. Gleichzeitig wird
das Verfahren verkürzt.

Zu III.11

Auch bei der Ausübung des Fragerechts der Fraktionen bzw. Gruppen sollen
die Antragsteller in Abweichung von der üblichen Redereihenfolge entspre-
chend den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen nach dem Vorsitzenden
als Erste die Möglichkeit erhalten, Fragen zu stellen, um deren besonderen Inte-
resse an der Erfüllung des Untersuchungsauftrages Rechnung zu tragen und
insbesondere die Rolle der antragstellenden Minderheit zu stärken, die anderen-
falls erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt ihr Fragerecht ausüben
könnte.

Zu III.12

Die bisher vorgesehene Regelung impliziert zunächst die Forderung des Unter-
suchungsausschusses nach freiwilliger Herausgabe von Beweismitteln, bevor
bei Nichtherausgabe ein Antrag auf Durchsuchung und Beschlagnahme gestellt
werden kann. Wenn von der freiwilligen Herausgabe jedoch aufgrund begrün-
deter Anhaltspunkte, wie vorheriger Zurückhaltung oder Vernichtung von Un-
terlagen, nicht ausgegangen werden kann, muss der Ausschuss die Möglichkeit
haben, Zwangsmaßnahmen einzuleiten, ohne den Gewahrsamsinhaber vorzu-
warnen.

Zu III.13 und III.14

Die vorgeschlagenen Änderungen folgen aus den Änderungen zur Stärkung der
Rechte der antragstellenden Minderheit i. S. d. § 2 Abs. 1.

Zu IV. und V.

Die Verschiebung der Artikel ergibt sich daraus, dass nach dem vorstehenden
Änderungsantrag ein neuer Artikel 1 zur Grundgesetzänderung eingefügt
wurde.

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