BT-Drucksache 14/4171

Sicherung des Bestandes und Fortentwicklung der Kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland im Rahmen von Rechtsetzung der Europäischen Union

Vom 26. September 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

26. 09. 2000

Große Anfrage

der Abgeordneten Peter Götz, Dietrich Austermann, Günter Baumann, Meinrad
Belle, Otto Bernhardt, Dr. Joseph-Theodor Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Wolfgang Bosbach, Albert Deß, Anke Eymer (Lübeck), Ingrid Fischbach,
Jochen-Konrad Fromme, Georg Girisch, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken, Klaus
Holetschek, Josef Hollerith, Siegfried Hornung, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Norbert
Königshofen, Ursula Lietz, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Gerd Müller,
Eduard Oswald, Dr. Peter Paziorek, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik,
Dr. Christian Ruck, Anita Schäfer, Heinz Schemken, Heinz Seiffert, Thomas
Strobl (Heilbronn), Peter Weiß (Emmendingen), Elke Wülfing und der Fraktion
der CDU/CSU

Sicherung des Bestandes und Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwal-
tung in Deutschland im Rahmen von Rechtsetzung der Europäischen Union

Die Europäische Union hat sich zu einer Entscheidungsebene entwickelt, die
neben Ländern und Bund wesentliche Bereiche der deutschen kommunalen
Selbstverwaltung beeinflusst. Die Sicherung des Bestandes der deutschen kom-
munalen Selbstverwaltung und die Erhaltung und Fortentwicklung von geeig-
neten rechtlichen Bedingungen für ihre Arbeit auf europäischer Ebene ist über-
wiegend Aufgabe der Außenpolitik in Bundeszuständigkeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

Sicherung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie

1. In welchen Bereichen stärken und in welchen Bereichen belasten Maßnah-
men der Europäischen Union das Recht der deutschen Kommunen, alle An-
gelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln?

2. In welcher Weise setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass nach dem
Europäischen Rat in Nizza bei den nächsten Reformschritten der Europäi-
schen Union die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
entsprechend Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes unter Beachtung des
Subsidiaritätsgedankens in der Europäischen Union angemessen berück-
sichtigt wird?

3. a) In welchem europäischen Rechtsdokument kann nach Auffassung der
Bundesregierung ein Bürgerrecht auf kommunale Selbstverwaltung ver-
ankert werden und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung,
um eine rechtliche Verankerung herbeizuführen?

b) Welche Position nimmt die Bundesregierung zu der Frage ein, ein Bür-
gerrecht auf kommunale Selbstverwaltung in der Europäischen Charta
der Grundrechte zu verankern?
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Grundlagen der kommunalen Daseinsvorsorge

4. a) In welchen Bereichen und auf welche Weise will die Bundesregierung
im Rat gegenüber den Institutionen der Europäischen Union ihre rechtli-
chen Möglichkeiten ausschöpfen, die Bedingungen für das Funktionie-
ren der kommunalen Daseinsvorsorge so zu gestalten, dass die Aufga-
benerfüllung gesichert wird?

b) Welche Bedeutung kommt dabei Artikel 16 EGV insbesondere gegenüber
Artikel 86 Abs. 2 EGV nach Auffassung der Bundesregierung auf euro-
päischer Ebene in Bezug auf die Bestandssicherung der Daseinsvorsorge
durch die Kommunen außerhalb der Regeln des freien Wettbewerbs zu?

c) Hindert das EG-Recht die deutschen kommunalen Gebietskörperschaf-
ten daran, mit privaten Unternehmen in denjenigen Aufgabenfeldern der
kommunalen Daseinsvorsorge, die zugleich als Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne der Artikel 16 und 86
Abs. 2 EG-Vertrag bewertet werden, in einen konkurrierenden Wettbe-
werb bei gleichen Wettbewerbsbedingungen zu treten?

5. a) Beabsichtigt die Bundesregierung gegenüber der EU Maßnahmen zu
ergreifen, um die Quersubventionierung in kommunalen Wirtschafts-
unternehmen weiter zu ermöglichen?

b) Wenn ja, für welche Formen der Quersubventionierung möchte sie den
Bestand sichern?

c) Welche Maßnahmen will sie zur Erreichung dieses Ziels ergreifen?

6. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass bei einer noch weiter ge-
henden Liberalisierung der Märkte das in Artikel 158 Abs. 2 des EG-Vertra-
ges formulierte Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschie-
denen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten
Gebiete, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern, erreicht wird?

7. Welche langfristigen Auswirkungen auf einzelne Bereiche der Daseinsvor-
sorge (z. B. Wasserversorgung) erwartet die Bundesregierung von der Mit-
teilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im
Gemeinschaftsrecht?

Kommunale Finanzdienstleistungen

8. a) Will die Bundesregierung Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als
Strukturelemente öffentlich-rechtlicher Anstalten in Deutschland lang-
fristig sichern?

b) Wenn ja, welche Maßnahmen ergreift sie, um dieses Ziel zu erreichen?

