BT-Drucksache 14/5616

Reformierung des Betreuungsrechts und Freisetzung von Ressourcen für die Betreuungsarbeit

Vom 19. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5616
14. Wahlperiode 19. 03. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Evelyn Kenzler, Sabine Jünger,
Dr. Ruth Fuchs und der Fraktion der PDS

Reformierung des Betreuungsrechts und Freisetzung von Ressourcen für die
Betreuungsarbeit

Mit dem Betreuungsgesetz (BtG) vom 12. September 1990, in Kraft getreten
am 1. Januar 1992, wurde das rechtspolitische Ziel verfolgt, die Rechtsstellung
psychisch kranker und körperlich, geistig oder seelisch behinderter Menschen
zu verbessern. Das Betreuungsrecht soll betroffenen Personen den notwendi-
gen Schutz und die erforderliche Fürsorge gewähren. Gleichzeitig soll ihnen
auch ein hohes Maß an Selbstbestimmung ermöglicht werden.

Seit geraumer Zeit wird von denjenigen, die mit dem neuen Recht arbeiten oder
von ihm betroffen sind, die Sorge geäußert, dass die begrüßenswerten Ziele der
Reform auf der vorhandenen gesetzlichen Grundlage nicht zufriedenstellend
erreicht werden können. Vor allem wird beklagt, dass es nicht gelingt, eine aus-
reichende Zahl von qualifizierten Betreuerinnen und Betreuern zu gewinnen,
um die Betroffenen ausreichend qualifiziert zu begleiten und zu beraten. Die
Reform steht und fällt mit der Bereitschaft von engagierten und fachlich quali-
fizierten Personen, Betreuungen zu übernehmen.

Unklare Vorschriften über Entschädigung und Vergütung führen zu einer Viel-
zahl streitiger Rechtsfragen und zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung. Die
Zentrierung des Betreuungsrechts auf justitielle Verfahren und richterliche Ent-
scheidungen macht seine Umsetzung, insbesondere durch ehrenamtlich Tätige,
zu einer schwerfälligen und mühsamen Aufgabe und zu einer teuren Angele-
genheit für die Länder.

Der Deutsche Bundestag und Bundesrat fassten noch in der letzten Legislatur-
periode – anlässlich der Verabschiedung des Betreuungsrechtsänderungsgeset-
zes – Beschlüsse zum grundsätzlichen Reformbedarf des Betreuungsrechts. Zur
Erarbeitung eines Reformkonzeptes für das Betreuungsrecht wurden im Herbst
1999 eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Reform des Betreuungsrechts
eingerichtet, danach Gespräche geführt und am 23. Oktober 2000 ein Entwurf
eines Eckpunktepapiers zur Struktur des Betreuungsrechts vorgelegt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den derzeitigen Beratungs-
stand des vorliegenden Entwurfs eines Eckpunktepapiers zur Strukturreform
des Betreuungsrechts der interfraktionellen Arbeitsgruppe vom 23. Oktober
2000?

Drucksache 14/5616 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Hat es zu dem Eckpunktepapier bereits Anhörungen der Bundesländer oder
Fachverbände gegeben?

Wenn ja, mit welchen Bundesländern und Betreuungsorganisationen haben
diese stattgefunden?

Wenn nein, wann und mit welchem Teilnehmerkreis sind solche Anhörun-
gen vorgesehen?

3. Finden nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Anhörungen unter
Teilnahme der Fachöffentlichkeit statt?

Wie wird in diesem Zusammenhang die Auswahl getroffen, damit interes-
sierte Verbände und Einzelpersönlichkeiten teilnehmen können?

4. Sind der Bundesregierung weiterführende Materialien, Papiere oder Akti-
vitäten auf Bundes- oder Länderebene bekannt, die nächste Schritte für die
Vorbereitung und Einbringung gesetzlicher Initiativen zur Strukturreform
des Betreuungsrechts befördern können?

5. Welches sind für die Bundesregierung die wichtigsten Bedenken, und wo-
rin sieht sie mögliche Übereinstimmungen und Annäherungspunkte der
Bundesländer für eine Strukturreform des Betreuungsrechts im Zusam-
menhang mit vorliegendem Eckpunktepapier?

6. In welchem Zusammenhang zum Eckpunktepapier und zur Planung der
Änderung des Betreuungsgesetztes steht die vom Bundesministerium der
Justiz (3475/4-4/2000) in Auftrag gegebene Ausschreibung eines For-
schungsvorhabens zum Thema „Rechtstatsächliche Untersuchung zu Qua-
lität und Kosten der rechtlichen Betreuung“?

7. Ist mit dem Forschungsvorhaben beabsichtigt, dass die Gesetzesänderung
aufgeschoben wird bis Forschungsergebnisse vorliegen, und wann werden
nach Auffassung der Bundesregierung Forschungsergebnisse erwartet?

8. Wie ist nach Kenntnisstand der Bundesregierung die weitere zeitliche Pla-
nung für die Vorbereitung und Umsetzung einer Gesetzesreform des Be-
treuungsrechtes vorgesehen?

9. Wie soll nach Erkenntnis der Bundesregierung gesichert werden, dass das
Betreuungsrecht praxisnäher ausgestaltet, das Verfahren entbürokratisiert
und gleichzeitig die Betreuungsstruktur verbessert wird?

10. Welche Erkenntnisse und Auffassungen hat die Bundesregierung zur in-
haltlichen Kontrolle einzelner Betreuer- und Betreuungsmaßnahmen und
über die Schaffung von „Vertrauens- oder Vermittlungsstellen“ bei den
Betreuungsbehörden zur Konfliktbewältigung zwischen Betroffenen und
Betreuern?

11. Welche Chancen und Risiken sieht die Bundesregierung unter dem Aspekt,
Betreuungen möglichst zu vermeiden, für solche Instrumente wie Vorsor-
gevollmachten, Verstärkung sozialer Hilfen und die gesetzliche Vertre-
tungsvollmacht durch Angehörige?

12. Wie sollten nach Auffassung der Bundesregierung Berufsbetreuer und
-betreuerinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Betreuungsvereinen
und ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen

a) ausgebildet oder qualifiziert,

b) finanziell und materiell ausgestattet

c) und versicherungsrechtlich abgesichert sein,

um eine optimale individuelle und zugleich wirtschaftlich vertretbare Be-
treuung zu gewährleisten?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5616

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die von Betreuern und
Betreuungsvereinen vielfach beklagte enge Finanzlage im Betreuungs-
wesen zu verbessern oder Schritte zur Umverteilung der Mittel zu unter-
stützen?

14. Über welche Erfahrungen verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der
Schaffung

a) eines eigenständigen Berufsbildes für Berufsbetreuer und -betreuerinnen,

b) der Ausgestaltung entsprechender beruflicher Ausbildungsprofile, die
sich besonders in den neuen Ländern herausgebildet haben, und

c) inwieweit und unter welchen Umständen hält sie solche Profile bundes-
weit für einführungsfähig?

Berlin, den 19. März 2001

Dr. Ilja Seifert
Dr. Evelyn Kenzler
Sabine Jünger
Dr. Ruth Fuchs
Roland Claus und Fraktion

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