BT-Drucksache 14/4995

Aufhebung nationalsozialistischer Todesurteile gegen Deserteure

Vom 13. Dezember 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4995
14. Wahlperiode 13. 12. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Heidi Lippmann, Roland Claus
und der Fraktion der PDS

Aufhebung nationalsozialistischer Todesurteile gegen Deserteure

Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile
vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) „werden verurteilende strafgerichtliche
Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtig-
keit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des
nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassi-
schen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben“.
In § 2 wird enumerativ aufgeführt, welche Entscheidungen „insbesondere“ un-
ter § 1 fallen. Die Todesurteile des Reichskriegsgerichts, der übrigen Militär-
gerichte und der sonstigen Gerichte gegen Deserteure gehören nicht dazu.
Dadurch werden diese Urteile in eine Grauzone zwischen Unrecht und Recht
gestellt, die eine Entscheidung im Einzelfall nach § 6 erforderlich macht. Dage-
gen wehren sich mit guten Gründen die wenigen noch lebenden Deserteure. Sie
sind die einzige Gruppe von Opfern der Nazi-Justiz, bei der die Unrechtsurteile
nicht pauschal und damit zweifelsfrei per Gesetz aufgehoben werden. Einer
Einzelfallprüfung wollen sie sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht unter-
ziehen.

Während des Gesetzgebungsverfahrens in der 13. Wahlperiode hatten die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion der SPD Gesetzentwürfe in
den Deutschen Bundestag eingebracht, die das Problem zugunsten der betroffe-
nen Deserteure gelöst hätten, die aber an den damaligen Mehrheitsverhältnissen
gescheitert sind.

Nach § 2 Nr. 3 des Entwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bun-
destagsdrucksache 13/9747) sollte zu den Entscheidungen im Sinne von § 1
„die vom Reichskriegsgericht, den übrigen Militärgerichten und sonstigen Ge-
richten gefällten Urteile wegen der Tatbestände Kriegsdienstverweigerung,
Fahnenflucht/Desertion und ‚Wehrkraftzersetzung‘“ gehören.

Der Entwurf der Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache 13/9774) sah in § 2
vor: „Entscheidungen im Sinne des § 1 sind insbesondere […] 3. die vom
Reichskriegsgericht, den übrigen Militärgerichten und sonstigen Gerichten ge-
fällten Todesurteile, es sei denn, sie beruhten auf einem Delikt, das nach allge-
meinem Strafrecht bereits vor dem 30. Januar 1933 mit Todesstrafe bedroht
war, sowie Verurteilungen aufgrund der §§ 64 bis 88, 92 bis 99, 102 und 102a
des Abschnittes III des Militärstrafgesetzbuches in den Fassungen der Gesetze
vom 16. Juni 1926 (RGBl. I S. 275), 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 297), 23. No-
vember 1934 (RGBl. I S. 1165) und 16. Juli 1935 (RGBl. I S. 1021) einschließ-

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lich aller zusätzlichen Durchführungsbestimmungen, Verordnungen und Er-
lasse.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die gegenwärtig gültige
Regelung im NS- Aufhebungsgesetz nicht ausreichend ist, um den Deserteu-
ren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen?

Wenn nein, warum nicht?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Vorschläge der jetzigen Koalitions-
fraktionen aus der 13. Wahlperiode in der 14. Wahlperiode in dieser oder
einer anderen Form wieder aufzugreifen ?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welcher Richtung und mit welchem Zeitplan?

3. Wie legt die Bundesregierung den Begriff „militärische Gründe“ in § 1 des
NS-Aufhebungsgesetzes aus?

4. Welche Todesurteile gegen Deserteure fallen nach Auffassung der Bundes-
regierung nicht unter die Kategorie der nationalsozialistischen Unrechtsur-
teile?

Berlin, den 13. Dezember 2000

Dr. Evelyn Kenzler
Heidi Lippmann
Roland Claus und Fraktion

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