9. a) Welche Position nimmt die Bundesregierung zur Dienstleistungsricht-
linie 92/50/EWG und zur Sektorenrichtlinie 93/38/EWG in Bezug auf
Finanzdienstleistungen, die die Kommunen in Anspruch nehmen, und
insbesondere Kommunalkredite, ein?

b) Welche Position nimmt die Bundesregierung zu der Ausnahmevor-
schrift des Artikels 1a (VII) der Richtlinie 92/50/EWG in Verbindung
mit dem 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie in Bezug auf Finanz-
dienstleistungen, die die Kommunen in Anspruch nehmen, insbeson-
dere Kommunalkredite, ein?

c) Welche Maßnahmen hat sie ergriffen und welche Maßnahmen will sie in
Zukunft ergreifen, um ihre Position im Rahmen der Europäischen Union
durchzusetzen?
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Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen

10. Will die Bundesregierung Initiativen ergreifen, und wenn ja, welche, um
bei der Umsetzung der EU-Erdgasrichtlinie den Erdgasunternehmen ge-
meinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen?

11. a) Welche Position nimmt die Bundesregierung zu der geplanten Wasser-
rahmenrichtlinie der EU ein und wie schätzt sie die Folgen ihrer Verab-
schiedung auf die Entwicklung des Trinkwasserpreises und die Versor-
gungssicherheit in Hinsicht auf Quantität und Qualität in Deutschland
ein?

b) Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung im Zuge der Um-
setzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie hinsichtlich einer Neustruktu-
rierung der Wassereinzugsgebiete und welcher zusätzliche Verwaltungs-
aufwand ist hiermit verbunden?

12. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung durch die geplante Änderung
der EU-Verordnung 1893/91, nach der sämtliche Verkehrsleistungen im öf-
fentlichen Personennahverkehr ausgeschrieben werden müssen, besonders
für die Berechtigung der Kommunen, auch selbst Leistungen im öffent-
lichen Personennahverkehr anzubieten?

Umwelt- und Naturschutz

13. a) Welche Steigerung des Verwaltungsaufwands, in welchen Bereichen
und im Rahmen welcher Verfahren und welche damit verbundenen
Kosten bei Kommunen erwartet die Bundesregierung von der Inkraft-
setzung der vom Rat der Umweltminister im Dezember 1999 als ge-
meinsamer Standpunkt beschlossenen Richtlinie über die Prüfung der
Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UVP)?

b) Was hat die Bundesregierung bewogen, entgegen der ablehnenden Hal-
tung der Mehrheit der Bundesländer dem Richtlinienentwurf zuzustim-
men?

c) Wie will die Bundesregierung eine Minimierung des Verwaltungsauf-
wandes bei den Kommunen und eine Abgleichung mit anderen um-
weltrelevanten Prüfungen, insbesondere der Projekt-UVP, der Prüfung
der so genannten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der Prü-
fung von FFH-Gebieten durch die Kommunen sicherstellen?

14. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass der erhebliche Planungs-
und Kostenaufwand der Kommunen zum Bau und zur Betreibung von Ent-
sorgungsanlagen und der dabei gewährleistete hohe Umweltstandard nicht
durch Maßnahmen und Regelungen der EU gefährdet wird?

15. Will die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, und wenn ja, welche, um
die den Herstellern mit den Lizenzentgelten des „Grünen Punktes“ aufer-
legte vollständige Finanzierung der Entsorgung von Verpackungsabfällen
mit einer neuen Verpackungsrichtlinie der EU-Kommission nicht aufzu-
weichen?

Zuwanderung

16. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung auf europäischer Ebene er-
greifen, um den illegalen Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in der EU
baldmöglichst zu beenden und den rasch wachsenden Zustrom illegaler
Migranten nach Europa zu unterbinden?
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
17. a) Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um im Rahmen
der Vergemeinschaftung der Asyl- und Einwanderungspolitik zu einer
schnellen Harmonisierung des Asyl- und Flüchtlingsrechts zu kommen?

b) Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung darüber hinaus
zur Erreichung dieses Ziels zu ergreifen?

c) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Ent-
wicklung gemeinsamer Standards für Verfahren in diesem Politikbe-
reich auf EU-Ebene voranzutreiben?

18. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um eine gerechte
Verteilung der Lasten, die durch Flüchtlinge innerhalb der EU entstehen, in
Europa zu erreichen?

Berlin, den 26. September 2000

Peter Götz
Dietrich Austermann
Günter Baumann
Meinrad Belle
Otto Bernhardt
Dr. Joseph-Theodor Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Albert Deß
Anke Eymer (Lübeck)
Ingrid Fischbach
Jochen-Konrad Fromme
Georg Girisch
Kurt-Dieter Grill
Ernst Hinsken
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Siegfried Hornung
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Norbert Königshofen
Ursula Lietz
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Dr. Gerd Müller
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Heinz Schemken
Heinz Seiffert
Thomas Strobl (Heilbronn)
Peter Weiß (Emmendingen)
Elke Wülfing
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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