BT-Drucksache 14/5393

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Fortbestand steuerrechtlicher Regelungen

Vom 22. Dezember 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5393
14. Wahlperiode 22. 02. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Fortbestand steuerrechtlicher
Regelungen

Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hat die rot-grüne Bundes-
regierung u. a. die Frist, in der private Veräußerungen von Immobilien oder
Wertpapieren steuerpflichtig sind, verlängert, die Vorkostenpauschale für die
Schaffung von Wohneigentum gestrichen und die Verlustverrechnung einge-
schränkt. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde, nach Durchlaufen des
Bundesrates, am 24. März 1999 durch den Deutschen Bundestag beschlossen,
aber rückwirkend auf den 1. Januar 1999 in Kraft gesetzt. Die rückwirkenden
Gesetzesänderungen wurden und werden teilweise durch Abgeordnete des
Deutschen Bundestages aber auch durch Steuerexperten für verfassungsrecht-
lich bedenklich gehalten. Die Bürgerinnen und Bürger – so die Meinung – müs-
sen bis zur Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass Ein-
künfte, die ihnen bis dahin zugeflossen sind, nicht nachträglich stärker besteu-
ert werden. Dies ist jedoch beim Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 der
Fall.

Die Bundesregierung vertritt demgegenüber in verschiedenen Stellungnahmen
den Standpunkt, dass durch die rückwirkenden Änderungen des Einkommen-
steuergesetzes das schutzwürdige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger auf
den Fortbestand von gesetzlichen Regelungen nicht verletzt wurde. Als Argu-
ment führt sie an, dass das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 bereits im
Herbst 1998 in das Bundeskabinett und den Deutschen Bundestag (Bundes-
tagsdrucksache 14/23) eingebracht und der Gesetzentwurf zusätzlich im Inter-
net veröffentlicht worden ist. Damit sei für die Bürgerinnen und Bürger vorher-
sehbar gewesen, dass die entsprechenden Regelungen im Einkommensteuerge-
setz geändert und wie die Neuregelungen ausgestaltet werden würden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann wurde der Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 im Bundeskabinett beschlossen?

2. Wann wurde der Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 in den Deutschen Bundestag eingebracht?

3. Welche Änderungen des Gesetzentwurfes zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 (Bundestagsdrucksache 14/23) erfolgten nach dessen Ein-
bringung in den Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 1998?

4. Wie hoch ist die Anzahl der im Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen (bitte nach einzelnen Gesetzen
ausweisen)?

Drucksache 14/5393 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
5. Wie hoch ist die Anzahl der im Gesetzentwurf zum Steuerentlastungs-
gesetz 1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen, die unverändert am
24. März 1999 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurden (bitte nach
einzelnen Gesetzen ausweisen)?

6. Wie hoch ist die Anzahl der Änderungsanträge, die in Form von „Formu-
lierungshilfen“ seitens der Bundesregierung und der Regierungskoalition
in den Finanzausschuss eingereicht wurden?

7. Wie viele und welche solcher Änderungen der im Gesetzentwurf zum
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen wur-
den bis zum 24. März 1999 in Bezug auf den Immobilienbereich vorge-
nommen?

8. Wie viele und welche solcher Änderungen der im Gesetzentwurf zum
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen wur-
den bis zum 24. März 1999 in Bezug auf die Mindestbesteuerung/Verlust-
verrechnung vorgenommen?

9. Wie viele und welche solcher Änderungen der im Gesetzentwurf zum
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen wur-
den bis zum 24. März 1999 in Bezug auf die Bewertung von Gegenständen
des Anlage- und Umlaufvermögens sowie die Bildung und Bewertung von
Rückstellungen vorgenommen?

10. Wie viele und welche solcher Änderungen der im Gesetzentwurf zum
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen wur-
den bis zum 24. März 1999 in Bezug auf Spekulationsgeschäfte vorgenom-
men?

11. Wie oft und auf welche Art wurde die im Gesetzentwurf zum Steuerentlas-
tungsgesetz 1999/2000/2002 enthaltene Regelung des § 2b EstG bis zum
24. März 1999 durch Änderungsanträge bzw. „Formulierungshilfen“ sei-
tens der Bundesregierung und der Regierungskoalition geändert?

12. Wann wurden den Mitgliedern des Finanzausschusses die letzten Änderun-
gen der im Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002
enthaltenen Neuregelungen in mündlicher bzw. schriftlicher Form durch
die Bundesregierung bzw. die Regierungskoalition vorgelegt?

13. Wie hoch war die Anzahl der unter Frage 12 genannten Änderungen und
welche der im Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 enthaltenen Neuregelungen betraf dies?

14. Wie viele und welche der im Gesetzentwurf zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 enthaltenen Neuregelungen wurden im Bundesrat geän-
dert?

15. Inwieweit weicht das Gesetzgebungsverfahren zum Steuerentlastungsge-
setz 1999/2000/2002 von den Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsre-
form, Ökologischen Steuerreform und Rentenreform und von denen der
Vorgängerregierung zum Jahressteuergesetz 1996 und Jahressteuergesetz
1997 ab (Beantwortung bitte mit Begründung)?

16. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass, angesichts des Gesetzgebungs-
verfahrens zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 die Neuregelun-
gen für die Bürgerinnen und Bürger vorhersehbar sein konnten und damit
ihr schutzwürdiges Vertrauen nicht verletzt wurde?

Berlin, den 15. Februar 2001

Dr. Barbara Höll
Roland Claus und Fraktion

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